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EU-Urheberrechtsreform versetzt Youtuber in Panik – zu recht?

„Mein Kanal wird gelöscht!“ – Einige der reichweitenstärksten deutschen Youtuber schlagen Alarm. Das Ende der Plattform sei nah, so die Stimmung. Was hinter der Angst steckt.

Von Jan Vollmer
4 Min. Lesezeit
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Tränen, Tragik, Aufnahmen in Schwarz und Weiß: Aufgebrachte Youtuber fürchten um ihre Kanäle. (Screenshot, 08.11.18)

Auf Youtube ist in diesen Tagen einiges los. „Warum es Youtube nächstes Jahr nicht mehr gibt“ heißt ein Video, dass vor kurzem noch auf Platz eins der Youtube-Trends in Deutschland stand. Seinen 300.000 Abonnenten erklärt der Kanal „Wissenswert“: „Youtube wird schon bald nicht mehr so sein, wie es zuvor war. In einigen Monaten werden fast alle Kanäle (…) gelöscht werden. Egal wie groß und beliebt, niemand wird übrig bleiben.“ Dazu hat der Kanal melancholische Klaviermusik eingespielt. 3,5 Millionen Menschen haben sich das Video bisher angeschaut. Wer in der Suche „Kanal gelöscht“ eingibt, bekommt den Eindruck, dass fast jeder Youtuber in den letzten drei Tagen ein tragisches „Kanal gelöscht“-Video aufgenommen, natürlich mit weinendem Smiley.

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Auslöser für die Angst auf allen Kanälen ist ein Blogbeitrag, den Youtubes CEO Susan Wojcicki Ende Oktober veröffentlicht hat. In ihrem Blog-Beitrag bezieht sich Wojcicki auf die Pläne für Upload-Filter der EU. Der Artikel 13 des Papiers, so Wojcicki, könnte das Internet drastisch verändern.

„Artikel 13, so wie er jetzt ist, bedroht die Möglichkeit von Millionen von Leuten, Inhalte auf Plattformen wie Youtube hochzuladen. Und er droht Nutzer in der EU bei Inhalten zu blockieren, die schon online sind (…).“ – Susan Wojcicki

Für die Youtuber war das anscheinend ziemlich starker Tobak. Mit der Aufregung wurde auch prompt eine Petition gegen den berüchtigten Artikel 13 auf Change.org wiederbelebt: „Stop the censorship-machinery! Save the Internet!“, steht da drüber. Auch Youtuber wie Dagi Bee werden da plötzlich politisch und rufen zur digitalen Unterschrift auf.

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Die Welle der Empörung ist mittlerweile auch in Brüssel angekommen. Reinhard Hönighaus, der Sprecher der EU-Kommission in Deutschland, versucht schon, per Twitter die Youtuber zu beruhigen: „Youtuber bzw. Nutzer von Plattformen werden auch in Zukunft das tun können, was sie heute tun, nämlich kreative Inhalte hochladen“, schrieb er.

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Aber auch auf Twitter bekommt die EU und ihr Artikel 13 Gegenwind. „Falsch! Der Text des #EP birgt Gefahren & Rechtsunsicherheiten“, schreibt EU-Parlamentarier Tiemo Wölken.

Tatsächlich ist es noch nicht ganz klar, wie das umstrittene Gesetz mit dem berüchtigten Upload-Filtern in Artikel 13  letztlich aussehen wird. Zur Zeit gibt es zwei Versionen – eine Version des EU-Parlaments und eine Version der EU-Ratspräsidentschaft.

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Beide Fassungen machen Plattformen wie Youtube direkt haftbar für die Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer. Um sich abzusichern, müsste Youtube dann jeweils die Lizenz für das Werk besitzen oder den Upload des Werkes verhindern. Unabhängig davon, ob es ein Werk des Nutzers selbst ist, oder ein Werk, dass der Nutzer nur hochlädt.

