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Interview

Canva-Gründer: „Ich verstehe immer noch nicht, was Web3 ist“

Cliff Obrecht ist der Co-Gründer und COO von Canva. Wir haben mit ihm über Canvas KI-Integration gesprochen – und ob es bald keine professionellen Designer:innen mehr braucht.

Von Insa Schniedermeier
7 Min.
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Cliff Obrecht, Co-Gründer und COO von Canva. (Bild: Canva / Tammie Joske)

Wir treffen Cliff Obrecht, Co-Founder und COO von Canva, in London bei einem Presseevent. Obrecht ist gemeinsam mit seiner Frau und Co-Gründerin Melanie Perkins aus ihrer Heimat Australien in die britische Hauptstadt gereist, um den ersten europäischen Canva-Campus in London einzuweihen und neue KI-Tools für die Designplattform vorzustellen.

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Canva wurde 2013 mit der Mission gegründet, Design zu demokratisieren und allen zugänglich zu machen. Inzwischen erstellen jeden Monat rund 135 Millionen Menschen weltweit ihre Social-Media-Posts, Geburtstagskarten oder Präsentationsvorlagen mit Canva – rund zehn Prozent davon (14 Millionen) sind zahlende Kund:innen.

Wie groß Canva inzwischen ist, wird auch deutlich, als wir Obrecht danach fragen, wie er es schafft, trotz des massiven Wachstums eine gesunde Unternehmenskultur zu erhalten. Statt vom Hiringprozess zu sprechen, erklärt er, wie Canva Unternehmen akquiriert.

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Die jüngste Canva-Akquisition aus dem Jahr 2022 ist Flourish. Mit den Features von Flourish, die seit Mai Teil der Canva-Plattform sind, sollen Nutzer:innen noch einfacher Daten visualisieren und Statistiken erstellen können. Auch zwei deutsche Unternehmen hat Canva bereits geschluckt: Pexels aus Fuldabrück und Pixabay aus München.

Canva-Gründerin: „We’re still only 1 percent of the way there“

Dennoch sind die Gründer noch lange nicht satt. „We’re still only one percent of the way there“, sagt Melanie Perkins in der vorangegangenen Pressekonferenz. Wir haben bei Cliff Obrecht nachgefragt, was das bedeutet.

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t3n: Canva will Design für alle zugänglich machen. Bedeutet das, dass der Beruf des Designers oder der Designerin dann vor dem Aussterben steht?

Obrecht: Diese Diskussion führen wir bereits seit Jahren. Ich glaube nicht. Design hat sich einfach nur weiterentwickelt.

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Wenn man heute mit Designer:innen spricht, sind die meisten von ihnen dankbar für Canva. Vor zehn Jahren hätte ein:e Designer:in beispielsweise bei Visitenkarten jede einzelne individuell anpassen müssen – Namen und Telefonnummern ändern, das ist eine Scheißarbeit für eine:n Designer:in.

Heute entwirft ein:e Designer:in lediglich das Layout der Visitenkarte und setzt einen Blindtext wie „Lorem ipsum“ darauf. Die Personalisierung können dann andere machen. Das Gleiche gilt für Verkaufspräsentationen.

„Unserer Erfahrung nach können Designer:innen durch Tools wie Canva heute mehr von der Arbeit machen, die sie lieben.“ – Cliff Obrecht

Unserer Erfahrung nach können Designer:innen durch Tools wie Canva heute mehr von der Arbeit machen, die sie lieben, nämlich hochwertige kreative Arbeit. Sie erstellen die zentralen Inhalte, die dann einfach im Unternehmen skaliert werden können.

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t3n: Viele Ihrer Vorlagen werden von externen Designer:innen erstellt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit diesen Kreativen?

Obrecht: Wir haben Zehntausende von Mitwirkenden und die brauchen wir auch für die Lokalisierung.

Europa allein besteht beispielsweise aus über 40 verschiedenen Kulturen, Sprachen und so weiter. Um hier auf die jeweiligen stilistischen Vorlieben eingehen zu können, ist es für uns essenziell, mit Design-Communitys vor Ort zusammenzuarbeiten.

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Nur wenn wir in der Lage sind, den Inhalt und das Produkterlebnis geografisch auf jede dieser einzigartigen Kulturen zuzuschneiden, können wir erfolgreich sein.

t3n: Haben Sie ein Beispiel für die unterschiedlichen Vorlieben von Nutzer:innen verschiedener Länder?

