Deutsche Cyberagentur fördert Entwicklung eines mobilen Quantencomputers – was steckt dahinter?
Die Cyberagentur des Bundes fördert drei Konsortien mit rund 35 Millionen Euro, die innerhalb von drei Jahren einen mobilen Quantencomputer entwickeln sollen. „Mobil“ heißt allerdings nicht, dass Quantencomputer für die Hosentasche entwickelt werden. Gemeint sind eher Geräte, die ohne Rechenzentrum oder Cloud-Infrastruktur schnell hochkomplexe Berechnungen durchführen sollen – beispielsweise für komplexe Logistik-Szenarien oder als Basis für leistungsstarke Verschlüsselungstechniken zum Schutz kritischer Infrastrukturen.
Die neuen Quantencomputer sollen unter anderem ohne aufwendige Kühlsysteme auskommen. Zwei der drei zu entwickelnden Quantencomputer setzen dafür auf Chips mit Ionenfallen, das dritte Unternehmen setzt auf Diamanten. Aus den drei Projekten wählt die Cyberagentur in einem vierphasigen Wettbewerb ein System zur Weiterentwicklung für den praktischen Einsatz aus.
Warum Quantencomputer?
Klassische Computer verwenden Bits, Quantencomputer hingegen verwenden Qubits. Das sind „Zustände“ von subatomaren Teilchen wie Elektronen oder Photonen. Wenn Physiker davon sprechen, dass sich ein Quantensystem in einem bestimmten „Zustand“ befindet, meinen sie, dass diese zum Beispiel eine bestimmte Energie haben, sich an einem bestimmten Ort befinden, oder sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegen.
Qubits: mächtig, aber empfindlich
Ein Bit als kleinste Informationseinheit hat entweder den Wert 0 oder 1. Qubits können beide Werte gleichzeitig annehmen. Daher kann ein Quantencomputer mit mehreren Qubits eine große Anzahl möglicher Ergebnisse gleichzeitig durchrechnen. Jedes zusätzliche Qubit verdoppelt theoretisch die Rechenkapazität des Quantencomputers. Der Aufwand lohnt sich aber nur für Probleme, deren Berechnung auf klassischen Computern extrem aufwendig wäre, etwa Optimierungsprobleme. Die kann ein Quantencomputer sehr viel schneller berechnen.
Allerdings sind Qubits extrem empfindlich, ihre gezielte Manipulation für Berechnungen ist zudem fehleranfällig. Die zurzeit real existierenden Quantencomputer eignen sich daher noch nicht für praktische Anwendungen – Unternehmen wie IBM arbeiten unter anderem an Verfahren zur Fehlerkorrektur, damit sich das schon bald ändert.
Stabilere Qubits für mobile Quantencomputer
Die bisher leistungsstärksten Quantencomputer arbeiten mit supraleitenden Schleifen auf ihren Quantenprozessoren. Der zurzeit größte Quantenchip, der Heron von IBM, rechnet mit 1221 Qubits. Supraleitende Schleifen müssen aber auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt gekühlt und möglichst gut gegen jede Art von Störsignal abgeschirmt werden.
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Unternehmen und Forschungsgruppen, die andere Quantensysteme für ihre Qubits nutzen. Das ist auch bei den drei ausgewählten Konsortien der Fall.
Was können Ionenfallen?
NextQ, eine Ausgründung der Universität Mainz, setzt auf Ionenfallen-Quantencomputer. Die Qubits in diesen Quantencomputern werden durch ionisierte Atome gebildet, die von rotierenden elektrischen Feldern im Vakuum festgehalten werden. Mit gezielten Laserpulsen regen die Forschenden die Ionen an und versetzen sie, während sie im Vakuum schweben wie Perlen auf einer Kette, in Schwingungen. NextQ will solch ein System mit 50 Qubits entwickeln.
Die so hergestellten Qubits sind verglichen mit supraleitenden Qubits sehr stabil und lassen sich gut manipulieren. Tatsächlich gibt es schon einige kommerziell verfügbare Quantencomputer mit Ionenfallen: Das US-Unternehmen IonQ beispielsweise hat einen Ionenfallen-Quantencomputer mit 36 Qubits im Angebot; das österreichische Startup Alpine Quantum Technologies bietet ein Standard-Rack mit 20 Qubits an. Allerdings skalieren diese Systeme nicht gut. Damit Quantencomputer mit mehr als 50 Qubits zu bauen, ist extrem schwierig. Die Idee ist, Module mit 50 bis 100 Ionen-Qubits zu bauen, die miteinander gekoppelt werden, um einen großen Quantencomputer zu realisieren.
Das Konsortium Min-Ion (Oxford Ionics Limited mit Infineon Technologies AG) verwendet ebenfalls Ionenfallen, allerdings miniaturisiert auf einem Chip. Weil die Kontrolle der Qubits mit Laser nicht gut skaliert, verwendet Oxford Ionics magnetische und elektrische Felder, mit denen die Qubits auch gezielt zusammen gebracht (geshuttelt) werden. Dass das funktioniert, hat Oxford Ionics 2023 gezeigt – auf einem Chip konnten sie Quanten-Operationen mit einem und zwei Qubits mit hoher Präzision ausführen. Mit ihrer Chip-Architektur wollen sie bis zu 1000 Qubits kontrollieren.
Weiterer Ansatz: Quantencomputing mit Diamanten
Das Konsortium Diamonds-MQC (Quantum Brilliance GmbH mit Parity Quantum Computing GmbH) will seine Qubits mit Hilfe von Stickstoff-Fehlstellen-Zentren (NV-Zentren) in Diamanten produzieren. Fehlt im Kristallgitter des Diamanten ein Kohlenstoff und sitzt direkt daneben statt Kohlenstoff ein Stickstoff-Atom, entsteht solch eine Fehlstelle. Elektronen der umliegenden Atome verhalten sich in dem NV-Zentrum wie ein Quantensystem mit Spin 1, aus dem sich Qubits machen lassen. 2023 zeigte das Unternehmen erstmals einen funktionierenden „Quantenbeschleuniger“ mit zwei Qubits.
Was bislang fehlt, ist allerdings eine Möglichkeit, die NV-Zentren gezielt herzustellen. Mit der bisher verfügbaren Methode liegen die NV-Zentren oft zu weit auseinander, um damit Berechnungen durchzuführen. Nach eigenen Angaben arbeitet Quantum Brilliance an einer entsprechenden Herstellungsmethode.
Wann werden Quantencomputer wirklich brauchbar?
Wenn ein Quantencomputer mathematische Berechnungen durchführen kann, die nachweislich selbst für den leistungsstärksten Supercomputer unlösbar sind, wird das „Quantenüberlegenheit“ genannt. Theoretisch ist dieser Punkt bereits überschritten. Aber die Berechnungen, um die es dabei ging, waren exotische, akademische Probleme.
Ob Quantencomputer nützliche Berechnungen durchführen können, hängt nicht nur von der Zahl ihrer Qubits ab, sondern auch von der Qualität der Quanten-Operationen und davon, wie lange die Qubits stabil bleiben, bevor sie zerfallen.
Anstatt auf einen theoretischen Durchbruch zu warten, experimentieren viele Unternehmen bereits mit aktuellen Quantencomputern, die auf Cloud-Plattformen verfügbar sind. Zum Beispiel von IBM, Rigetti, D-Wave, IonQ aber auch Alibaba.