Auf die Plätze, fertig, China! Wie deutsche Onlineshops das Reich der Mitte erobern können
Sie sind bunt, kitschig und überladen: Chinesische Onlineshops sind für Europäer nicht nur wegen der unbekannten Schriftzeichen gewöhnungsbedürftig. Statt minimalistischem Design überfrachten die Händler in Fernost ihre Seiten, reihen Produktinformation an Produktinformation und tauchen ihre Websites in bunte Farben. Auch deshalb blicken einige deutsche Einzelhändler skeptisch in Richtung Fernost, nur wenige haben bisher den Schritt nach China gewagt.
Dabei birgt der Markt riesiges Potential. Der Umsatz im chinesischen E-Commerce lag 2015 bei rund 570 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der gesamte Einzelhandelserlös in Deutschland im Vergleichszeitraum lag bei 472 Milliarden Euro. Prognosen zufolge erwartet China bis 2018 einen Umsatz von 871 Milliarden Euro. Bis 2020 soll der Markt größer sein als die USA, Japan, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zusammen. Und er soll noch weiter wachsen. Denn es sind noch längst nicht alle Chinesen online. Der Grund: die wachsende Mittelschicht, die schon heute 225 Millionen Menschen zählt. Das sind rund 70 Prozent der gesamten Einwohner in den USA.
Für deutsche Einzelhändler lohnt sich deshalb die Überlegung, in den chinesischen Markt einzutreten. Auch weil Produkte „Made in Germany“ bei chinesischen Konsumenten ein hohes Ansehen genießen. Die Zielgruppe sitzt vor allem in den großen Städten: Die Kunden dort haben in der Regel ein höheres Einkommen und ein größeres Interesse an internationalen Produkten. Zudem suchen Chinesen in den Metropolen heute mehr denn je nach Individualität – auch an Produkten und Marken. Diese Entwicklung weitet sich bis in die ländlichen Regionen aus.
Aber: Was in Deutschland funktioniert, kann in China floppen. Denn es gibt extreme Unterschiede zwischen den Kulturen. Ein Unternehmen, das sich im Reich der Mitte versuchen will, sollte sich deshalb erst einmal vorsichtig an den Markt herantasten. Ein möglicher und relativ risikofreier Weg führt über den sogenannten Cross-Border E-Commerce. Unternehmen können so Waren in China verkaufen, ohne gleich einen eigenen Standort dort zu eröffnen.
Wie erreiche ich den Kunden in China?
Ein einfacher Weg, um in China Fuß zu fassen: Marktplätze. Über sie läuft traditionell fast alles. Die größte Onlineplattform stellt dabei Tmall aus dem Hause Alibaba, gefolgt von JD Mall. Beide Marktplätze bieten alle Produktgruppen an und haben sogar jeweils ein Segment, das sich auf internationale Marken fokussiert: Tmall Global und JD Worldwide. Händler können dort eine eigene Seite anlegen und so ihre Produkte vertreiben. Allerdings hat dieses Vorgehen auch Nachteile. Es besteht ein Risiko, dass die eigenen Produkte neben gefälschten Waren platziert werden. Und gefälschte Produkte gibt es beim Marktführer Tmall massenweise, allen Bemühungen zum Trotz.
Händler müssen sich außerdem auf relativ hohe Platzierungsgebühren und eine enorm hohe Produktkonkurrenz einstellen. Allein auf Tmall werden rund eine Milliarde Produkte von mehreren 10.000 Händlern angeboten. Um die Aufmerksamkeit des Konsumenten zu bekommen, bleiben wie in Deutschland auch entweder Rabattaktionen oder zusätzliches Marketing.
Jeder Anbieter ist wie ein kleiner Fisch im Ozean. Eine Ergänzung für Händler, die ihre Marke nachhaltig in China etablieren wollen, ist daher ein eigener Onlineshop mit entsprechendem Brand-Building. Nur so kann das Markenvertrauen, das europäische Händler und Hersteller genießen, dauerhaft tragen. Oder anders gesagt: Wer als Händler nachhaltig in China erfolgreich sein will, sollte in eine eigene Internetpräsenz investieren.
Was will ich verkaufen – und mit welchem Ziel?
