
Der Onlinehandel hat ein ernstes Problem. Sollte man nicht meinen, so wie die aktuellen Zahlen aussehen. Schließlich haben die Kunden durch die Pandemie noch ein paar Gründe mehr dafür, um den Handel in den Innenstädten und Einkaufszentren einen weiten Bogen zu machen. „60 Prozent mehr“, sagen die ersten Zahlen rund um den Black Friday – und wenn wir ehrlich sind, ist das erst der Anfang. Denn die Weihnachtszeit hat – entgegen anders lautender Eindrücke – ja erst begonnen und die größte Angst, die Händler haben, bezieht sich auf die Liefermöglichkeiten. Denn die sind in diesem Jahr mehr denn je das Nadelöhr. Will sagen: Die Lieferfähigkeit ist der neue Preis.
Nicht überall Rabatte zur Cyber Week
Einerseits gibt es gerade im Präsenzhandel Warengruppen, bei denen die Händler den saisonalen Erfahrungswerten für Ende November stark hinterher hinken: Bekleidung und Schuhe sind einmal mehr solche Sorgenkinder. Aber auch bei Uhren und Schmuck sowie Parfümerieartikeln und Kosmetik kann der Handel in den Städten wenig Neues an den Kunden respektive die Kundin bringen.
Andererseits gibt’s aber auch Bereiche, in denen untypischerweise Engpässe selbst bei den Großhändlern und Herstellern herrschen: Büromöbel und hier vor allem Schreibtischstühle wurden an den Black-Friday-Cyber-Monday-Angebotstagen beispielsweise nur wenig rabattiert. Auch Drucker, Monitore und Büro-PCs erfahren eine ungewohnte Nachfrage – dem Homeoffice sei Dank. Ähnlich wie im März müssen Onlinehändler hier eher Fragen nach Lieferterminen und Lieferbarkeit beantworten, als um den letzten Euro feilschen, wie ein großer Anbieter auch Nachfrage erzählt.
Für die Händler war der Black Friday mehr als nur das immer frühere Pitchen um das Weihnachtsgeld der Kunden. Er war bitter nötig, um das Geschäft zu entzerren, das sich in diesem Jahr in den meisten geschenkrelevanten Branchen vor allem online abspielen wird. Denn auch wenn in der Tat ein Großteil des Umsatzes am vergangenen Wochenende und heute gemacht wurde und wird, kommen in den nächsten Wochen noch viele kleinere Warenkörbe hinzu. Deren Wert war am Black Friday wieder ungewöhnlich hoch, doch weniger Arbeit machen auch viele kleinere Bestellungen in den nächsten Wochen nicht.
Paketdienste verdienen gut, Mitarbeiter profitieren kaum
Und ein Glied in der Lieferkette haben dabei aber mal wieder alle vergessen: den Paketzusteller. So ergab eine kürzlich vorgelegte Studie des Statistischen Bundesamts, die die Lohnentwicklung in einzelnen Branchen aufschlüsselte, dass die Entlohnung bei Post- und Kurierdiensten in den letzten zehn Jahren im Schnitt um gut 15 Prozent gestiegen ist – während die Löhne über sämtliche Wirtschaftszweige immerhin um gut ein Viertel stiegen. Selbst wenn die Vollzeitbeschäftigten in der Branche 2.924 Euro im Monat brutto verdienten, ist das noch deutlich weniger als der durchschnittliche Verdienst der Vollzeitangestellten von 3.994 Euro.
Die Zahlen zeigen einmal mehr, dass der Markt gerade im Hinblick auf gezahlte Löhne eben doch nicht alles regelt – denn die Nachfrage ist durchaus da. Und ähnlich wie im vergangenen Jahr versuchen die Paketdienste derzeit, alles an Wagen und Personal auf die Straße zu bringen, was sie anheuern können (und das dem Vernehmen nach zu durchaus attraktiven Konditionen aus Mitarbeitersicht). Doch solche attraktiven Deals gehen natürlich nur mittelbar in die Statistik ein, weil sie meist auch nicht die fest angestellten Kräfte betreffen.
So oder so sollten sich Händler wie Kunden darüber bewusst werden, dass in diesem Jahr das Weihnachtsgeschäft mehr denn je in den Händen der Logistik liegt und, wenn auch nicht gänzlich neuen, so doch veränderten Regeln folgt. Der Schritt Amazons, einen Teil seiner Logistik zum Kunden in eigene Hände zu nehmen, könnte sich da als geschicktere Schachzug erweisen. Schon im vergangenen Jahr konnten Händler ihre avisierten Versandzahlen nicht beliebig zu den ausgehandelten Konditionen gegenüber den Lieferdiensten erhöhen, schon damals waren längere Lieferzeiten an der Tagesordnung. Klar ist deshalb auch: In diesem Jahr sollte der Kunde nicht zu spät bestellen, will er nicht riskieren, an Heiligabend ohne Geschenk unterm Baum zu sitzen.