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MIT Technology Review News

Gedanken sichtbar machen: Wie Neurowissenschaftler die elektrische Aktivität im Gehirn visualisieren

Mit dünnen und flexiblen Elektroden können Gedanken im Gehirn sichtbar gemacht werden. Was dazu noch notwendig ist und welche Bilder daraus entstehen, zeigt ein Video.

Von MIT Technology Review Online
4 Min.
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Gehirnimplantate geben, drahtlos verbunden mit einem Computer außerhalb des Körpers, interessant Einblick in das menschliche Gehirn. (Symbolbild: Shutterstock/Mopic)

Wie sehen Gedanken aus? Man kann sie sich als das Resultat von gemeinsamen Signalen vorstellen, die sich einige der Milliarden Neuronen im Gehirn zusenden. Es sind zwar auch verschiedene Chemikalien an diesem Prozess beteiligt, aber im Grunde handelt es sich um elektrische Aktivität, die sich messen und zurückverfolgen lässt.

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Genau das tut Ben Rapoport, Mitbegründer und Chief Science Officer von Precision Neuroscience. Sein Unternehmen entwickelt Gehirn-Computer-Schnittstellen, von denen Rapoport hofft, dass sie eines Tages gelähmten Menschen helfen werden, Computer zu steuern und, wie er es ausdrückt, „einen Schreibtischjob zu haben“.

Rapoport und seine Kollegen haben dünne, flexible Elektrodenarrays entwickelt, die durch einen winzigen Einschnitt unter die Schädeldecke geschoben und auf dem Gehirn platziert werden können. Diese Elektroden, die dort dann die Signale der Neuronen erfassen, wurden bislang 17 Menschen eingesetzt. Bei ihnen konnte Rapoport aufzeichnen, wie ihre Gehirne Gedanken bilden (weiter unten im Text ein Video davon).

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Gehirn-Implantate nicht nur von Neuralink

Hirnelektroden gibt es schon seit einiger Zeit, sie werden häufig zur Behandlung etwa der Parkinsonschen Krankheit und einige schweren Fällen von Epilepsie eingesetzt. Bei diesen Geräten werden in der Regel Elektroden tief in das Gehirn eingeführt, um Zugang zu den Regionen zu erhalten, die an diesen Störungen beteiligt sind.

Neueren Datums sind Gehirn-Maschine-Schnittstellen, bei deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten Neurowissenschaftler:innen und Ingenieur:innen bedeutende Fortschritte gemacht haben. Die Schnittstellen hören sozusagen die Gehirnaktivität von Patienten ab und ermöglichen ihnen, mit diesen Daten Computer und Prothesen allein durch ihre Gedanken zu steuern. Die Technologie ist allerdings noch nicht alltäglich verbreitet, und frühe Versionen kamen nur in einer Laborumgebung zum Einsatz.

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Dünner als eine Wimper

Wissenschaftler wie Rapoport arbeiten nun an noch neueren Geräten, die effektiver, weniger invasiv und praktischer sein sollen. Mit seinen Kollegen hat er ein Miniaturgerät entwickelt, bei dem 1.024 winzige Elektroden auf einem bandartigen Filmstreifen angebracht sind. Die ganze Apparatur ist gerade mal 20 Mikrometer dick, das entspricht etwa einem Drittel der Breite einer menschlichen Wimper.

Die überwiegende Mehrheit dieser Elektroden ist für die Erfassung der Gehirnaktivität bestimmt. Das Gerät selbst soll von einer wiederaufladbaren Batterie gespeist werden, die wie ein Herzschrittmacher unter die Haut in der Brust implantiert wird. Von dort aus könnten die Daten drahtlos an einen Computer außerhalb des Körpers übertragen werden.

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Im Gegensatz zu anderen nadelförmigen Elektroden, die in das Hirngewebe eindringen, beschädige seine Elektrodenanordnung „das Gehirn überhaupt nicht“. Anstatt in das Hirngewebe eingeführt zu werden, werden die Elektroden auf einer dünnen, flexiblen Folie angeordnet, durch einen Schlitz im Schädel geführt und auf der Hirnoberfläche platziert.

Von dort aus können sie aufzeichnen, was das Gehirn tut, wenn die Person denkt. In einem Fall führte Rapoports Team die Elektrodenanordnung in den Schädel eines Mannes ein, der sich ohnehin einer Gehirnoperation zur Behandlung einer Krankheit unterzog. Er wurde während der Operation wach gehalten, damit die Chirurgen sicherstellen konnten, dass sie keine lebenswichtigen Regionen seines Gehirns beschädigten. Während der ganzen Zeit zeichneten die Elektroden die elektrischen Signale seiner Neuronen auf. Und so sah die Aktivität aus:

„Das ist im Grunde das Gehirn, das denkt“, sagt Rapoport. „Sie sehen die physische Manifestation des Denkens.“

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„Gedanken passieren schneller, als das Auge sehen kann“

Dieses Video, das Technology Review in ein GIF konvertiert hat, zeigt das Muster der elektrischen Aktivität im Gehirn des Mannes, während er Zahlen rezitiert. Jeder Punkt stellt die Spannung dar, die von einer Elektrode auf dem Array im Gehirn des Mannes über einer an der Sprache beteiligten Region gemessen wird. Die roten und orangefarbenen Punkte stehen für höhere Spannungen, während die blauen und violetten Punkte für niedrigere Spannungen stehen. Das Video wurde um das 20-fache verlangsamt, denn „Gedanken passieren schneller, als das Auge sehen kann“, sagt Rapoport.

Mit diesem Ansatz können Neurowissenschaftler sichtbar machen, was im Gehirn passiert, wenn wir sprechen, und sogar wenn wir nur vorhaben, zu sprechen. „Wir können seine Absicht entschlüsseln, ein Wort zu sagen, noch bevor er es sagt“, sagt Rapoport. Das ist wichtig, denn die Wissenschaftler hoffen, dass Technologien diese Art von Planungssignalen interpretieren können, um Menschen bei der Kommunikation zu helfen.

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Rekord für die größte Anzahl an implantierten Elektroden

Vorerst testen Rapoport und seine Kollegen ihre Elektroden nur an Freiwilligen, bei denen bereits eine Gehirnoperation geplant ist. Die Elektroden werden implantiert, getestet und während einer geplanten Operation wieder entfernt. Im Mai gab das Unternehmen bekannt, dass das Team den Rekord für die größte Anzahl von Elektroden gebrochen hat, die gleichzeitig in einem menschlichen Gehirn platziert wurden, nämlich satte 4.096.

Rapoport hofft, dass die US-Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) sein Gerät in den kommenden Monaten zulassen wird. „Das wird, wie wir hoffen, einen neuen Behandlungsstandard ermöglichen“, sagt er.

Dieser Artikel stammt von Jessica Hamzelou. Sie ist Senior Reporter bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und schreibt über Biomedizin und Biotechnologie.
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