Auch wenn es im ersten Moment kontraproduktiv erscheint, so Teresa Bauer, sei es enorm wichtig, über Homeoffice-Regeln zu sprechen – und zwar bevor die Heimarbeit angeordnet wird. „Es ist notwendig, sich kurz die Zeit zum Innehalten zu nehmen und nicht einfach die sonstige Bürotätigkeit eins zu eins in die heimischen vier Wände zu überführen.“ Bauer ist Gründerin von Getremote und berät Unternehmen, wie Teamarbeit auch in Zeiten des Coronavirus remote weiter funktioniert und wie Führung auf räumliche Distanz gelingt. „Egal, ob moderiert mit einem Trainer oder rein intern“, so die Passauerin. „Hauptsache, das Team legt zusammen die Leitlinien für das Arbeiten im Homeoffice fest.“
Dazu gehören neben generellen Fragen zur Erreichbarkeit auch die gewünschten Antwortzeiten auf E-Mails sowie Kommunikationsregeln und das Etablieren von Meeting-Routinen. „Diese Zeit ist gut investiert und macht die erfolgreiche Zusammenarbeit im Homeoffice erst möglich.“ Nur wenn sich das gesamte Team auf diese Leitlinien einige, so Teresa Bauer, sei die Grundlage für den notwendigen Vertrauensvorschuss seitens der Führungskraft und der Kollegen gegeben. Im Gespräch mit t3n erklärt die Expertin, worauf es beim Führen im Homeoffice besonders ankommt und warum Vertrauen momentan mehr denn je die stärkste Währung ist, um erfolgreich durch die Krise zu kommen.
Führen im Homeoffice: „Regeln schaffen Vertrauen!“
t3n: Teresa, viele Firmen schicken ihre Teams jetzt erstmalig ins Homeoffice. Sollten Führungskräfte jetzt mehr oder weniger Vertrauen vorschießen?
Teresa Bauer: Diese kurzfristige und derzeit oft unfreiwillige Umstellung der Arbeitsweise ist für alle neu – für Führungskräfte genauso wie für die Mitarbeiter. In dieser Situation jetzt mit weniger Vertrauensvorschuss zu reagieren, halte ich nicht für zielführend. Einen misstrauischen Chef kann in diesen Zeiten niemand gebrauchen. Vertrauen ist meiner Meinung nach das A und O für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Homeoffice.
t3n: Trotzdem war und ist die Vertrauensfrage noch immer omnipräsent.
Dieses Vertrauen muss ja auch nicht einfach ad hoc entstehen, sondern es darf zusammen mit dem Team eine Basis geschaffen werden, die überhaupt erst einen Vertrauensvorschuss ermöglicht. Die Vertrauensfrage ist nämlich nicht nur für Führungskräfte wichtig, sondern auch für die Kollegen untereinander. Und dass genau das für alle zutrifft, liegt in der Hand der Führungskraft.
t3n: Welche Sorgen treiben Führungskräfte um?
Eine typische Sorge ist die Angst vor dem Kontrollverlust. Arbeiten meine Mitarbeiter noch, auch wenn ich sie nicht sehen kann? Dieser Gedanke ist total menschlich, aber jede Führungskraft darf sich klar machen: Die reine Anwesenheit war noch nie ein gutes Messinstrument für die Leistung der Mitarbeiter.
t3n: Sondern?
Ganz klar das Führen nach Ergebnis anstatt nach Zeit oder Anwesenheit. Wochen- und Monatsziele setzen und diese überprüfen, um gemeinsam mit dem Mitarbeiter die optimale Auslastung herauszufinden. In meiner Zeit als Führungskraft war mir egal, ob meine Mitarbeiter nur 30 Stunden arbeiten, solange das Ziel erreicht wurde. Dafür muss aber erst ein Umdenken stattfinden. Denn jahrzehntelang wurden Führungskräfte dazu angehalten, über Anwesenheit und Kontrolle zu führen.
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t3n: Warum glauben Führungskräfte denn, die Kontrolle verlieren zu können?
Im Homeoffice entfällt ein kompletter Sinn, nämlich das Sehen. Den Mitarbeiter morgens ins Büro kommen und abends wieder gehen zu sehen, gibt es erstmal Sicherheit – auch wenn es eine Pseudosicherheit ist. Außerdem ist die sofortige Verfügbarkeit im Homeoffice nicht mehr gegeben. War der Mitarbeiter vorher jederzeit am Schreibtisch zu erreichen, ist jetzt die Nutzung eines Mediums notwendig. Theoretisch kann der Mitarbeiter also selbst entscheiden, ob er erreicht werden will oder nicht. Das kann erstmal Unsicherheit hervorrufen. Aber auch viele Mitarbeiter sind durch die neue Situation verunsichert.
t3n: Welche Unsicherheiten gibt es seitens der Belegschaft?
Manche Mitarbeiter sind beispielsweise mit der neuen Art der Selbstorganisation überfordert. Sie wissen oft noch gar nicht, wie man sich im Homeoffice organisiert. Hier sind Chefs umso mehr gefragt, ihren Mitarbeitern Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Nicht wenigen Chefs geht das ja schlussendlich genauso. Auch für sie ist diese Art des Arbeitens neu. Deshalb ist es umso wichtiger, gemeinsam über Verhaltensweisen zu reden und sich auf klare Regeln zu einigen.
t3n: Die Doppelbelastung einiger Mitarbeiter mit Kindern im Homeoffice erhöht den Grad der Selbstorganisation.
