Organisiert. Konzentriert. Pünktlich. So würde ich mich beschreiben. Oder ehrlich gesagt: So hätte ich mich vor ungefähr einem Jahr beschrieben. In den vergangenen Monaten lautete die Statusmeldung eher: Ich kann nicht anfangen, weil ich nicht weiß, wo. Und das kostete mich noch mehr von der Zeit, von der ich eh nicht genügend hatte.
Mein Workload, jene Mischung aus Alltagsarbeit und größeren Projekten, Verpflichtungen in der Familie und in Freundschaften, Weiterbildung, Projekten und dem stets notwendigen Maß an Sport und Erholung, hatte das Maß des Möglichen überschritten. Ich hatte mehr zu tun, als ich tun konnte.
Ich versuchte, was man immer versucht und was bei vielen Organisationsproblemen auch sehr gut hilft:
- Sonntagabends schrieb ich To-do-Listen. Meistens fielen sie mir am Donnerstag wieder ein und dann hatte sich so viel verschoben, dass der Rest auch schon egal war.
- Ich priorisierte mein Leben um. Dummerweise priorisierte ich an meinem Leben vorbei und saß dann abends zitternd auf dem Fahrrad, Training konnte man das nicht mehr wirklich nennen – wenn ich es denn überhaupt zum Sport geschafft hatte. Gesundheit runterzupriorisieren ist einfach, aber eben auch dämlich.
- Ich versuchte es mit der Eisenower-Matrix. Bei diesem Tool zeichnet man eine Matrix und beschriftet die Achsen mit wichtig und dringend. Aber erstens schien mir alles irgendwie wichtig und zweitens konnte ich die nicht-dringenden Sachen nicht einfach liegen lassen, ohne mit 180 Sachen auf eine Wand zuzusteuern. Nicht-dringende Sachen sind ja in der Regel kleine Kleinigkeiten, sonst könnte man sie auch ganz bleiben lassen.
Zu viel ist zu viel, da hilft auch kein Sortieren
Als ich eines Sonntags meine Aufgaben priorisierte und von 13 Dingen 7 sofort erledigt werden mussten, gab ich auf. Wenn die Lego-Kiste voll ist, dann ist sie voll. Da kannst du die Steine noch nach Farben sortieren oder alle zusammenstecken, aber irgendwann ist Schluss, das Ding ist voll. Und dann musst du Steine aussortieren oder woanders ablegen. Es geht nicht anders.
Genau so ist das mit unserer Zeit auch. Niemand gibt es gern zu, aber irgendwann sind wir halt voll. Und dann muss der Workload runter, damit der Rest machbar bleibt. Diese Fragen kannst du dir stellen:
Muss das jetzt sein?
Die einfachste Art, den Workload zu reduzieren: Verteil ihn auf mehr Zeiteinheiten. Wenn du in dieser Woche drei Präsentationen schuldig bist und die einfach nicht gehen: Rede mit jemandem. Verschieb eine. Erstaunlich oft sind Fristen willkürlich gesetzt. Und gewisse Pufferzeiten werden von guten Organisator:innen sowieso eingeplant. Auch du darfst mal die Person sein, die eine solche Pufferzeit nutzt. Leitfragen:
- Wen kannst du fragen, ob ein Projekt einen Aufschub erlaubt?
- Gibt es Projekte oder Kooperationen, die du für einen gewissen Zeitraum pausieren oder abgeben kannst?
Willst du das wirklich machen?
Die wichtigste Frage eines jeden Berufslebens sollte diese sein: Willst du das wirklich machen? Die meisten Menschen stellen sich diese Frage viel zu selten. Natürlich haben andere Leute Wünsche an uns. In der Regel wünschen sie sich das, was sie selbst nicht machen wollen oder was niemand sonst so reibungslos erledigt. Daran gibt es nichts zu meckern, so funktioniert die Welt nun einmal. Nur ist das kein Grund, sofort zu springen. Es ist in Ordnung, etwas nicht tun zu wollen. Leitfragen:
- Willst du das wirklich machen?
- Wie lange?
- Wie oft?
- Lohnt es sich, Zeit in diese Aufgabe zu stecken?
Ist das das Leben, das du willst?
Frag nicht, was geht. Frag, wie du leben willst. Das Kernproblem bei der Organisation ist das Spektrum der Möglichkeiten. Werden wir gefragt, ob wir eine Aufgabe erledigen können, dann lautet die Antwort in der Regel: Na klar. Erstens, weil es wirklich grundsätzlich möglich ist. Und zweitens, weil ja kaum jemand gern zugibt, das etwas nicht geht. Aber manchmal geht’s halt nicht. Oder es kostet zu viel. Dass du etwas kannst, heißt nicht, dass du es tun musst – oder das du es tun solltest. Tust du dauerhaft mehr, als deine Lebens- und Arbeitszeit dir erlaubt, brennst du aus. Und dann machst du irgendwann gar nichts mehr. Leitfragen:
- Wenn ich das mache, was gebe ich dafür auf?
- Möchte ich das aufgeben?
Musst du dieses Problem lösen?