Obrecht: Nehmen Sie beispielsweise etwas Alltägliches wie das Trinken einer Tasse Kaffee. Das sieht in der Türkei meist sehr anders aus als in Paris. Die Menschen sehen anders aus, die Umgebung sieht anders aus, die Rituale sehen anders aus.

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Wenn Sie also als Nutzer:in in Paris auf Canva nach einem Template für eine Person suchen, die Kaffee trinkt, dann bekommen sie andere Vorschläge, als wenn sie Nutzer:in in der Türkei sind.

t3n: Wie sah die Designlandschaft im Jahr 2013 aus, als Canva gegründet wurde?

Obrecht: Als wir Canva vor zehn Jahren auf den Markt brachten, war nur ein Prozent der Internetnutzer:innen ein:e professionelle:r Designer:in. Design-Tools waren sehr kompliziert und hinderten viele daran, selbst etwas am Computer zu gestalten. Wenn man etwas designen wollte, brauchte man ein halbes Studium der gängigen Designprogramme.

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Die drei Canva-Gründer: Cameron Adams (l.), Cliff Obrecht und Melanie Perkins. (Bild: Canva)

Die drei Canva-Gründer: Cameron Adams (links), Cliff Obrecht und Melanie Perkins. (Bild: Canva)

Doch Menschen waren schon immer kreativ. Sie lebten ihre Kreativität durch ihre Kleidung, ihre Kunst oder ihre Musik aus.

Mit Canva wollten und wollen wir alle dazu befähigen, selbst zum:zur Designer:in zu werden und Technologie dazu zu nutzen, visuell zu kommunizieren.

t3n: Wir beobachten eine zunehmende Verlagerung auf visuelle Inhalte und Videos. Kinder lesen immer weniger. Was denken Sie über die Entwicklung von Text?

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Obrecht: Unterschiedliche Inhalte erfordern unterschiedliche Methoden der Kommunikation. Früher war man gezwungen, größtenteils textbasiert zu arbeiten, weil die Design-Tools im Weg waren. Jetzt hat man die Wahl. Ich lese immer noch sehr gerne einige Dokumente. Nicht alles muss grafisch sein.

t3n: Die Form folgt der Funktion, wie Dieter Rams sagte?

Obrecht: Ganz genau. Eine tiefgreifende Analyse für eine Unternehmensstrategie oder eine investigative journalistische Arbeit funktionieren meist besser in Textform. Statistiken hingegen lassen sich oft besser in einer Grafik darstellen. Es kommt auf die Vorlieben und Inhalte an.

t3n: Im März 2023 haben sie mit der „Magic“-Reihe neue KI-Tools eingeführt. Was waren die größten Herausforderungen bei der Einführung?

Obrecht: Wir denken eher in Chancen als in Herausforderungen. Die Technologie verändert sich unglaublich schnell. Im Jahr 2021 haben wir bereits glücklicherweise das KI-Unternehmen Kaleido aus Wien übernommen, dessen gesamte Kompetenz im Bereich der Fotobearbeitung, der Fotoerstellung und der visuellen KI liegt.

Dadurch waren wir sehr gut aufgestellt, um diese neuen Modelle, Technologien und Algorithmen in unser Canva-Ökosystem zu integrieren, und konnten frühzeitig in großem Maßstab Tools wie Text-zu-Bild-Generierung anbieten.

t3n: Wie sieht es dabei mit Urheberrechten aus?

Obrecht: Wir glauben fest an das Urheberrecht und wollen sicherstellen, dass die KI, die wir verwenden, auf legitimen Datensätzen trainiert wird. Wir wollen sicherstellen, dass jede:r, der zu diesen KI-Systemen beiträgt, fair entlohnt wird.

t3n: Auf Tiktok sind einige Videos viral gegangen, in denen Menschen mittels Canvas Magic-Tools ihre gesamten Outfits und Hintergründe verändern. Wie nehmen Sie die Social-Media-Response wahr?

