Creative Thinking: 5 sichere Methoden, wenn dir nichts mehr einfällt
Erfahrene Innovationstrainer wissen noch mehr: nämlich, dass Kreativität ein Handwerk ist. Nicht die Spitzenkreativität eines begnadeten Designers, aber die Alltagskreativität des Marketers allemal. Sie nutzen einfache Methoden, um Kreativblockaden aufzulösen. Gleichzeitig öffnen die Teilnehmer des Workshops ihren Horizont und denken nicht mehr in der Linearität von Updates.
1. Kill your Company
Was ist das Schlimmste, was dem Markt oder deinem Unternehmen passieren könnte? Was macht die Firma kaputt? Lass die Teilnehmer des Workshops oder Teams jeweils fünf solcher Horrorszenarien erfinden. Wenn du ein Taxi-Unternehmen betreibst, könntet ihr auf die Idee kommen, dass eine Stadt den kompletten Autoverkehr in der City unterbindet.
Im nächsten Schritt sammelst du diese Ideen und lässt die Teilnehmer mit Bewertungspunkten abstimmen, welche Szenarien die fünf spannendsten sind. Wenn du allein arbeitest, nimm die drei krassesten Vorschläge. Nun entwickelt ihr pro Szenario drei Abwehrmaßnahmen. Du könntest beispielsweise Fahrrad-Rikschas in deinen Fuhrpark aufnehmen.
Schon aus diesem simplen Ansatz entsteht eine Reihe von Blog-Posts für das Taxi-Unternehmen: eine Grafik mit einer Fahrrad-Rikscha in der CI (definitiv cool für jeden Vortrag über Nachhaltigkeit), ein selbstironischer Ansatz: „Wir rüsten unsere Flotte um, kennt jemand eine günstige Bezugsquelle für Fahrrad-Rikschas“ oder eine kleine Reise durch fünf Großstädte, in denen es Fahrrad-Rikschas bereits in nennenswertem Umfang gibt, gekoppelt mit der Frage an die Follower, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben.
2. Die erzwungene Verbindung
Eine kreative kleine Fingerübung, die immer wieder zu sehr spannenden Ergebnissen führt. Mach eine Liste mit zehn Begriffen, die zu deinem Unternehmen, Kampagne oder Produkt gehören. Das kann eine Farbe sein, ein Standort, eine Produkteigenschaft oder was immer dir einfällt.
Schreib nun eine zweite Liste von Begriffen, indem du blitzschnell zu einem abstrakten Gegenstand oder einer Grafik (google Bilder von Mondrian) zehn Assoziationen aufschreibst. Die müssen nichts mit der Realität zu tun haben. Ein gelbes Viereck ist halt eine Telefonzelle aus der Perspektive einer Drohne gesehen. (Wenn du mit dem Begriff „Telefonzelle“ nichts anfangen kannst, nimm „Briefkasten“).
Nun legst du beide Listen nebeneinander und versuchst, Verbindungen zu finden zwischen den Wörtern, die nebeneinander stehen. Wenn die Worte zum Beispiel „Software“ und „Briefkasten“ sind, stellt sich vielleicht die Frage, ob es Sinn ergibt, dein Produkt auch physikalisch zu verschicken. Das wäre ein viel schöneres Geschenk als ein Download-Code.
Achtung: Bei solchen spielerischen Assoziationsmethoden kommt im Workshop oft Kritik auf, weil sie in keiner Form zielgerichtet sind. Das mag so wirken, stimmt aber nicht. Das Ziel ist es, möglichst diverse und möglichst viele Ideen zu erzeugen. Deshalb werden an dieser Stelle begrenzende Rahmenbedingungen, die notgedrungen jeder Mitarbeiter im Hinterkopf hat, so weit wie möglich verdrängt. Wenn ein Mitarbeiter das nicht kann, dann eben nicht. Jeder liefert das, was er kann und will. Es geht niemals darum, eine solche Wortliste akribisch abzuarbeiten, sondern sich inspirieren zu lassen. Jede Idee ist erstmal eine gute Idee.
Die gesammelten Ideen lassen sich erneut priorisieren und in einem weiteren Schritt hinsichtlich der Verwendung einordnen. Manche taugen nur zu einem Blog-Post, andere haben vielleicht sogar Potenzial für die Geschäftsentwicklung.
3. Triz
Diese Methode stammt aus den 50er Jahren und wurde in Russland entwickelt. Ausgangspunkt ist ein Idealzustand, der ein Problem löst. Angenommen, du bist Hotelier und das Problem ist, dass du keine qualifizierten Mitarbeiter findest. Was wäre die ideale Lösung? Vielleicht, dass du außer ein paar persönlichen Gastgebern gar kein Personal mehr brauchst.
Das erzeugt natürlich ein ziemlich spannendes aber vielleicht auch skurriles Hotelkonzept. Schon darüber lohnt es, nachzudenken. Triz geht aber einen Schritt weiter und versucht, aus dem Ideal Bestandteile zu verändern, um näher an den Ist-Zustand zu kommen. Eine Vorgehensweise hierfür ist die Abkoppelung. Was, wenn man nicht das ganze Hotel menschenleer werden lässt, aber einen Teil? Was würde passieren, wenn Roboter das Essen zubereiten? Wenn ich Hotelier wäre, würde ich das mal recherchieren und darüber schreiben.
Triz ist eine Art des Reverse Engineering. Man geht vom Endergebnis rückwärts und erkennt so die Schritte, die bis zum Ergebnis nötig sind.
