Irgendwie geht es bei Weltraumflügen immer darum, der Erste zu sein. Vor einem halben Jahrhundert waren es Ost und West, die hier gegeneinander wetteiferten, heute sind es die Superreichen Jeff Bezos und Richard Branson, die mit ihren Privatflügen ins All dem anderen zuvorkommen wollen. Ist all das nur ein alberner Ego-Trip und Schwanzvergleich von ein paar Männern, die finanziell weit mehr erreicht haben als sie je sinnvoll ausgeben können? Wohl auch. Es ist aber vor allem eine Dienstleistung, für die es offenbar einen Markt gibt – und sei es nur der, dass andere Menschen auf Partys darüber reden können oder von der Möglichkeit träumen. Natürlich werden sich nur verschwindend wenige leisten können, einen zweistelligen Millionenbetrag in einen Weltraumflug zu investieren, aber es steht ihnen nunmal frei, dies zu tun.
Ein Thema, zwei Meinungen: Lest hier, warum Bezos‘ Flug auf zynische Weise zeigt, was auf der Erde schief läuft
Teuer und umweltschädlich sei all das, werfen Kritiker ein, und fordern mehr oder weniger offen die drei Superreichen auf, das Geld doch lieber für sinnvollere und zeitgemäßere Dinge wie den Kampf gegen den Hunger oder das Engagement für den Klimawandel auszugeben. Doch es steht uns nicht zu, den Herren zu erklären, wofür sie ihr Geld auszugeben haben und sie werden sich wohl auch kaum dafür interessieren. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren die staatlichen Weltraumprogramme der meisten Staaten (mit Ausnahme einiger Staaten, die hier mit den USA und Russland, aber auch mit den europäischen Engagements, soweit noch vorhanden, gleichziehen wollen) empfindlich zusammengestrichen. Das kann man mit Verweis auf die genannten Themen wie Forschung zu Klima und Umwelt durchaus tun, man muss sich aber nicht wundern, wenn andere Akteure diese Lücke besetzen.
Jeff Bezos: Die Parallele zu Bill Gates
Selbst die wohl von vielen als zynisch empfundene Aussage von Jeff Bezos, nur die Mitarbeitenden und Kunden von Amazon seien es gewesen, die ihn so reich gemacht haben, dass er sich derartig exzentrische Hobbys leisten kann, taugt eher als misslungenes Beispiel für Kommunikation, aber sie ist immerhin ehrlich, zutreffend und wahrscheinlich auch gar nicht so zynisch gemeint, wie es viele auffassen.
Dass Jeff Bezos aus den Sphären des Weltraums als Wohltäter zurückkommen würde, war nicht zu erwarten. Interessant ist indes, dass es eher MacKenzie Scott und Melinda Gates waren, die großzügig sehr viel Geld für sinnvolle wissenschaftliche und karitative Zwecke ausgegeben und für eine gewisse Erdung und Hinwendung zu den wirklich wichtigen Dingen gesorgt haben. Vielleicht gelingt es ja zumindest Bezos, nach dem Ausstieg aus dem Tagesgeschäft bei Amazon, sein Geld etwas vernünftiger auszugeben – wetten würde ich nicht darauf und vorschreiben, was er mit seinem Geld tut, kann niemand.
Nicht schimpfen, sondern Gesetze ändern
Doch da sind wir bei der Frage, ob all das auf dem Rücken seiner Mitarbeiter verdient wurde. Ja, natürlich – aber wenn Arbeitsbedingungen nicht stimmen, dann ist das eine Frage für Arbeitsrechtler und die staatlichen Behörden. Weder Tesla noch Amazon oder Virgin zwingt Menschen, Arbeitsverträge zu unterschreiben, und die Unternehmen selbst sind es, die das mit der Größe zunehmende unternehmerische und finanzielle Risiko tragen, was Angestellte gerne vergessen, deren Lohn auch in einer Krise gezahlt wird. All das ist in der Arbeitswelt eine Frage von Angebot und Nachfrage. Und wer als Arbeitgeber viel erwartet, muss entweder über eine solche Strahlkraft verfügen, dass jeder dort arbeiten will (dann wird er aber im Zweifelsfall Mitarbeitende nicht lang halten) oder aber im Branchenvergleich großzügige Gehälter zahlen. Das tun einige dieser Unternehmen in der Tat.
Die vor allem in den sozialen Medien geäußerte Kritik, dass die Weltraumabenteuer vor 50 Jahren von Steuergeldern und die heutigen Eskapaden der Superreichen durch nicht gezahlte Steuern möglich gemacht worden seien, ist einerseits korrekt, andererseits aber nicht den Protagonisten anzulasten. Es wäre vielmehr dringend an der Zeit, dass sich zumindest sämtliche Industriestaaten auf vernünftige Steuerregelungen einigen, die es eben gerade nicht möglich machen, nach Belieben und Steuersatz das anfallende Steueraufkommen gegen Null zu senken. Das wäre gerecht gegenüber jedem einzelnen Steuerzahler, vor allem aber auch gegenüber anderen Unternehmen, die beispielsweise im E-Commerce nicht über den Gestaltungsspielraum von Amazon verfügen. Daran können wir politisch und gesellschaftlich mitwirken – an den anderen Dingen nicht.
Ein Thema, zwei Meinungen: Lest hier, warum Bezos‘ Flug auf zynische Weise zeigt, was auf der Erde schief läuft
Sehe ich das richtig? Man darf ihn dafür nicht kritisieren, weil wir’s selbst schuld sein, weil die Gesetze nicht gut genug sind und somit wir es doch nicht schuld sind, gerechter sein sollten und zugucken sollen, wie die USA und Europa keine richtigen Steuergesetze hinkriegen?
Natürlich kann er mit seiner Kohle sonst was machen, selbst wenn das Geld von unterbezahlten Angestellten mitfinanziert wurde, aber genauso dürfen wir doch auch sagen, dass das Mist ist, oder nicht? Das hier klingt wie eine Rechtfertigung für ihn…
Yepp, ich schließe mich meinem Vorgänger an.
Wir können so was leider nicht verhindern, weil uns die Gesetze fehlen. Aber dass man Lücken nutzen muss, nur weil es sie gibt steht auch nirgendwo. (Oder vielleicht doch irgendwo in der Satzun der neo-Liberalen.)
Und niemand ist verpflichtet, Vorbild zu sein.
Aber Leute mit Strahlkraft werden eben wahrgenommen – und das will Bezos ja auch – und diese Aktion ist nicht nur überflüssig, sie ist in jeder Hinsicht falsch, aus der Zeit gefallen, unpassend.
Kurz und knapp: Doch! Jede/r muss Vorbild sein. Immer. Nach den jeweiligen Möglichkeiten.
Je größer die Möglichkeiten desto größer die Verantwortung.
Dieses ewige Me-First-Denken, das sich mittlerweile überall findet, ist das größte Problem der Menschheit. Das ist nämlich der Grund für Ausbeuter-Skandale, genauso wie für Massentierhaltung, fehlenden Konsens bei der Klima-Problematik etc…