
Amazon-Firmengebäude in München: Der mächtige Onlineriese. (Foto: Shutterstock)
Der Beziehungsstatus zwischen Amazon und seinen Marketplace-Händlern bleibt weiterhin schwierig, auch wenn der Onlineriese gerne betont, dass ihm die kleinen Händler besonders am Herzen liegen, die mittlerweile rund 60 Prozent an der Gesamtzahl der verkauften Artikel ausmachen. Das zumindest belegt eine Umfrage unter rund 1.600 Onlinehändlern, die der Bundesverband Onlinehandel (BVOH) jetzt veröffentlicht hat.
So erklären über alle Themenfelder hinweg 78 Prozent der im Dezember vergangenen Jahres befragten Händler, dass sie mit der Unterstützung durch Amazon äußerst unzufrieden sind. Die Händler sehen eine schwierige bis keine Partnerschaft – und lediglich fünf Prozent der Händler erhalten nach eigenen Angaben eine zufriedenstellende Unterstützung durch den Händlersupport. Die Händler geben gleichzeitig an, im Schnitt 51,2 Prozent ihres Unternehmensumsatzes durch Amazon zu erwirtschaften, wodurch die Abhängigkeit von Amazon deutlich wird. Auch bei Händlern, die mehr als fünf Jahre auf Amazon verkaufen, ist diese Abhängigkeit mit 55 Prozent noch geringfügig größer.
Vorwurf ungerechtfertigter Verkaufseinschränkungen
Dabei sind die Kritikpunkte vielfältig. Das ist zum einen der immense Preiskampf, wenn es darum geht, dass Händler in die so beliebte Buybox kommen wollen. Die befragten Händler erklären, dass der Verkaufspreis im Schnitt um 22,3 Prozent günstiger sein müsse als das vergleichbare Angebot von Amazon selbst. Immerhin fast jeder zweite Händler (44 Prozent) hat schon einmal erlebt, dass er am Verkauf eines Markenproduktes gehindert wurde, wobei 78 Prozent der betroffenen Händler erklären, dass Amazon diese Verkaufsbeschränkung ausspricht. Vier von fünf Händlern haben zudem schon einmal Erfahrungen mit Artikellöschungen gemacht – und fast immer, wenn es um den Vorwurf des Verkaufs von Testern, Proben, gebrauchten Artikeln anstatt Neuware oder sogar Fake-Produkten gehe, sei der Vorwurf nicht gerechtfertigt gewesen, erklären die befragten Händler.
Doch die wohl gravierendste Bedrohung für einen Händler ist eine Kontosperrung. Fast ein Viertel der Händler geben an, dass in den letzten zwölf Monaten ihr Konto durch Amazon gesperrt wurde. Über zwei Drittel der Händler haben erst am Tag der Sperrung davon erfahren und wurden nicht vorab von Amazon gewarnt. Gerade angesichts der eingangs genannten Abhängigkeit vom Marktplatz ist das ein hohes Risiko für Händler, für die es – das erfährt auch die t3n-Redaktion immer wieder – im Ernstfall schwierig wird, konkrete Ansprechpartner zu erreichen, die eine Entscheidung treffen können oder gar begründen.
Handelsverband fordert die Einhaltung von Gesetzen
Für Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverband Onlinehandel, geht ein solches Verhalten gar nicht, auch weil es den Händler in eine regelrechte Ohnmacht bringe: „Wenn Amazon nun durch Artikellöschung, falscher Preisfehler-Sperrung, Vertriebsbeschränkung, Geldeinbehalt bis hin zu Kontosperrung den Verkauf unterbindet, muss es wenigstens möglich sein, von Amazon einen eindeutigen Grund zu erfahren und mit einem Mitarbeiter bei Amazon eine Lösung zu finden“, erklärt der Händlervertreter. Von der Bundesregierung fordert der BVOH eine Vollzugsbehörde, die auf die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen im Zusammenhang mit dem Onlinehandel und speziell im Kontext von Marktplätzen achtet.
Auch müsse man, so erklären viele Händler in der Umfrage, um die Auszahlung von Umsätzen bei Amazon zuweilen kämpfen. 62 Prozent der professionellen, schon länger am Markt aktiven Händler erklären, dass schon einmal von Amazon ihr Geld einbehalten worden sei – unter den Einsteigern waren dies 46 beziehungsweise 52 Prozent.
