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Interview

Linkedin: 1.700 Menschen arbeiten bei „Unpaid Care Work“ – aber auch die richtigen?

Franziska Büschelberger gründet Ende April. Nach wenigen Wochen taucht ihr Unternehmen in rund 1.700 Lebensläufen bei Linkedin auf – und das, obwohl, oder gerade weil ein Job dort sogar zum Karrierekiller werden kann. Was steckt dahinter?

5 Min.
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Care-Arbeit im Lebenslauf? Für viele noch immer ein Tabuthema. (Foto: Shutterstock /Vadym Pastukh)

Schickes Büro, tolles Gehalt, geregelte Arbeitszeiten: All das gibt es in Franziska Büschelbergers Unternehmen nicht. Trotzdem verzeichnet die Firma seit der Gründung Ende April regen Zulauf – zumindest auf Linkedin. Rund 1.700 Menschen geben im Karrierenetzwerk an als Partner, CEO oder Managerin bei „Unpaid Care Work“ zu arbeiten.

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Büschelbergers Unternehmen ist fiktiv, ein Platzhalter, um Arbeit sichtbar zu machen, die bisher wohl in den wenigsten Lebensläufen auftaucht. Unbezahlte Care-Arbeit, also beispielsweise Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen, wird häufig als Privatangelegenheit abgestempelt. Und wenn sie doch im beruflichen Kontext auftaucht, ist sie häufig mit Nachteilen verknüpft, wird zum Karrierekiller.

Franziska Büschelberger will das ändern. Wie ihre Linkedin-Initiative dabei helfen soll und was nach dem ersten Ansturm kommt, hat sie uns gemeinsam mit ihrer Mitstreiterin Katrin Fuchs erklärt.

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Unpaid Care Work: Mehr als ein Linkedin-Eintrag

t3n: Frau Büschelberger, warum haben Sie das Unternehmen „Unpaid Care Work“ auf Linkedin gegründet? 

Franziska Büschelberger: Ich bin alleinerziehend und ich habe das schon immer angegeben, sowohl bei Linkedin als auch in Bewerbungen. Aber ich weiß, dass viele andere das nicht machen und noch immer empfohlen wird, Zeit, die man zum Beispiel mit kleinen Kindern zu Hause verbracht hat, im Berufskontext nicht anzusprechen oder, wenn doch, dann möglichst gut verpackt.

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Wenn man bei Linkedin eine Station im Lebenslauf ohne konkrete Firma einträgt, wird daneben nur ein unscheinbarer grauer Kasten angezeigt. Ich fand das schade, denn die Care-Arbeit, die ich eingetragen habe, ist ja Arbeit und Leistung, die aus meiner Sicht nicht versteckt, sondern als etwas Großes und Tolles gesehen werden sollte.

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Also habe ich ein Unternehmen mit passendem Logo erstellt und einen Aufruf erstellt, das, was im Verborgenen geleistet wird, zu zeigen. Katrin war die erste, die dem Aufruf gefolgt ist, und so kam der Ball ins Rollen. 

t3n: Frau Fuchs, Sie waren nicht nur die erste, die dem Aufruf gefolgt ist, sondern arbeiten jetzt auch gemeinsam mit Frau Büschelberger an der Initiative. Wie kam es dazu? 

Katrin Fuchs: Franziska und ich, wir kennen uns schon länger und beschäftigen uns mit ähnlichen Themen. Ich selbst komme eigentlich aus dem Corporate-Umfeld, habe BWL studiert und kenne damit die klassische kapitalistische Leistungskultur. Auf der anderen Seite bin ich Mutter, mache Vereinbarkeitscoachings und habe meinen Vater gepflegt.

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Als Franziska die Idee mit dem Arbeitgeber für Care Work hatte, habe ich das direkt geteilt, um sie mit Sichtbarkeit zu unterstützen. In meinem Post habe ich beschrieben, warum ich diesen Arbeitgeber jetzt hinzufüge und weshalb es für mich wichtig ist, dass wir Fürsorgearbeit sichtbar machen.

Darauf gab es viele Reaktionen, am zweiten Tag hat mir Franziska geschrieben, dass sie es nicht allein schafft, die vielen Nachrichten zu beantworten. Jetzt verteilen wir die Arbeit eben auf vier Schultern.

t3n: In den Kommentarspalten wird immer wieder diskutiert, was denn nun als unbezahlte Care Arbeit gilt. Wie definieren Sie das? 