Natürlich ist es ärgerlich, dass Kollege A und Geschäftspartnerin B gerade jemanden brauchen, der für sie die Kohlen aus dem Feuer holt. Und du rühmst dich schließlich für deine Fähigkeiten, Kohlen aus Feuern zu holen. Du hast sie ja auch beide total gern. Dass ausgerechnet du jetzt gefragt wirst, ob du rettend einspringen kannst, ist eine große Ehre, jaja! Man traut es dir zu, toll! Nur sind die Probleme der anderen eben nicht zwingend deine Probleme. Und auch, wenn du sie lösen kannst: Du musst nicht. Eine freundliche Absage wird eurer Zusammenarbeit nicht schaden, wenn es eine gute Zusammenarbeit ist. Leitfragen:
- Ist das leidenschaftlich vorgetragene Problem eigentlich mein Problem?
- Möchte ich es zu meinem Problem machen?
- Wenn ich jetzt rettend einspringe, was gewinne ich eigentlich dabei?
Wird das noch was?
Einmal begonnene Projekte zurückzugeben, ist möglich, aber sehr schwer. Manchmal kannst du einen eleganten Übergang schaffen, zum Beispiel, indem du ein Arbeitspaket abschließt und dann schaust, wer Interesse am Projekt haben könnte. Um wieder effizient arbeiten zu können, ist es aber absolut entscheidend, dass du lose Enden verknotest: Hast du noch kleine Aufgaben, die einen Abschluss verzögern? Die müssen entweder erledigt werden oder sie müssen weg. Leitfragen:
- Was ist der logische nächste Schritt?
- Wirst du dieses Projekt jemals abschließen?
Nein? Dann fuck it. Du musst der schlechten Arbeitszeit keine gute hinterherwerfen, indem du dich ständig fragst, ob du in ein ausgefranstes Projekt wieder einsteigen solltest. Dann lass es halt bleiben. Sprich es an und hak es ab.
Es tut weh, aber es muss sein
Das wichtigste Tool, um den Workload runterzukriegen, ist, die verfügbare Arbeitszeit zu reduzieren. Hör auf, dir einzureden, du hättest noch alle Zeit der Welt für Projekt K. Projekt K, egal, wie groß oder winzig, wird nicht erledigt, wenn du nicht anfängst. Zieh die Deadline vor, nimm dir für die Zeit danach etwas anderes vor und dann leg los. Wenn Projekt K von deiner inneren Liste ist, dann ist die Liste kürzer, unglaublich, aber wahr.
Wer seinen Workload reduziert, tut das in allen anderen Fällen zulasten anderer. Und das kann wehtun. Es ist aber der Schnitt, der sein muss, damit du deine Arbeit wieder gut erledigen kannst. Wer zu sehr unter Druck steht, der mag zwar noch ein paar Diamanten erschaffen, an kreative Lösungen ist aber meist nicht mehr zu denken. So entsteht Fließbandarbeit – und die macht weder glücklich noch zufrieden.
Wir erleben gerade eine Zeit, in der sehr viele Unternehmen nicht genügend Leute haben für die Arbeit, die zu tun ist. Wir sehen ein Netz aus Aufträgen und Kooperationen, Konzentrationsprozesse hier, Neugründungen da, Beratung, Beratung, Beratung, Zuarbeit, Beratung. Arbeit ist genug da. Qualifizierte Menschen sind nicht mehr genügend da.
Und keiner von uns wird dieses Problem allein lösen können – ich hab’s versucht, du hast es vielleicht auch schon versucht, es bleibt Unfug. Mach das nicht. Schaff dir einen Workload, den du auch hinkriegst. Du kannst High-Performer:in bleiben, wenn’s dir Spaß macht. Aber wenn’s keinen Spaß mehr macht, dann solltest du etwas ändern.
Danke, das sind gute Tipps. Einige habe ich auch schon ausprobiert und bewähren sich.
Die To-Do Liste als Methode zu früh in den Müll zu werfen ist nicht hilfreich. Die Liste hilft eine Übersicht zu gewinnen, was zu tun „wäre“. Danach können sie priorisiert werden (was ist wirklich zu tun, z.B. Eisenhower-Matrix). Dringend ist fast alles, aber wirklich wichtig nicht. Wenn alles wichtig erscheint, dann lohnt sich ein genauer Blick. Es gibt immer Aufgaben, die weniger wichtig sind als andere. Die 25’000 Dollar Methode hilft beim Priorisieren: Wenn ich an einem bestimmten Tag nur eine einzige Aufgabe erledigen kann, welche ist das? Wenn ich diese Aufgabe nicht erledigt habe, scheitert die Dienstleistung / das Projekt / das Unternehmen.
Delegieren ist ja so eine Sache. Das wäre ja schön. 1. Können gewisse Aufgaben nicht ohne Mehraufwand delegiert werden und 2. wenn bei allen die Lego-Kiste voll ist, muss das Steinchen bleiben, wo es ist. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass bei Fachkräftemangel ein Unternehmen weniger Aufträge annehmen muss. Nur so wäre der Workload zu bewältigen. Aber welches Unternehmen sagt ernsthaft: „Nein, wir wollen euch keine Dienstleistung / Produkt verkaufen“? Und so bleiben wir entweder im Hamsterrad oder steigen aus und sorgen dafür, dass der Fachkräftemangel steigt.