Ja, auf jeden Fall. Auch das ist derzeit mit Sicherheit eine große Sorge. Hier stellt sich die Frage, inwiefern diese Mitarbeiter etwas entlastet werden können und welche Aufgaben wirklich oberste Priorität haben.
t3n: Hast du ein Beispiel, wie entlastet werden kann?
Eine Möglichkeit ist es, Eltern nicht nur ortsunabhängiges, sondern auch zeitunabhängiges Arbeiten zu ermöglichen. Ist es wirklich notwendig, dass alle Mitarbeiter zur gleichen Zeit tagsüber arbeiten und erreichbar sind? Manche Arbeitsschritte sind bestimmt auch abends machbar, wenn die Kinder schlafen. Hier greift auch wieder der Punkt „Führen nach Ergebnis“. Bei dieser Doppelbelastung auf die Erbringung von exakt 40 Arbeitsstunden zu pochen, gleicht einer Farce. Viel sinnvoller ist es, die Hauptziele mit dem größten Effekt zu definieren und von der Zeit zu entkoppeln.
t3n: Eine große Herausforderung liegt in der digitalen Kommunikation. Die kurze Frage über den Tisch fällt weg, der Austausch im Meeting.
Nicht alle Unternehmen sind es bereits gewohnt, mit einer technischen Infrastruktur zu arbeiten, die das erfolgreiche Arbeiten im Homeoffice benötigt. Die interne Kommunikation rein per E-Mail weiterzuführen, ist nicht zu empfehlen. Führungskräfte sollten sich fragen, welche zusätzlichen Tools sie benötigen, was das für die interne IT-Struktur bedeutet und wie sie die Mitarbeiter schnell fit für die neue Technik machen können.
t3n: Sprich Slack und Zoom?
Genau. Oder Microsoft Teams als Alternative. Momentan wird Teams sogar kostenlos angeboten. Mit dem Einsatz dieser Tools sind Informationen in geordneter Form für alle zugänglich, ohne dass Posteingänge überflutet werden.
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t3n: Selbst wenn die technische Hürde gemeistert ist, stehen sich manche Führungskräfte mit der fehlenden Bereitschaft für Video-Meetings konfrontiert.
Hier ist Fingerspitzengefühl bezüglich der Privatsphäre der Mitarbeiter genauso wie eine klare Kommunikation gefragt. Audio reicht einfach nicht. Denn nur wenn weiterhin die Gestik und Mimik der Kollegen und auch des Chefs zu sehen ist, können Missverständnisse vermieden und das Teamgefühl sowie die Produktivität aufrechterhalten werden. Moderne Software ermöglicht außerdem bereits das Verblenden des Hintergrunds, sodass der Chef keinen direkten Einblick in die eigenen vier Wände bekommt.
t3n: Das waren jetzt ziemlich viele Herausforderungen. Welche empfindest du als die härteste?
Dass diese oft aufgeschobenen Themen nun auf einen Schlag bearbeitet und gelöst werden müssen, stellt für Führungskräfte wohl die härteste Herausforderung dar. Die Summe der ungelösten Fragen kann daher lähmend wirken. Doch genau darin liegt gerade auch eine totale Chance. Unternehmen sind nun gezwungen, sich mit neuen Arbeitsweisen zu beschäftigen und dadurch werden Prozesse angestoßen, die sonst vielleicht noch Jahre gedauert hätten. Einmal Schnellwaschgang in Richtung New Work sozusagen.
t3n: Man kommt also nicht mehr drumherum?
Auf keinen Fall. Meine These ist, dass Unternehmen in fünf Jahren keine Bewerber mehr haben werden, wenn sie sich immer noch gegen Homeoffice sträuben. Mehr noch: Remote Work, also die komplett freie Wahl des Arbeitsortes auch außerhalb der eigenen Wohnung, wird immer wichtiger werden.
t3n: Wie sehr hängt der Erfolg des Homeoffices dieser Tage mit dem weiteren Geschäftserfolg zusammen?
Ich sehe da eine enge Verknüpfung. Das wichtigste Gut eines Unternehmens ist das eigene Team. Im Homeoffice wird wie unter einer Lupe viel schneller sichtbar, was an Unstimmigkeiten, Prozessfehlern und Kommunikationslücken meist schon lange vorher vorhanden war. Nur Unternehmen, die diese Situation als Chance erkennen und sich die Zeit nehmen, einen Fokus auf ihr Team und die Kultur der Zusammenarbeit zu legen, werden als Gewinner aus der Krise gehen und gleichzeitig bestens für den zukünftigen Arbeitsmarkt gerüstet sein.
t3n: Danke für das Gespräch!
Ein schlechter Chef zeichnet sich damit aus, kein Vertrauen in die Mitarbeiter zu haben. Und das hört man hier leider mehrfach raus. Ich sehe die Geschäftsführung auch manchmal wochenlang nicht und trotzdem ist das ein beidseitiges Vertrauen, zumal man ja auch Tickets und Dailies hat. Ist alles nur eine Frage der Organisation.
Wir hatten schon immer einen festen Homeoffice-Tag und täglich Homeoffice finde ich gerade echt traumhaft.
Diese Zeit ist eine echte Herausforderung für Unternehmen, aber dies ist eine gute Gelegenheit, die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu überprüfen …