Allein in Deutschland sind einer Accenture-Studie zufolge knapp 90 Prozent aller Websites nicht barrierefrei. Für Menschen mit Behinderung sind die entsprechenden digitalen Angebote damit nicht oder nur schlecht zugänglich.
Umsatzpotenzial in Milliardenhöhe
Für die Unternehmen kann das aus mehreren Gründen teuer werden. Zum einen entgeht ihnen ein Umsatzpotenzial in Milliardenhöhe. Wie das Handelsblatt schreibt, repräsentieren Menschen mit Behinderung in der EU eine Kaufkraft von 2,3 Billionen Euro pro Jahr.
Für sie ist es entscheidend, dass sich etwa Onlinebanking ausschließlich mit der Tastatur bedienen lässt oder man die Schriftgröße in einem Webshop ändern kann. Ein Test von Aktion Mensch und Google etwa hat ergeben, dass nur ein Fünftel der untersuchten Onlineshops zumindest teilweise barrierefrei ist.
Empfindliche Strafen drohen
Unternehmen, die ihren digitalen Vertrieb nicht bald barrierefrei gestalten, drohen künftig empfindliche Strafen – bis hin zur Abschaltung der Website. Dahinter steckt, dass am 28. Juni 2025 das sogenannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft tritt.
Darin sind klare Mindeststandards für die Barrierefreiheit auf Websites vorgeschrieben. Diese werden auch überprüft. Im schlimmsten Fall könne die Marktüberwachung eine Website sperren, wenn sie nicht barrierefrei sei, wie Inklusionsexpertin und Accenture-Beraterin Anke Lenz warnt.
Laut Handelsblatt haben viele namhafte Konzerne auf Nachfrage eingeräumt, dass sie aktuell die künftig vorgeschriebenen Standards noch nicht erfüllen. Zu diesen Firmen gehören demnach etwa Media-Markt-Saturn, die Deutsche Bahn sowie die Deutsche Bank.
Umsetzung: Aufwendige Aufgabe
Das Problem: Die Umsetzung ist eine aufwendige Aufgabe, wie etwa die Otto Group und Zalando erklären. Zunächst müssten erst einmal die Fehler und Barrieren auf den digitalen Angeboten erkannt und anschließend beseitigt werden. Bei großen Organisationen kann das entsprechend dauern.
Und teuer werden. Die Lufthansa etwa hat laut Handelsblatt für die Umstellung einen Millionenbetrag veranschlagt.
Expert:innen zufolge greift der Versuch, ein digitales Angebot barrierefrei zu machen, tief in die Struktur der Website ein. Diesen Aufwand dürfen Firmen auf keinen Fall unterschätzen. Zumal die Zeit drängt.
USA als warnendes Beispiel
Was passieren kann, wenn Unternehmen sich nicht an die Vorschriften zur Barrierefreiheit halten, lässt sich jetzt schon in den USA beobachten. Dort gelten entsprechende Regeln schon länger – und werden von Betroffenen auch eingeklagt.
So musste etwa Target, Betreiber von Supermärkten, zwölf Millionen US-Dollar zahlen, weil seine Website für Menschen mit Behinderung nicht komplett zugänglich war.
In Deutschland können ab dem nächsten Jahr nicht nur Betroffene, sondern auch Verbände und Konkurrenzfirmen bei der eigens eingerichteten staatlichen Marktüberwachung Beschwerden einreichen. Firmen sollten also nicht darauf vertrauen, dass Verstöße nicht entdeckt werden, wie Beraterin Lenz betont.
Richtlinien und Mindeststandards
Eine Übersicht über die für Unternehmen künftig vorgeschriebenen Richtlinien finden sich in den Web Content Accessibility Guidelines. Die dortige Konformitätsstufe AA ist der vom Gesetz vorgeschriebene Mindeststandard.