Mehr hacken, weniger verschlüsseln: Wie Regierung und EU die Überwachung ausbauen
Mit vielen kleinen Schritten weicht die Regierung gerade immer weiter den Schutz unserer Privatsphäre auf.
Gestern wurde bekannt, dass in Zukunft auch die Bundespolizei die Erlaubnis bekommen soll, die Chats auf Handys mit einer sogenannten Quellen-TKÜ zu überwachen. Darauf haben sich zumindest die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU und der SPD in einem Eckpunktepapier geeinigt.
„Die Bundespolizei soll in gleichen Fällen und unter den Voraussetzungen die Nachrichten in Messenger-Diensten mitlesen dürfen, in denen sie bisher schon die Telefone abhören konnte“, sagt Thorsten Frei, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU der FAZ.
Auch die Bundespolizei darf dann hacken
Konkret bedeutet das, dass zukünftig auch Bundespolizisten nach dem Okay einer Richterin das Handy eines Verdächtigen hacken dürften, um dort Nachrichten mitzulesen.
Weil die Genehmigung eines Richters und das Hacken von Handys auf den jeweiligen Fall beschränkt sind, kann man das als eine verhältnismäßig milde Maßnahme betrachten.
Dass die Bundespolizei laut dem CDU/SPD-Papier in Zukunft auch Handys hacken können soll, wäre allein nicht so brisant. Allerdings häuft sich diese Art von kleinen Schritten in letzter Zeit.
BND soll 30 Prozent der weltweiten Kommunikation mitschneiden dürfen
So hatte netzpolitik.org gerade den Entwurf eines neuen BND-Gesetzes veröffentlicht. Auch der Bundesnachrichtendienst, so der Entwurf, soll mehr hacken und ausspionieren dürfen. Die Grenze, die die Bundesregierung dem BND dabei setzt: Der BND darf nicht mehr als 30 Prozent aller Kommunikation weltweit abhören. (Natürlich wäre der BND nie in der Lage, 30 Prozent des gesamten Internetverkehrs abzuhören, aber ok.) Im Inland kann der BND die Daten direkt von der Telekom oder dem Betreiber des Internet-Knoten DE-CIX ableiten. Im Ausland soll der BND Kommunikationsanbieter in Zukunft hacken dürfen. Kurz: Die Bundesregierung macht den juristischen Weg frei, damit der BND sich mehr in Richtung NSA entwickeln kann.
Offiziell soll der BND dabei zwar keine Daten von deutschen Staatsbürgern mit deren Klarnamen speichern. In der Vergangenheit war dieses Filterverfahren aber gerade so ausgefuchst (nicht), dass man dort E-Mailadressen mit einer .de-Endung herausgefiltert hat. Staatsbürgerinnen, deren E-Mail zum Beispiel auf …@gmail.com endeten, wurden nicht herausgefiltert.
Wenn Horst Seehofer deine Whatsapp-Nachrichten entschlüsseln will
Während die Bundespolizei und der BND neue Befugnisse zum mitlesen bekommen sollen, versuchen die Europäische Kommission, der Europäische Rat und Innenminister Horst Seehofer die Verschlüsselung von Messengern wie Whatsapp, Telegram oder Signal anzugreifen.
Die Europäische Kommission hatte dafür schon im Sommer ein Papier veröffentlicht, das vorschlägt, zur Bekämpfung von Kinderpornografie die jeweiligen Verschlüsselungen abzuschwächen. Die Kommission will dafür die E-Privacy-Richtlinie anpassen, die sonst eher für mehr Verschlüsselung gesorgt hätte.
Der Europäische Rat (unter Führung der deutschen Ratspräsidentschaft) hatte währenddessen ein Papier mit dem Titel „Sicherheit durch Verschlüsselung – Sicherheit trotz Verschlüsselung“ geschrieben. Der Rat will dabei „technische Lösungen, um auf verschlüsselte Daten zugreifen zu können (…)“.
Innenminister Horst Seehofer forderte währenddessen, mit Bezug auf den Anschlag in Wien, „Hintertüren“ zu Messenger-Chats der Nutzerinnen. „Ich persönlich bin dafür, dass wir alle nachrichtendienstlichen Möglichkeiten nutzen, die uns in der Theorie zur Verfügung stehen“, sagte Seehofer nach einem Treffen mit europäischen Innenministern in der vergangenen Woche. (Mehr zu den neun Crypto-Wars im t3n-Podcast mit Julia Reda.)
Mehr hacken, mehr mitlesen, weniger verschlüsseln
Interessant ist dabei auch, wie die neuen Gesetzesvorhaben ineinander greifen: Einerseits will die Koalition aus SPD und CDU der Polizei und den Geheimdiensten mehr Möglichkeiten schaffen, Handys zu hacken. Der BND soll derweil die Erlaubnis bekommen mehr Kommunikation mitzuschneiden und ausländische Kommunikationsanbieter dafür zu hacken. Andererseits wollen EU-Kommission, EU-Rat und Innenminister Seehofer mittelfristig die Verschlüsselung von Whatsapp, Telegram und Signal auflösen. Langfristig könnte vieles von dem, was der BND dann legal mitschneiden darf, erst durch die Entschlüsselungsgesetze der EU für den BND lesbar werden.
Manche dieser Schritte sind kleiner. Andere sind größer. Und wenn es schlecht läuft, treffen sich SPD, CDU, die EU-Kommission, der Europäische Rat und die Innenminister einfach in der Mitte – bei einer gläsernen Bürgerin.