Fake Work: Mouse Jiggler gegen Homeoffice-Überwachung – so ordnet ein Jurist sie ein
Glastüren und Großraumbüros dienen einer hellen Arbeitsumgebung, sie ermöglichen aber auch die Sicht auf die Schreibtische der Belegschaft. Ist jemand da oder nicht? Und wenn nicht, wie lange schon nicht? Ein bis zwei kontrollierende Blicke der Führungskraft reichen, um auf diese Fragen schnell Antworten zu bekommen. Anders ist das im Homeoffice. Ob der Kollege gerade am Laptop schreibt, telefonierend im Flur auf und ab läuft oder auf dem Balkon sitzt und sich sonnt – das weiß niemand so genau.
Nicht wenige Unternehmen entscheiden sich deshalb dazu, ihre Teams im Homeoffice per Überwachungssoftware zu kontrollieren. Programme, die etwa die Bildschirmaktivität aufzeichnen, werden als Bossware bezeichnet. In den USA, in denen die technische Überwachung von Beschäftigten geringe rechtlichen Schranken kennt, ist der Einsatz weitverbreitet. Schon im Jahr 2021 ergab eine Umfrage von Digital.com unter 1.250 US-Führungskräften, dass 60 Prozent einschlägige Bossware-Programme einsetzen.
Mouse Jiggler täuschen Arbeit im Homeoffice vor
Interessant sind die daraus resultierenden Reflexe auf Arbeitnehmerseite: Mit dem Einsatz von Bossware sind auch sogenannte Mouse Jiggler aufgekommen. Das sind meist Geräte, die Cursor-Aktivität vortäuschen. Experten sprechen von einem Wettrüsten. Eine größere Öffentlichkeit ist die Existenz von Mouse Jigglern durch die US-Bank Wells Fargo bekannt geworden. Das Unternehmen hat im Juni 2024 ein Dutzend Mitarbeiter entlassen, denen die Anwendung nachgewiesen werden konnte.
„Der Einsatz eines Mouse Jigglers erfolgt üblicherweise heimlich, um Arbeitsaktivitäten vorzutäuschen, während nicht gearbeitet wird. Das stellt grundsätzlich einen Arbeitszeitbetrug und eine erhebliche Pflichtverletzung des Mitarbeiters dar“, so Benjamin Karcher, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Bird & Bird, gegenüber t3n zum deutschen Recht. Der Nachweis sei jedoch schwer zu führen: „Oft behaupten Mitarbeiter, dass sie währenddessen eine Akte gelesen haben. Was sich schwerlich widerlegen lässt.“
Mouse Jiggler arbeiten unterschiedlich. Es gibt USB-Sticks, die, um den Ruhezustand des Computers zu vermeiden, alle paar Minuten einen digitalen Impuls an das Arbeitsgerät senden. Es gibt Hardware, auf die eine Computermaus gelegt wird und die sie wortwörtlich durchschüttelt. Und es gibt Youtube-Videos mit speziellem Inhalt für Tablets oder Smartphones. Oft sind schwarze Linien dargestellt, die von oben nach unten wandern. Die Maus, die auf das Mobilgerät gelegt wird, erkennt darin eine Bewegung.
„In derartigen Fällen bleibt Arbeitgebern oft gar keine andere Möglichkeit, als Nachforschungen anzustellen. Zu beachten ist jedoch, dass insbesondere eine anlasslose Totalüberwachung nicht zulässig ist. Auch Kontrollen ins sprichwörtliche Blaue hinein sind seitens der Rechtsprechung nicht gestattet“, so Karcher. „Daher raten wir unseren Mandanten vielmehr zu verdachtsbezogenen Untersuchungen. Dabei spielen der jeweilige Eingriffsgrad und die Intensität der einzelnen Maßnahme eine große Rolle.“
Möglich sei beispielsweise, den Browserverlauf auszulesen. In einem anderen Zusammenhang wurde eine stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers vom Bundesarbeitsgericht (BAG) als zulässig angesehen, während der Einsatz dauerhafter, verdeckter Spionagesoftware oder verdeckte Videoüberwachung grundsätzlich unzulässig sind. „Es kommt immer entscheidend auf den Einzelfall und die konkreten Verdachtsmomente an“, so der Jurist. Arbeitgeber sollten deshalb niemals vorschnell handeln.
Homeoffice: In der Regel wird produktiv gearbeitet
Den Einzelfall im Blick zu haben, ist generell ratsam. Häufig wird als simpler Tipp mitgegeben, sich einfach auf Rückrufrechte ins Büro zu berufen und sie konsequent für alle im Team umzusetzen. Jedoch vernachlässigt der Ratschlag, dass der Großteil der im Homeoffice arbeitenden Belegschaft produktiv ist. Internationalen Studien zufolge ist die Produktivität in Organisationen mit einem hohen Homeoffice-Anteil gleichgeblieben. Das spricht nicht für pauschale Büropflichten.
Um Arbeitszeitbetrug zuvorzukommen, empfiehlt es sich, Leitplanken zu stellen. So plädieren die Gründer Christian Wiens und Tim Mois gegenüber t3n dafür, individuelle Zielvereinbarungen für Team-Mitglieder einzuführen. „Jede Einheit der Organisation setzt sich quartalsweise qualitative Ziele, die mit quantitativen Ergebnissen hinterlegt werden.“ Wichtig sei, nicht nur die Menge der geleisteten Arbeit, sondern die Relevanz zu monitoren. Faulheit wird so jegliche Grundlage genommen.