Während der Bankensektor die Branche ist, in der es die meisten Auflagen und Regulierung seitens der Gesetzgeber:innen gibt, ist die Kryptobranche weitgehend unreguliert. Dabei werden auch hier zunehmend größere Werte investiert.
Genau das könnte jetzt den Kund:innen der Kryptobörse FTX zum Verhängnis werden. In den vergangenen Tagen haben sich die Gerüchte um die Zahlungsunfähigkeit von FTX und eines weiteren Unternehmens von Sam Bankman-Fried bestätigt. Der zeitweise reichste Mann der Kryptowelt sucht jetzt nach neuen Geldgebern, die bereit sind, milliardengroße Löcher in der Bilanz zu stopfen.
Der Grund für die fehlenden Milliarden: Extrem hohe Auszahlungswünsche der Kund:innen in den vergangenen Tagen. Dem gegenüber stehen scheinbar zu wenige Sicherheiten oder Sicherheiten, die durch den Niedergang des SBF-Imperiums ebenfalls an Wert verloren haben.
Mit FTX liegt eine der größten Kryptobörsen weltweit am Boden. „Ein Fall der verdeutlicht, warum sich viele im Krypto-Umfeld mehr Regulierung wünschen“, sagt Oliver Scherenberg. Er ist Anwalt und berät unter anderem in Rechtsfragen zum Web3.
„Es wird immer Wege geben, Regulierung zu umgehen. Das sehen wir auch im traditionellen Finanzbereich, denn sonst würde nie eine Bank Pleite gehen“, sagt Scherenberg. Der Blick zur traditionellen Finanzwelt offenbart allerdings, dass es dort viele zusätzliche Mechanismen zum Schutz der Kund:innen gibt.
Not your Keys, not your Coins
Die Sicherung von Einlagen ist ein Beispiel dafür. Da es diese im Kryptobereich nicht gibt, bangen viele Kund:innen um ihre Kryptowerte. Dabei handelt es sich um Werte, die auf der Kryptobörse „geparkt“ wurden. Diese Assets werden damit von dem Anbieter verwaltet und können bei einer Insolvenz gefährdet sein.
Mit der Aussage „Not your Keys, not your Coins“ warnen Kryptofans davor, Assets von zentralen Anbietern verwahren zu lassen. Dabei liegen die Keys, also der Zugang zu den Assets, nämlich bei den Anbietern, nicht bei den Anleger:innen. Solange die Kryptobörse zuverlässig arbeitet und solvent ist, ist das kein Problem. Doch was, wenn selbst auf große Player kein Verlass ist?
Umgehen können Kryptoanleger:innen das, indem sie ihre Assets selbst verwahren. Wer das tut, kauft die Token nur über die Börse, transferiert sie dann direkt auf eine selbst verwaltete Wallet, die unabhängig von der Börse ist.
Einlagensicherung oder Selbstverwaltung?
Einlagensicherung wird damit überflüssig. Jede:r Anleger:in ist selbst verantwortlich, argumentieren Befürworter:innen des dezentralen Finanzsystems (Defi). Verbraucherschützer:innen halten allerdings dagegen, dass eine Selbstverwahrung technisches Know-how voraussetzt.
„Solange die Kryptobranche wenig reguliert ist, ist sie risikoreicher.“
Gesetzgeber könnten jedoch noch mehr als die Sicherung der Einlagen regulieren. Grundsätzlich befürwortet auch Oliver Scherenberg mehr Regulierung. „Gier frisst Moral, das ist leider so. Solange die Kryptobranche wenig reguliert ist, ist sie risikoreicher.“
Doch warnt er auch davor, nach Ereignissen wie bei FTX zu strenge Maßnahmen zu ergreifen. „Es besteht die Gefahr, dass die Vorteile der Technologie nicht berücksichtigt werden und wir dem technischen Fortschritt einen Dämpfer versetzen“, sagt Scherenberg. Das sei fatal, denn die Blockchain-Technologie habe großes Potenzial.
FTX, ein Abenteuerspielplatz?
Um die Situation zu veranschaulichen, in der FTX sich gerade befindet, verwendet der Anwalt eine Metapher: „Es ist wie eine neu gebaute Spiel- und Kletterhalle. Alle freuen sich darüber und alle Kinder toben und haben ihren Spaß ohne viele Regeln.“
„Kurz darauf geschieht allerdings ein Unfall, da auch risikoreichere Spiele wie Paintball zugelassen sind“, führt Scherenberg die Metapher aus. Der Hallenbetreiber profitiert aber davon, dass risikoreiche Spiele beliebt sind. Als die Situation eskaliert, wird die Halle von der Stadt geschlossen.
„Besser wäre es, wenn der Betreiber der Halle von Anfang an selbstverpflichtend einen Grundstock an Regeln verkündet hätte, damit sich alle sicher fühlen und die Stadt nicht einschreiten muss“, beendet Scherenberg die Metapher.
„Es ist kein Todesstoß für die gesamte Kryptowelt, nur ein aufgeschlagenes Knie.“
„Das Bild hinkt zwar ein einigen Stellen, aber in der Kryptowelt ist es ähnlich: Es gibt wenige Regeln, doch sobald man sich darin bewegt, wünscht man sich mehr“, sagt Scherenberg. Zwar könne Regulierung nicht jeglichen Fehlverhalten oder Verstrickungen vorbeugen, aber eine Basis dafür schaffen.
Regulierung sei auch wichtig, weil unter dem Kollaps von FTX das Vertrauen in die gesamte Branche leide. „Solche Ereignisse verstärken die Vorbehalte gegen Krypto und sind extrem abschreckend für neue Investoren“, sagt Scherenberg. Positiv stimme ihn jedoch, dass sich bereits auch viele institutionelle Investoren für Krypto interessieren. „Deshalb ist es kein Todesstoß für die gesamte Kryptowelt, nur ein aufgeschlagenes Knie.“