Forscher glauben, Schwarze Löcher fliegen durch unser Sonnensystem
In einem neuen Beitrag in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Physical Review D stellt ein Forschungsteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im US-amerikanischen Cambridge eine Theorie vor, die nicht völlig neu, aber nach wie vor ungewöhnlich ist.
Sind PBH die mysteriöse dunkle Materie?
Demnach vermuten die Forscher:innen anhand von telemetrischen Beobachtungen, dass mikroskopisch kleine „primordiale Schwarze Löcher“ (PBH) durch unser Sonnensystem fliegen könnten. Diese winzigen Schwarzen Löcher wären extrem dicht und könnten die Masse eines Asteroiden auf ein einzelnes Atom komprimieren.
Entsprechend würde es sich um regelrechte Kraftpakete handeln. Das MIT-Team glaubt, aus den Erkenntnissen neue Hinweise auf die Natur der „dunklen Materie“ zu erhalten. Das ist das bislang nicht nachgewiesene Material, von dem die Wissenschaft glaubt, dass es nicht mit Licht oder Strahlung interagiert, aber 85 Prozent des Universums ausmacht.
Laut MIT könnten diese Schwarzen Löcher einen Teil, vielleicht sogar die gesamte dunkle Materie ausmachen. Um deren Existenz nachzuweisen, untersuchte das Team Schwankungen in der Mars-Umlaufbahn, die durch den Vorbeiflug der Schwarzen Löcher verursacht sein könnten.
Mars eignet sich zur Beobachtung besonders
Der Mars bot sich dafür an, weil es sich um „eine hoch instrumentierte Region des Weltraums“ handelt, so MIT-Physikprofessor David Kaiser. Weil im Umfeld des Mars bereits seit Jahrzehnten Präzisionstelemetrie eingesetzt wird, „kennen Wissenschaftler die Entfernung zwischen Erde und Mars auf etwa zehn Zentimeter genau“, erläutert er.
Entsprechend genaue Messungen sind in der Region möglich. Nach der Theorie könnten PBH wegen ihrer hohen Dichte genügend Gravitationskräfte auf Himmelskörper in unserem Sonnensystem ausüben, um zumindest einen Teil der beobachteten Auswirkungen der dunklen Materie auf die Bewegung von Sternen und Galaxien zu erklären.
PBH hätten enorme Kraft
Wie das MIT überschlägig ausgerechnet hat, würde eine Person, die einem PBH in einem Abstand von etwa einem Meter begegnet, sofort um etwa sechs Meter weggestoßen. Würde ein solches Schwarzes Loch wenige hundert Millionen Kilometer am Mars vorbeifliegen, könnte dies dazu führen, dass die Umlaufbahn des Planeten um nahezu einen Meter zu wackeln beginnt.
Das Team versuchte eine Hochrechnung für einen Vorbeiflug an Erde und Mond zu erstellen, scheiterte aber. Die Zahlen waren nicht eindeutig genug, weil es viele andere Dynamiken im Sonnensystem gibt, „die als eine Art Reibung wirken und das Wackeln dämpfen könnten“, wie Studienhauptautor Tung Tran von der Stanford-Universität einräumt.
PBH schwierig nachzuweisen
Immerhin würde auch die reine Bestätigung eines solchen „Wacklers“ die Existenz der PBH nicht zweifelsfrei nachweisen. Mitautorin Sarah Geller von der University of Callifornia ergänzt um die These, dass PBH zwar „nicht im Sonnensystem leben“, aber „alle zehn Jahre oder so in einem bestimmten Winkel“ hindurch rasen könnten.
„Tatsächlich sind Astronomen erstaunlich gut darin, selbst viel leichtere Objekte in unserem Sonnensystem zu finden, wie etwa kleine Asteroiden“, wird Geller von Space.com zitiert. Indes würde wohl „die direkte Beobachtung eines kleinen Schwarzen Lochs mit einem Teleskop höchstwahrscheinlich überhaupt nichts zeigen“, räumt sie ein.
Primordiale Schwarze Löcher sind eine hypothetische Klasse von Schwarzen Löchern, die kurz nach dem Urknall entstanden sein könnten. Anders als normale Schwarze Löcher, die durch den Kollaps massereicher Sterne am Ende ihres Lebenszyklus entstehen, sollen primordiale Schwarze Löcher in extrem frühen Phasen des Universums durch Quantenfluktuationen und hohe Materiedichte entstanden sein. Die Forschung geht davon aus, dass die PBH innerhalb der ersten Sekunde nach dem Urknall entstanden sein könnten.