Obrecht: Unsere KI-Tools sind in der Tat beeindruckend. Sie haben etwas Ähnliches auch für mich gemacht, als wir unseren neuen Canva-Campus in London eröffnet haben. Sie haben mich dabei mittels Canva in einen Beefeater gekleidet – ich dachte immer, das sei Gin, aber so heißt die Londoner Uniform für Regierungsbeamte. Das war lustig. Aber ja, es ist verrückt geworden auf Tiktok.

„Es ist verrückt geworden auf Tiktok.“ – Cliff Obrecht

t3n: Wie stellen Sie sicher, dass Menschen Ihre Technologie nicht missbrauchen, beispielsweise um Deep Fakes zu erstellen?

Obrecht: Man kann in Canva keine richtigen Deep Fakes kreieren. Auch „voice matching“, also die Generierung von Stimme, ist nicht möglich. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, diese Möglichkeiten nicht zu erlauben, um Betrug und Missbrauch zu verhindern. In mancher Hinsicht sind wir wahrscheinlich sogar zu restriktiv.

Wir lassen beispielsweise nicht zu, dass man Menschen kreieren kann. Man kann auf einem Bild den Hintergrund ändern oder die Kleidung einer Person, aber man kann keinen Avatar erstellen, der wie ein bestimmter Prominenter aussieht. Auch bei den zulässigen Suchbegriffen haben wir Einschränkungen gemacht. Wir wollen beispielsweise nicht, dass mit Canva etwas Politisches erstellt wird.

Wir wollen auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Wir sind daher vorsichtig und halten uns an ethische Grundsätze. Denn wir wissen: Mit großer Macht kommt große Verantwortung.

Viele der Tools, die wir für die ethische KI entwickeln, stellen wir zudem Open Source zur Verfügung. Wir möchten, dass jede:r, der mit KI arbeitet, auch die Tools für die ethischen Aspekte nutzen kann, in die wir investiert haben.

t3n: Wie groß ist Ihr Team von KI-Spezialist:innen und Ethiker:innen?

Obrecht: Es sind etwa 100 Personen, die sich speziell mit KI befassen. Das breitere Team ist wahrscheinlich noch einmal doppelt so groß. Ich kenne die genauen Zahlen des Ethik-Teams nicht, aber es sind mehrere Dutzend Leute aus verschiedenen Disziplinen – Technik, Recht, User-Experience, Design. Es ist ein Fokusbereich für uns.

t3n: Wen betrachten Sie als größten Konkurrenten, jetzt und in Zukunft?

Obrecht: Als wir Canva vor zehn Jahren gestartet haben, hatten wir quasi keinen Wettbewerb – außer eben professionelle Designer:innen.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Wettbewerbslandschaft verändert, weil auch andere Unternehmen in die visuelle Kommunikation eingestiegen sind. Aber wir haben das Gefühl, dass wir mit unserem zehnjährigen Vorsprung in diesem Bereich auch für die nächsten zehn Jahre gut aufgestellt sind.

Wir schauen nicht wirklich auf die Konkurrenz, sondern viel mehr darauf, was wir weiter demokratisieren können, was wir besser machen können. Und wie Melanie schon sagte: Wir haben erst ein Prozent von dem erreicht, was wir vorhaben.

t3n: Wollen Sie mit Hilfe Ihrer neuen Tools, wie zum Beispiel der Flourish-Integration, zunehmend zu einem B2B-Service werden?

Obrecht: Hundertprozentig. Wir wollen zunehmend mit Unternehmen arbeiten und Canva als offizielles Unternehmenstool für die visuelle Kommunikation platzieren.

t3n: Sie haben frühzeitig in KI investiert. Wie sieht es mit den Bereichen Web3 und Metaverse aus?

Obrecht: Ich verstehe immer noch nicht, was Web3 ist. Ich habe es gegoogelt, darüber gelesen und einige Leute haben versucht, es mir zu erklären, aber ich verstehe es immer noch nicht wirklich. Also nein, das Metaverse ist im Moment kein Schwerpunkt für uns.

Was ich jedoch sehe ist, dass die Blockchain und auch NFT einen großen Wert haben, beispielsweise wenn es um Urheberrechte geht. Das kann integriert werden. Aber ich würde Web3 oder NFT nicht mit so etwas wie der KI-Revolution vergleichen.

Ich denke, KI ist ein grundlegender technologischer Wandel, wie das Mobiltelefon. Web3 und NFT sind für mich nur Ablenkungen.

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