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MIT Technology Review Interview

Schonen Dark Mode und Blaufilter unsere Augen wirklich? Das sagt der Forschungsstand

Lesen und Arbeiten am Bildschirm sind anstrengend für unsere Augen. Einstellungen wie der Dark Mode oder auch Blaufilter sollen dagegen entlasten. Der Biophysiker Frank Schaeffel erklärt, was die aktuelle Studienlage dazu verrät – und was nicht.

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Hilft der Dark Mode gegen müde Augen? Die Studienlage dazu ist unklar. (Foto: PeopleImages.com - Yuri A / Shutterstock)

Viele nutzen ihr Handy im Dunkelmodus, sehen also weiß leuchtende Textzeilen in schwarzer Umgebung. Das soll Energie sparen, die Augen entlasten und sogar gegen Kurzsichtigkeit wirken können. Ein Energiespareffekt ist tatsächlich möglich, zumindest bei OLED-Displays. Doch sorgt das Umstellen zu „Weiß auf Schwarz“ auch für gesündere Augen? Frank Schaeffel, Biophysiker und Professor für die Neurobiologie des Auges an der Universität Tübingen, zum aktuellen Kenntnisstand.

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MIT Technology Review (TR): Ist der Dark Mode gut für die Augen?

Frank Schaeffel: Ich kenne keine Studie, in der herausgefunden wurde, dass ein invertierter Textkontrast zum Beispiel die Augen auf Dauer weniger ermüdet. Aber natürlich ist ein sehr heller Schirm mit kleinen schwarzen Linien nicht unendlich angenehm, zumindest nicht für jüngere Menschen. Es gibt auch ein paar Studien, die zeigen, dass Kinder schneller lesen können, wenn der Text invertiert ist. Aber es ist nicht bei jedem so. Der physiologische Effekt ist offenbar sehr individuell.

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TR: Wie sieht es bei älteren Menschen aus?

Schaeffel: Für sie ist der Standardmodus oft angenehmer. Im Alter verliert man die Akkommodationsfähigkeit in der Nähe und in den seltensten Fällen wird das durch eine Sehhilfe auf den Abstand zum Bildschirm optimal korrigiert. Bei einem hellen Hintergrund verkleinert sich die Pupille stärker, was dann dafür sorgt, dass alles schärfer aussieht. Das Gleiche gilt für Menschen mit Astigmatismus, also mit einer Hornhautverkrümmung.

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Mit Dark Mode gegen Kurzsichtigkeit?

TR: Es kursieren Aussagen, der Dark Modus könne die Entwicklung von Kurzsichtigkeit bei Heranwachsenden bremsen. Stimmt das?

Schaeffel: Darauf gibt es zumindest Hinweise in Tierversuchen mit gezielten Lichtstimulationen. Wir haben einen solchen Effekt auch in einer eigenen Studie festgestellt, die 2018 in Scientific Reports veröffentlicht wurde. In dieser Studie wurde herausgefunden, dass die sogenannte Aderhaut dicker wird, wenn man Text mit umgekehrtem Kontrast liest, was wiederum die Blutversorgung der Netzhaut im Dunkelmodus verbessert. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Augapfel dann ein bisschen langsamer in die Länge wächst, was einer Progression einer Myopie, also der Kurzsichtigkeit, entgegenwirkt.

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TR: Woran liegt das genau?

Schaeffel: Aus der Netzhaut wird Dopamin freigesetzt und Dopamin ist ein bekannter Wachstumshemmer fürs Auge. Die Zellen, die auf die hellen Linien beim Dunkelmodus besonders stark reagieren, sind die sogenannten ON-Zellen. Und diese ON-Zellen haben einen direkten Kontakt mit Zellen, die Dopamin ausschütten, und stimulieren sie. Es gibt auch OFF-Zellen, aber die regen die Dopaminabgabe eben nicht an.

TR: Was hat es mit den ON- und OFF-Zellen genau auf sich?

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Schaeffel: Beide Zelltypen sind nötig, um die Informationsverarbeitung klein zu bekommen. Denn wir haben in der Netzhaut etwa 125 Millionen Fotorezeptoren. Die Netzhaut ist also eine Kamera mit 125 Megapixeln. Der Sehnerv, der das Auge ans Gehirn anschließt, hat aber nur eine Million Kabel. Mehr passen auch nicht rein, sonst könnte man das Auge gar nicht mehr bewegen. Und einer der Tricks, die Informationen aus 125 Millionen Zellen auf eine Million Nervenfasern herunterzurechnen, ist, dass die meisten Zellen der Netzhaut nicht wie eine Kamera die absoluten Helligkeiten an jedem Pixel messen, sondern Kontraste. Sie erfassen also nur Kanten, an denen sich die Helligkeit verändert. Die ON-Zellen reagieren dabei auf Flächen mit einer hellen Mitte wie bei einer hellen Schrift. Ist die Mitte hingegen dunkel und die Zelle wird aktiv, ist es eine OFF-Zelle.

Blaues Licht für Netzhaut unschädlich

TR: Wie ist es mit dem Blaufilter, den man auf vielen Geräten aktivieren kann: Hilft er, die Augen gesund zu halten?

Schaeffel: Sehen durch einen Blaufilter – der gelb aussieht – am Abend hilft womöglich zu einem besseren Schlaf, weil Blau auf unsere innere Uhr wirkt und Tag signalisiert. Das legen manche Studien nahe. Aber dass er vor Netzhautschäden schützte, was häufig zu lesen ist, das stimmt nicht. Dazu sind die Blau-Intensitäten viel zu gering – jedenfalls deutlich kleiner, als wenn Sie zum Beispiel draußen in einen bewölkten Himmel schauen.

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TR: Gibt es gesicherte Tricks, mit denen man die Augen am Handy oder Computer entlasten kann?

Schaeffel: Größere Bildschirme helfen, weil der Blick dann stärker wandert, was wiederum den Tränenfluss verbessert. Und Menschen mit Kurzsichtigkeit wird empfohlen, immer mal wieder aus dem Fenster in die Ferne zu gucken – immer wieder in die Ferne schauen, hat zumindest in Experimenten mit Tiermodellen das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verlangsamt. Man blinzelt dann auch häufiger, was der Tränenbildung zugute kommt.

TR: Nutzen Sie selber den Dark Mode?

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Schaeffel: Auf dem Handy habe ich ihn noch nie eingeschaltet, und auch am Computer arbeite ich mit schwarzem Text auf hellem Hintergrund. In meiner Altersgruppe gibt es auch keinen Bedarf mehr, die Kurzsichtigkeit zu beeinflussen, und die kleinere Pupille ist wegen der größeren Tiefenschärfe angenehmer.

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