Games-Branche im Minus: Spielen die Leute nicht mehr? Das Problem ist ein anderes

Blicken wir zunächst auf die Spiele der letzten Jahre, die den Herstellern einen großen finanziellen Erfolg beschert haben. Da ist etwa Helldivers 2 von Playstation. Ein kooperativer Online-Shooter, der mit Daily Challenges und anderen Modi die Spieler vor dem Bildschirm halten will – und zwar möglichst so, dass sie den ein oder anderen Euro mit einer Mikrotransaktion ausgeben.
Eigentlich immer dabei: ein Teil der Call of Duty-Reihe. Der Singleplayer-Modus ist dabei höchstens hübsches Beiwerk, schon lange kein Fokus mehr. Der liegt auf den diversen Online-Modi. Ranglisten, Abzeichen, seltene Gegenstände – all das bekommen die Spieler, wenn sie viel Zeit und Energie in das Spiel stecken. Gleiches gilt für die Sportspiele von EA, die oftmals mit Glücksspiel-Elementen versuchen, die User an das Spiel zu binden.
Und seit Jahren stehen schon Games wie Genshin Impact, Fortnite oder GTA Online auf den ersten Plätzen in den jährlichen Geschäftsberichten der Publisher. Sie machen Millionenumsätze im dreistelligen Bereich – in jedem Jahr wieder. Das funktioniert nur, weil sie ständig mit neuen Inhalten versorgt werden. Damit es sich für die Spieler lohnt, viel Zeit in diesen virtuellen Welten zu verbringen. Zeit ist die wichtigste Währung der Games-Branche geworden. Allein, die Zeit ist endlich. Sie kann nicht beliebig erweitert werden.
300 Millionen Dollar für ein Spiel
Vor dieser Schablone sind die aktuellen Meldungen zu lesen, dass der Umsatz der Games-Industrie in Deutschland und anderen Ländern zum ersten Mal seit Jahren zurückgegangen ist. Von den vielen Entlassungen und Streiks gar nicht erst zu sprechen.
Sicherlich, auch andere Faktoren spielen da mit rein: durch Corona und die sogenannten Lockdowns feierte die Industrie vor allem 2020 und 2021 ständig neue Rekorde. Die Gamer spielten so oft und lang wie nie zuvor. Sogar einige alte Online-Games fanden erneut ein Publikum. Damit wurden auch viele neue Mitarbeiter eingestellt und neue Projekte ins Leben gerufen, die nun vor der Veröffentlichung stehen – oder deren Finanzierung inzwischen nicht mehr gesichert ist.
Auch Spiele aus Deutschland wie Dorfromantik fanden damals einen unverhofften internationalen Erfolg. Ein Grund: mit der Pandemie verbrachten sehr viele Menschen sehr viel Zeit zu Hause. Sie brauchten Ablenkung. Zudem waren Online-Games eine gute Möglichkeit, Kontakt zu anderen Menschen zu halten.
Nun aber sind wir insofern in einer post-pandemischen Zeit, als dass wir nicht mehr an unsere Wohnungen gebunden sind – und die Anzahl an Alternativen zu Videospielen wieder deutlich gestiegen ist. Und so stellt sich für viele Gamer immer häufiger die Frage: in welches (Online-)Game möchte ich denn meine Zeit stecken?
Ein zweiter Blick auf erfolgreiche Spiele der letzten Jahre. Hogwarts Legacy, das im Vorfeld kontrovers diskutierte Open-World-Spiel. Spider-Man 2, ein auf Hochglanz poliertes Open-World-Spiel, das, wie wir nur durch einen Hackerangriff erfahren haben, 300 Millionen Dollar an Produktionskosten verschlungen hat. Oder The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom, an dem Nintendo sechs Jahre gearbeitet hat – obwohl die Entwickler auf den vielen Assets des Vorgängers aufbauen konnten.
Diese Spiele haben gemein, dass sie gigantische offene Spielwelten haben, in die die Spieler unzählige Stunden stecken können. Und sie haben gemein, dass sie allesamt neue Spiele gigantischer Franchises sind. Marken also, die Millionen Menschen kennen und auf die die meisten Gamer ungeduldig warten. GTA 6 ist dafür derzeit das beste Beispiel. Es wird wohl alle Rekorde brechen, wenn es um Produktionskosten geht. Und dann alle Verkaufsrekorde. Sollte dem nicht so sein, hätte Rockstar ein großes Problem.
