Frühzeitige Erdbeben-Vorhersagen bleiben schwierig – doch es gibt neue Ansätze

„Zehntausende tot oder vermisst, ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht, Häfen und Flughäfen zerstört, dazu ein nuklearer GAU und eine aus dem Takt geratene Hightech-Industrie“, berichtete MIT Technology Review 2011 über die Folgen eines Mega-Erdbebens an der japanischen Ostküste. Der Meeresboden bebte mit der Stärke 9,0 und löste einen Tsunami aus.
Dieser Text erscheint in der Ausgabe 4/2025 von MIT Technology Review. Ab dem 15. Mai könnt ihr hier das neue Heft bestellen.
Wann und wo Erdbeben entstehen
Erdbeben gab es seither immer wieder, auch schwere – etwa im letzten Jahr in der Türkei und in Syrien oder Anfang dieses Jahres in Myanmar. Der Durchbruch bei den Vorhersagen indes blieb aus. Dabei ist das Grundprinzip längst klar: Verkeilen sich die auf dem Magma im Erdinneren treibenden Platten der Erdkruste, bauen sich Spannungen auf, die sich mit einem großen Ruck entladen können. Nur wann genau und wo? Noch immer ist es nicht gelungen, Vorzeichen eines Bebens im ständigen Rumpeln des Planeten sicher zu erkennen und herauszufiltern. Menschen in Risikogebieten leben in ständiger Unsicherheit.
Bei den Analysen immerhin gibt es Fortschritte. So liefern Satelliten heute genauere Daten zu Veränderungen der Erdoberfläche, heißt es aus dem Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Sie erlaubten, „dass seismische Momente und Verschiebungsmuster von Erdbeben mit großen Magnituden innerhalb weniger Minuten berechnet werden können“. Neue Algorithmen verbesserten zudem die Vorhersage von Tsunamis durch Unterwasserbeben. Maschinelles Lernen habe „die Zahl lokalisierbarer Beben um mindestens eine Größenordnung“ erhöhen können. Und als belegt gilt mittlerweile, dass sehr starke Erdbeben weitere Erdbeben triggern können, auch in weiter Entfernung.
Neue Möglichkeiten der Erdbeben-Vorhersage
Geforscht wird noch an Ansätzen, starke Erdbeben durch vorhergehende kleinere Beben oder durch das Verhalten von Tieren vorherzusagen. Große Hoffnungen setzt das GFZ auf Messprojekte über Telekommunikations- und Glasfaserkabel, die als eine Art globales Sensornetz für Bewegungen in der Erdkruste genutzt werden können.
Verbesserungen hat es auch bei den Frühwarnsystemen gegeben, vor allem über Smartphones und bei einer schnellen Folgenabschätzung, die Behörden und Einsatzkräfte beim Katastrophenmanagement hilft. Das GFZ arbeitet zudem gerade an einer App, in der Betroffene vor Ort die empfundene Intensität des Bebens melden könnten – eine kostengünstige Methode vor allem für Regionen ohne Messsysteme.
„Nicht Erdbeben töten Menschen, sondern Gebäude“, heißt ein Leitsatz unter Seismologinnen und Seismologen. Daher gilt es, möglichst alle Häuser in Risikogebieten erdbebensicher zu gestalten. An Technologien dafür mangelt es nicht – von einfachen mechanischen Verstärkungen bis zu Hightech-Dämpfungen. Hier hakt es vor allem an der Umsetzung in die Praxis. Ein weiterer Hebel gegen Erdbeben könnte ebenfalls noch stärker genutzt werden: der Klimaschutz. Wie kürzlich bekannt wurde, verstärken häufigere Stürme und steigende Meeresspiegel den Druck auf die Kontinentalplatten und steigern damit das Erdbebenrisiko, vor allem in den Küstenregionen.