EU-Urheberrechtsreform: Das Upload-Filter-Hintertürchen der EU-Ratspräsidentschaft

Der Vorschlag der EU-Ratspräsidentschaft hat aber ein entscheidendes rechtliches Hintertürchen für Plattformen wie Youtube: In diesem Vorschlag würde Youtube nicht belangt, wenn es nach besten Wissen und Gewissen mit einem eigenen Upload-Filter versucht, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Außerdem müsste Youtube schnell reagieren, wenn es eine Beschwerde von den tatsächlichen Inhabern der Rechte gibt. Ziemlich genau das ist aber gerade jetzt der Status Quo bei Youtube: Das Programm Content ID gleicht die hochgeladenen Videos schon mit einer Datenbank an geschütztem Material ab. Falls jemand sich trotzdem um seine Rechte betrogen fühlt, kann er sich bei Youtube beschweren, und das Video sollte offline genommen werden. Problematisch würde das nur für kleinere Anbieter und Plattformen, die sich kein aufwendiges Programm wie Content ID bauen können.

In der Version des EU-Parlaments hingegen gibt es eine solche Ausnahme nicht. Wenn dann ein Video auf Youtube landet, für das Youtube nicht die erforderlichen Rechte hat, könnte der tatsächliche Rechteinhaber Youtube verklagen. Wenn Youtube nicht in einer Klageflut untergehen wollte, müsste es also a) bei jedem Upload einen Vertrag mit dem Nutzer schließen, der Youtube die entsprechenden Rechte für sein Werk zugesteht. Und b), Youtube müsste bei jedem Video prüfen, ob der Nutzer auch tatsächlich nur eigenes Material verwendet oder die Rechte an allen anderen Werken hat, die er zitiert.

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Praktisch würde das bedeuten: Wenn der Kanal Wissenswert mal wieder Videos mit melancholischer Klaviermusik unterlegt, muss Youtube vor dem Upload prüfen, wer die Rechte an dem Geklimper hat. Dazu kämen noch etliche Ausnahmen: Ist es eine Parodie? Ein Remix? Dann wäre die Lage schon wieder anders.

Der perfekte Upload-Filter ist technisch unmöglich

Ein Upload-Filter, der alles geistige Eigentum und alle Werke dieser Welt kennt und auch in einem Video erkennt, ist schwer vorstellbar. „Technisch unmöglich“, schreibt Patrick Beuth bei Spiegel Online. Und auch Youtube-Mitarbeiter können das nicht leisten.

Wie genau die Richtlinien für Upload-Filter letztlich aussehen werden, ist jetzt noch unklar. Solange der exakte Text nicht feststeht, wäre es falsch zu sagen „Youtube geht unter“. In einer langen Analyse weist der Journalist Sebastian Meineck darauf hin, dass Youtuber bisweilen auch ganz eigene Anreize haben, über ihr drohendes Ende zu schwadronieren – die Videos klicken einfach ziemlich gut. Andererseits wäre es aber auch falsch, schon Entwarnung zu geben. Eine schlecht formulierte Richtlinie könnte so einiges an Netzkultur (Memes, Parodien, Youtube-Hysterien mit melancholischer Klaviermusik) kaputtregulieren – mal ganz Abgesehen von den Folgen für die Meinungsfreiheit.

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Nach ein paar heißen Stunden und Tagen ist Youtube aber erstmal wieder zur Normalität zurückgekehrt. Es gibt nur noch ein Video in den Trends zum Thema – und das beschäftigt sich auch schon mit der Hysterie an sich: „Warum Youtube 2019 NICHT tot ist“ heißt das Video von MrWissen2Go. Den Rest der Youtube-Trends dominiert wieder Altbekanntes: Platz zwei geht an den Rapper Capital Bra mit „Gekämpft“, Platz eins an Sängerin Ariana Grande mit „Breathin“.

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2 Kommentare
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Titus von Unhold

Die Lobbyisten von YouTube schwadronieren und die bildungsfernen Kids plappern blind nach. Manchmal bin ich dann doch froh dass die Politik in Brüssel doch nicht ganz so einfach umfällt wie es sich manche wünschen.

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Parlamentarier

oh, wow … Die Frühaufsteher der YouTube Fraktion sind endlich wach geworden? Artikel 13, oder auch Upload Filter genannt, wird schon seit Monaten debatiert und vom Europaparlament am 12.09.2018 befürwortet. Würden die YouTuber nicht in ihrer Scheuklappengroßen eigenen Welt leben, hätten wir schon sehr viel früher sehr viel mehr Stimmen gegen Artikel 13. Aber nein, die müssen ja erst wach werden, wenn ihr Kanal auf einmal direkt betroffen ist. Alle anderen sind ihnen offenbar Egal.

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