Die Sunk-Cost-Fallacy
Wir sehen also zwei Geschäftsmodelle, die nun schon seit Jahren die Videospiel-Industrie dominieren. „Free 2 Play“ oder „Games as a Service”-Titel, in denen Zeit die wichtigste Währung ist. Und Blockbuster-Spiele mit gigantischem Budget und immer weiter ansteigender Entwicklungsdauer, die vor allem auf offene Spielwelten und etablierte Marken setzen. Beide Geschäftsmodelle produzieren Spiele, in die hunderte, wenn nicht tausende Stunden gesteckt werden können – und sollen.
Je mehr Zeit die Gamer in den Online-Games verbringen, desto mehr werden Spielmechaniken wie Daily Challenges, Ranglisten oder Charakter-Progression greifen. Und je mehr die greifen, desto eher sind Gamer gewillt, Geld in Mikrotransaktionen, Battle Passes oder DLCs zu stecken. Das wiederum führt schnell zur Sunk-Cost-Fallacy. Ein kognitiver Vorgang: wenn wir erst Geld und Zeit in ein Spiel gesteckt haben, bleiben wir erst recht dabei. Denn das investierte Geld soll sich ja auch lohnen – also geben wir noch mehr Geld aus.
Die gigantischen Open-Worlds benötigen aber auch Einsatz. Denn um alle Spielmechaniken zu erlernen und die Welten zu durchdringen, braucht es eben viele Stunden. Das Konzept von „Pick up & Play“, auf das die Industrie sehr lange gesetzt hat, ist kaum noch vorhanden: Spiel anmachen, losspielen. Bis nach ein paar Stunden das Ende des Spiels da ist – und damit der Impuls, sich ein neues Spiel zu kaufen.
Wieso Zeit als Währung das eigentliche Problem ist
Die aktuellen Probleme der Games-Branche sind also hausgemacht. Sie sind ein Feature und kein Bug. Die wenigen Spiele, die ein Massenpublikum treffen, machen Millionen – wenn nicht Milliarden an Umsatz. Sie sind die Spiele, in die die Gamer ihre Zeit stecken. Durch diesen Erfolg steigt aber der Druck auf alle anderen Spiele und Studios.
Denn welchen Beweggrund hätte jemand, der sich gerade erst in ein Helldivers 2 eingearbeitet hat, die Systeme des Spiels kennt, seinen Charakter aufgebaut und die Community kennengelernt hat; welchen Grund hätte dieser Spieler, nach kurzer Zeit in einen anderen Online-Shooter erneut all diese Zeit und Arbeit zu investieren? Zumal dieser andere Shooter sich höchstwahrscheinlich kaum von dem Shooter unterscheiden wird, den er schon gut kennt.
In den vergangenen Jahren haben sich die großen Publisher auf diese beiden Geschäftsmodelle gestürzt. Seitdem hat es schon einige gigantische Flops gegeben: Anthem, Marvel’s Avengers, Suicide Squad: Kill the Justice League, Redfall. Die Leute hatten einfach keine Zeit für sie.
Da die Produktion von AAA-Videospielen inzwischen weit über fünf Jahre dauert, dürfte es noch einige Jahre dauern, bis ein Kurswechsel zu erkennen ist. Die Industrie muss wohl eine neue Währung finden, die nicht so sehr von den begrenzten Zeit der Gamer abhängig ist. Bis dahin werden wir wohl noch weitere Meldungen lesen, dass die Games-Branche in der Krise ist.
10 Spielmechaniken, auf die kaum ein Gamer Lust hat:
Spiele werden einfach nur noch für klischeehafte Süchtlinge hergestellt, die vor allem zuerst mit WoW hochgezüchtet oder definiert wurden. Oder Horden von Zombies, die die standardmäßige Belächelung von Call of Duty über viele Jahre durch besessene Hörsamkeit ersetzt haben. Zudem sind Spiele – und Hardware – reine Abzocke, und es eigentlich niemals, jawohl niemals, wert. (Übrigens ist die Umrechnung von Zeit in Preis einfach völlig unsinnig. Okay, dann zahl doch bitte 1 Million an die Fernsehserie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Oder an die Fernsehwerbung!) Die Masche ist inzwischen nicht, „ach komm schon, der hohe Preis ist es wert, du wirst sehen“, gegen Kritik daran, sondern, „der Preis ist so schwachsinnig protzig, echt dumm, wenn du da nicht einsteigst, bist du voll der Loser!“ . Was verblüffenderweise extrem gut funktioniert: nur halt dann dich mit Grenzen der Realität.