Ein weiteres Ärgernis sind laut Händlern Preisfehler. So erklärten mehr als zwei Drittel der Händler, dass Amazon nicht näher bekannte Algorithmen nutzt, um den Verkaufspreis vorzugeben. Mit sogenannten Niedrigpreis- beziehungsweise Hochpreisfehlern drängt Amazon den Händler dazu, einen bestimmten Preis für das Angebot anzugeben. Der BVOH sieht hier klare Rechtsverstöße: „Amazon wirkt kartellrechtswidrig auf die Freiheit der Preisgestaltung des Händlers ein. Ohne die Kenntnis etwa von Einkaufskonditionen, Kostenstruktur und Verfügbarkeit, die den Verkaufspreis beim Händler bestimmen, meint Amazon vorgeben zu können, was der Verkaufspreis sein soll. Dieser weitere Eingriff seitens Amazons in die Freiheit des Handels muss aufhören.“
Amazon: Kritik nicht nachvollziehbar
Für Amazon ist die Kritik erwartungsgemäß nicht nachvollziehbar. So erklärt ein Unternehmenssprecher: „Niemand kümmert sich mehr um kleine Unternehmen und hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr für ihre Unterstützung getan als Amazon. Wir geben jedes Jahr Milliarden aus, um Verkaufspartner zu helfen, auf unseren Websites erfolgreich zu sein, ihren Traffic zu steigern, unsere Server und Infrastrukturen zu nutzen, die unseren Online Store jederzeit offen halten, sowie Betrug und Missbrauch zu bekämpfen“, heißt es da. Man höre stets auf Feedback und wolle sich auch an den BVOH wenden.
Dennoch bemängelt der Konzern, dass die Ergebnisse kein zuverlässiges Bild zeichnen würden, nicht repräsentativ seien. „Wir hören den Verkaufspartnern zu und haben verschiedene Prozesse, mit Hilfe derer sie Feedback geben können, darunter auch tägliche Umfragen. Diese Rückmeldungen widersprechen den Umfrageergebnissen des BVOH.” Für Händler, die die vom BVOH dokumentierten Erfahrungen machen müssen, ist das gleichwohl ein eher kleiner Trost.
Ich bin Amazon Händler und kann die negative Erfahrung nicht nachvollziehen.
Bei mir läuft alles bestens, ich wrde gut betreut und alles läuft prima.
Daher deckt sich der Artikel nicht mit meiner Erfahrung.
Man kann das Geheule nur schwer verstehen.
Die diversen Anbieter liefern sich rückhaltlos der Krake Amazon aus und wundern sich, dass die in üblicher Manier aufführen wie der letzte Großmogul. Mal abgesehen davon, dass das Geschäft von Amazon praktisch nur automatisiert laufen kann, ist eine individualisierte Betreuung praktisch illusorisch.
Amazon hat das klassische Großhandelsgeschäft nach vorne verlegt, indem es den Zulieferern eine digitale Schnittstelle zum Endkunden zur Verfügung stellt, über die der gesamte Kundenverkehr abgewickelt werden kann. Amazon ist demnach eine Datenbank mit Logistik, der mehr oder minder die komplette Verfahrensmacht automatisch zufällt – unausweichlich.
Wenn man dem auf Dauer etwas entgegen setzen will, muss man sich analog organisieren, am besten in Form einer Genossenschaft, wo Mitsprache zumindest ansatzweise implementiert ist.
Wir nutzen auch den Marktplace.
Und haben genau die Probleme wie im Artikel beschrieben.
Regelmäßige Kontosperrungen ohne Grund. Alle Raten sind perfekt.
Natürlich ist bei Amazon niemand erreichbar. Zu wenige Mitarbeitende, bei der Fehlerquote ihrer KI.
Seit mehr als 3 Monaten sind wir gesperrt. Wir wissen nur, dass wir geprüft werden. Das passiert mehrmals im Jahr. Da man nie den Grund erfährt, kann man das auch nicht verhindern, und muss sich Amazon beugen oder nervensparender die Verkaufsplattform wechseln. Vieleicht verkauft man da weniger Bücher, aber weniger ist immer noch besser als keins.
Wäre schön, wenn Amazon, das Geld, was durch die Steuervermeidung gespart wird, wenigstens seinen Mitarbeitenden und dem Service zu Gute kommen lässt. Und nicht nur den Aktionären und Managern.