4. Funktionsumkehr und Widerspruch
Widerspruchspaare beflügeln nicht nur die Fantasie, sondern können sogar dabei helfen, die eigene Organisationsform zu finden. Ein typischer Widerspruch der digitalen Transformation lautet: „Wie kommt man schneller zu Entscheidungen und Produkten, ohne dabei gleichzeitig an Qualität zu verlieren?“.
Beginne mit einer Liste der Dinge, die in deiner Branche im Moment total schief laufen. Schon aus dieser Liste schöpfst du kreative Kraft, wenn du die Ursachen der Missstände genauer analysierst oder Fans und Follower danach befragst. Du wirst sehen: Das Feedback fällt wesentlich reichhaltiger aus, als wenn du fragst: „Würdest du uns weiterempfehlen?“.
Da die gefunden Probleme bisher nicht überwunden wurden, liegt ein gewisser Widerspruch vor. Man weiß, dass es besser sein sollte, aber man weiß nicht, wie man dorthin kommt. Wikipedia ist hier ein tolles Beispiel: Die Online-Datenbank ist mit dem Ansatz angetreten, Wissen universell verfügbar zu machen. Aber natürlich hätte man es sich nicht leisten können, professionelle Texter, Rechercheure oder Wissenschaftler zu beauftragen. Die Lösung auf diesen vermeintlichen Widerspruch ist bekannt: Crowdsourcing.
Anmerkung: Diese Methode wirkt sehr groß und aufwendig. Achte auf eine strukturierte Vorgehensweise, damit das Brainstorming dazu nicht ausufert. Behalte das Ziel der Session im Auge, also den Blog-Post oder die Kampagne.
Einen einfachen inhaltlichen Einstieg bietet bereits das Workshop-Protokoll. Beschreibe doch einfach mal, welche Probleme und Widersprüche deine Team-Mitglieder finden oder stellt redaktionell zusammen, was die Follower schreiben.
5. Inspiration-Cards
Die Idee hinter dieser Methode ist der Perspektivwechsel. Die Vorgehensweise ist im Grunde nicht eigenständig, sondern dient regelmäßig als Eisbrecher, wenn man bei der Ideenfindung feststeckt. Im Design-Thinking gibt es die Brainstorming-Constraints. Sie funktionieren ähnlich.
Es gibt vier Varianten solcher Karten und im Grunde kann man sie weitgehend selbst entwickeln.
- Ressourcen: Die Karten beschränken oder steigern verfügbare Ressourcen. Die extremste ist: Du hast alles Geld der Welt, was würdest du damit machen?
- Weltveränderer: Physikalische Gesetze werden aufgehoben, gesellschaftliche Normen über Bord geworfen. Wir erfinden ein Stück Science-Fiction.
- Rollenkarten: Du bist ein Kind, du hast eine Behinderung, du bist Superman. Was verändert sich durch den Perspektivwechsel?
- Nightmare: Welche Veränderung würde die Probleme deiner Zielgruppe drastisch verschlimmern? Wie müsste dein Produkt aussehen, damit es niemand kauft?
Wenn du diese erzwungenen Perspektivwechsel an ein Produkt, einen Markt oder eine Gesellschaft anlegst, ergeben sich häufig ganz neue Fragestellungen. Die taugen natürlich zu weit mehr als für den nächsten Social-Media-Post. Darin versteckt sich auch die nächste Produktinnovation oder gar ein ganzes Geschäftsmodell. Natürlich ist eine Inspiration-Card wie „So viel Geld zur Verfügung, wie man will“ wiederum sehr absurd, vor allem für Menschen, die in einem solchen Workshop einen Realitätsbezug suchen. Mach deutlich, dass die generierten Ideen nur Zwischenstufen auf dem Weg zu umsetzbaren Lösungen sind.
Ein Beispiel: Du startest bei einem Thema oder einer Fragestellung. Bleiben wir bei Mobilität: Wie sieht das Taxi 2025 aus? Die Inspiration-Card, die ihr zieht, lautet „unendlich viel Geld“. Ein Teilnehmer beschreibt, dass er extrem luxuriöse Autos kostenlos anbieten würde. Geht von diesem Extrem zurück in die Realität – dann kommt ihr zu der Frage, wie sich das Gewerbe dann monetarisiert. Und die Antwort darauf ist gar nicht weit hergeholt: durch Werbung. Amazon steuert gerade darauf zu, mit E-Commerce gar kein Geld verdienen zu müssen, weil die Kundenschnittstelle so wichtig ist, dass Marken viel Geld für die Werbeplätze bezahlen.
Aus dieser Erkenntnis heraus könnte man auf die Idee kommen: Wer wären spannende Werbepartner? Und schon ist man im Hier und Jetzt. Die Innenräume der Taxis sind bis auf die Bildschirme in den Kopfstützen werbefrei. Was wäre, wenn man zum Beispiel Haribo oder Nestle „Verkostungsfahrten“ verkaufen würde. Die Fahrgäste dürfen neue Produkte probieren und füllen am Touchscreen einen kleinen Feedback-Fragebogen aus. Das ist dann überhaupt nicht mehr absurd und weit hergeholt.
Anmerkung: Betrachte alle Methoden extrem leicht und spielerisch. Es gibt keine falschen Antworten oder Ergebnisse. Und es ist völlig normal, wenn der Anfang etwas zäh ist. Viele Menschen haben Angst vor dem Wort Kreativität und bauen Druck auf. Auch hier können die Inspiration-Cards helfen, weil man andere Rollen einnimmt und somit unbefangener Ideen äußern kann.
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Sehr spannender Beitrag! Die Inspiration-Cards sind natürlich eine ganz neue Herangehensweise. Lg aus Linz, Alex von brandot.at