Für welche Händler sich eine Expansion nach China lohnt, ist nicht leicht zu beantworten ist. Grundsätzlich sollte jeder Händler prüfen, ob die Produkte, die er anbietet, vom chinesischen Markt nachgefragt werden. Hierzu geben Statistiken Einblick: So sind seit Jahren Produkte für Babys, Kleinkinder und Mütter sehr beliebt, aber auch elektronische Güter oder Kleidung. Ein Bereich, der in den vergangenen drei Jahren dazugekommen ist, sind Pflegeprodukte und Kosmetik sowie Nahrungsergänzungsmittel. Wer als Händler in diesen Segmenten verkauft, für den ist China in jedem Fall interessant.
Eine zweite Frage, die sich Händler stellen sollten: Was will ich erreichen? Geht es nur um Absatz und Umsatzgenerierung und nicht primär um Gewinne und den Fokus auf Markterschließung? Dann bieten sich die etablierten Marktplätze wie Tmall und JD an, denn dort wird rund 80 Prozent des E-Commerce-Geschäftes gemacht.
Wie sollte mein Webshop in China aussehen?
Der chinesische Verbraucher hat einen enormen Informationshunger.
Die Userführung von chinesischen Onlineshops unterscheidet sich von der in Deutschland. Bildelemente in chinesischen Shops sind viel bunter, in Deutschland sind sie im Vergleich dazu minimalistisch und dezent. Während wir in der Konzeption von Onlineshops versuchen, möglichst viele relevante Informationen im sichtbaren Bereich übersichtlich darzustellen, ist das in China gar nicht möglich. Der chinesische Verbraucher hat einen enormen Informationshunger. Das führt dazu, dass manchmal in der mobilen Ansicht 30 bis 40 Seiten Informationen zu einem Produkt durchgescrollt werden müssen. Der chinesische Kunde macht das, denn er ist wissbegierig.
Wie wichtig ist eine mobile Website?
Chinesen lieben ihr Smartphone und organisieren damit in der Regel ihr halbes Leben: Sie chatten, teilen Momente aus ihrem Alltag, bestellen Essen nach Hause, kaufen Lebensmittel, Kleidung oder Arzneimittel und bezahlen fast alles mit dem Handy – sogar auf dem Wochenmarkt. Mobile Commerce ist im heutigen China Alltag. Da überrascht es wenig, dass 2016 mehr als 50 Prozent aller Online-Einkäufe über mobile Kanäle getätigt wurde.
Der Erfolg von mobilem Handel liegt in der Kombination aus fortschrittlichen digitalen Technologien und kulturellen Trends in der Gesellschaft. Wechat, die beliebteste App Chinas, allein hat 700 Millionen aktive Nutzer – also ungefähr so viele Menschen wie in ganz Europa leben. In der App können auch deutsche Händler Profile anlegen und Produkte verkaufen.
Denn auch wenn der chinesische E-Commerce-Markt noch von Alibaba dominiert wird: Viele Händler – sowohl einheimische als auch internationale – kämpfen immer erfolgreicher um Marktanteile. Dazu öffnen sie neue Kanäle und mobile Produkte, die flexibel und vor allem agil sind. Die Folge: ein boomender Mobile Commerce.
Was muss ich technisch berücksichtigen?
China hat eine Firewall. Beim Cross-Border-E-Commerce müssen Händler deswegen eine solide technische Grundlage bilden. Wer meint, er könne die chinesischen Verbraucher mit deutschen Servern erobern, liegt daneben. Von der Firewall werden viele Informationen weggefiltert, zudem sind die Datentransferraten so gering, dass sie keine akzeptable Performance erreichen.
Welche Aspekte muss ich beim Zoll beachten?
Wenn Händler ein Produkt verkauft haben, bleibt die Frage: Wie bekommen sie es nach China? Das ist ein Transport- und Logistikproblem, aber auch ein politisches Thema. Händler müssen sich informieren, welche Produkte sie tatsächlich verkaufen dürfen, welchen zollrechtlichen Bedingungen diese unterliegen und welche Wertgrenzen einzuhalten sind. Sonst drohen Strafen.
Fazit
Der chinesische Markt ist unbekannt und riskant? Unbekannt ja, riskant aber nicht unbedingt. Händler müssen sich – wie bei jeder Expansion – vorab ausführlich informieren. Wer sich den Schritt allein nicht zutraut, kann sich auch einen lokalen Partner vor Ort suchen. So oder so: Mit der richtigen Strategie kann China eine Goldgrube für deutsche E-Commerce-Händler sein.