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Katrin Fuchs: Arbeit findet per Definition dann statt, wenn ich Zeit und Ressourcen für andere aufwende – ob nun bezahlt oder unbezahlt. Was ich spannend finde, sind die zwei Arbeitswelten, die momentan unterschieden werden. Nur eine davon, nämlich die Erwerbswelt, wird meist mit dem Begriff Leistung verknüpft.

„Wenn wir von Leistungsträgern sprechen, meinen wir normalerweise nicht die alleinerziehende Mutter.“

Dass Arbeit so unterschiedlich bewertet wird, liegt an unseren kapitalistisch patriarchalen Strukturen. Unser ganzes Wirtschaftssystem baut darauf auf, dass wir Care-Arbeit gratis leisten. Da fließen viele Interessen und eine starke Prägung mit ein.

Es kann also zunächst befremdlich sein, Arbeit, die „mit Liebe bezahlt“ und „aus Liebe getan“ wird, als Arbeit zu bezeichnen. Von Liebe lässt sich aber eben schlecht leben!

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Wenn man den Wert von Care-Arbeit ausrechnen würde, wären das 825 Milliarden Euro, fast so viel wie die gesamten Steuereinnahmen von Bund und Ländern in einem Jahr. Und da finde ich, darf man sich schon Gedanken machen, warum diese zweite Arbeitswelt so anders beurteilt wird und nur die als Leistungsträger gelten, die eine klassische Karriere haben. 

t3n: Das klingt ja auch nach politisch sehr relevanten Themen? 

Katrin Fuchs: Definitiv. Care-Arbeit wird häufig als private Verantwortung abgetan. Wenn du keinen Platz in der Kita kriegst für dein Kind oder wenn dir das alles zu viel ist, dann musst du das halt irgendwie privat lösen. Dieses Private ist aber politisch! 

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Denn oft haben Menschen nicht die Wahl, ob sie ihre Zeit mit Erwerbsarbeit oder Care-Arbeit verbringen. Wenn wir keinen Pflegeplatz kriegen für unsere zu pflegenden Angehörigen, oder es heißt die Kita schließt wegen Personalmangel drei Stunden früher, hat das einen Impact, der nicht privat ist. 

„Indem wir den Fachkräftemangel als Eltern auffangen, werden wir selbst zu fehlenden Fachkräften. Das muss sichtbar gemacht werden!“

Michael Kretschmer hat vor Kurzem eine Diskussion um das Recht auf Teilzeit aufgemacht. Dieser Mann hat offensichtlich keine Ahnung davon, was in den Familien passiert, welcher Druck und welche Ausweglosigkeit teilweise entsteht!

t3n: Was geben Sie Menschen mit, die Angst haben, benachteiligt zu werden, wenn sie ihre Care-Arbeit sichtbar machen?  

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Franziska Büschelberger: Natürlich haben Arbeitgeber Angst, dass sie nicht wirtschaftlich bleiben, wenn zum Beispiel Eltern einen Anruf von der Schule oder Kita bekommen und dann sofort reagieren müssen. 

Wenn uns aber allen mehr und mehr bewusst wird, was da für eine große Leistung dahinter steht und dass Eltern da gerade auch die zukünftigen Arbeitnehmer ins Leben schicken für vielleicht genau das gleiche Unternehmen, in dem sie gerade arbeiten, haben wir viel gewonnen. 

Wir müssen bei uns selber im Kleinen anfangen, ehrlich zu sein und den Dialog suchen, um zu schauen: Wo können wir, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, uns gegenseitig unterstützen?

t3n: Viele Menschen, die Care-Arbeit leisten, sind vermutlich gar nicht auf Linkedin unterwegs. Wie könnte man die aus Ihrer Sicht erreichen? 

Franziska Büschelberger: Wir haben jetzt eine Website aufgebaut, auf der die Menschen landen, wenn sie uns googlen, weil sie zum Beispiel über uns gelesen haben. Neben Linkendin haben wir außerdem eine Instagram-Präsenz, die gerade anfängt zu wachsen.

Und dann gibt es viele Einzelinitiativen, die spezifischere Zielgruppen betreuen oder ansprechen, zum Beispiel alleinerziehende Mütter oder Menschen, die jemanden pflegen. Mit „Unpaid Care Work“ sind wir wie ein Dach über allem, die Initiativen finden sich in dem, was wir ansprechen, wieder. Wir tauschen uns mit ihnen aus und hoffen, dass wir so auch abseits von Linkedin gut sichtbar werden.

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