
Ein neues Gesetz soll das Venture-Capital-Umfeld für Startups verbessern. (Bild: Funtap/Shutterstock)
Gründer tun sich schwer, in Deutschland an Wachstumskapital zu kommen. Um den Jungunternehmen unter die Arme zu greifen, hatte die Ampel-Regierung im Zuge ihrer Wachstumsinitiative eigentlich ein Maßnahmenpaket geplant, das sogenannte Zukunftsfinanzierungsgesetz II.
Kern des Gesetzes sind steuerliche Erleichterungen für Investments in Wagniskapital und die Entbürokratisierung im Finanzmarkt. Das Ziel: Die Rahmenbedingungen für Investitionen vor allem in Venture Capital zu verbessern. Prüf-, Melde- und Anzeigepflichten sollen entfallen, englischsprachige Börsenprospekte erlaubt werden. Der Kündigungsschutz für Topverdiener im Finanzsektor wird gelockert und Startups können bei Börsengängen Aktien mit geringerem Nennwert als einem Euro ausgeben.
Am 27. November 2024 hat das Bundeskabinett das neue Gesetz durchgewunken. Denn die rot-grüne Minderheitsregierung versucht gerade, wichtige politische Vorhaben noch vor der Neuwahl Ende Februar 2025 zu verwirklichen. Ob das Update des Zukunftsfinanzierungsgesetzes nun eine Mehrheit im Bundestag findet, ist allerdings offen. Was dafür spricht: Immerhin wurde der Gesetzentwurf noch unter der Ägide von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorangetrieben.
30-Milliarden-Euro-Lücke schließen
Bereits im September hatte die damals noch rot-grün-gelbe Bundesregierung im Schulterschluss mit großen Unternehmen wie Allianz, Deutsche Bank sowie Henkel und Telekom die WIN-Initiative ins Leben gerufen. Sie soll mehr private Investitionen in Wagniskapital lenken. Die teilnehmenden Unternehmen haben sich verpflichtet, bis 2030 rund 12 Milliarden Euro in die Stärkung des deutschen Venture-Capital-Ökosystems zu stecken.
Das Geld soll vor allem in „Scale-ups“ fließen, also Startups, die bereits über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügen, aber noch wachsen müssen. Der Startup-Verband hat im deutschen Startup-Ökosystems eine Finanzierungslücke von etwa 30 Milliarden Euro ausgemacht. Das Risikokapital müsste sich demnach verdreifachen, um diese Kluft zu schließen.
Die Initiative soll ein Venture-Capital-Umfeld schaffen, wie es Startups in den USA oder Frankreich vorfinden. Das bedeutet: Wachstumskapital als Anlageklasse muss für vermögende Privatpersonen sowie für große Versicherer und Pensionskassen zugänglicher werden. Auch die Rahmenbedingungen für Börsengänge und Exits sollen sich verbessern. Gerade weil es zuletzt weniger erfolgreiche Exits gab, fehlt es den Geldgebern an liquiden Mitteln, um wieder in neue Unternehmen zu investieren.
Der schwere Weg zum Wagniskapital
Dass sich für Startups in den vergangenen Jahren eher schwerer als leichter getan habe, an Geld zu kommen, zeigte auch der aktuelle “Startup Report 2024”: Nur knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen bewerten den Zugang zu Kapital und Investitionen in Deutschland demnach als gut.
Aktuelle Zahlen belegen das: Laut einer Schätzung des Londoner Risikokapitalgeber Atomico dürften deutsche Startups dieses Jahr rund 6,7 Milliarden Dollar Wagniskapital einsammeln. Das sind 7,1 Milliarden Dollar weniger als 2023 – und schon das galt als schwieriges Jahr für die Branche.
Atomico sieht zwar auch eine positive Entwicklung. So hat sich Berlin zu den weltweit führenden Start-up-Metropolen aufgeschlossen. Gerade in frühen Wachstumsphasen und beim Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI) zählt die deutsche Hauptstadt demnach zu den Top-Adressen.
Doch in den weiteren Finanzierungsrunden haben es Jungunternehmen in ganz Europa deutlich schwerer als etwa in den USA. Dort ist die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch, als Startup an eine Finanzierung von über 15 Millionen US-Dollar zu kommen. Das liegt auch daran, dass in Europa Pensionsfonds kaum in Wagniskapital investieren – anders als in den USA.
Deutsche Gründer zieht es ins Ausland
Kein Wunder, dass einige Gründer dann über eine Abwanderung nachdenken. Laut dem Startup-Monitor würde zwar ein Großteil (84 Prozent) erneut gründen – allerdings steigt der Anteil derer, die dafür lieber ins Ausland gehen wollen: 26,9 Prozent würden lieber auswandern, ein Plus von 10 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.
Warum und wann es Gründer ins Ausland zieht, haben Forscher des Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) untersucht. Demnach verlagern 6 Prozent der europäischen Startups ihren Standort ins Ausland, was 17 Prozent des gesamten geschaffenen Startup-Wertes entspricht – und das schon, wenn die Firmen noch relativ jung sind, im Schnitt drei Jahre nach der Gründung.
Die meisten gehen tatsächlich in die USA. Ein wichtiger Grund: Sie wollen näher an die dortigen Venture Capital-Geber heranrücken. So wandern vor allem Startups mit ausländischen Kapitalgebern ab – meist in die Stadt, in der auch ihr Geldgeber sitzt. So können sie enger mit ihren Risikokapitalgebern zusammenarbeiten.
Doch auch erfolgreiche EU-Startups schauen sich spätestens beim IPO eher an der Wall Street als in Stockholm, Paris oder Frankfurt um, wie prominente Beispiele zeigen: Der schwedische Musikstreaming-Anbieter Spotify, die französische Online-Marketing-Plattform Criteo und der deutsche Impfstoffhersteller Biontech gingen dort an die Börse. Auch das schwedische Fintech Klarna plant seinen IPO gerade in New York.
EU will bürokratische Hürden abbauen
In der Europäischen Union sorgt man sich daher wohl zurecht ebenfalls um die Abwanderungstendenzen von Jungunternehmen und will nun die „Innovationslücke“ schließen, wie die wiedergewählte EU-Präsidentin Ursula von der Leyen in einer Rede vor dem Europäischen Parlament bei der Vorstellung ihres neuen Spitzenteams sagte.
„Wir sind bei der Gründung von Startups ungefähr so gut wie die USA. Aber wenn es um Scale-ups geht, sind wir viel schlechter als unsere Konkurrenten”, sagte von der Leyen. Auch die EU will daher mehr Unterstützung für Startups bereitstellen und bürokratische Hürden abbauen. Zum ersten Mal wird es daher mit Ekaterina Zaharieva auch eine “Startup”-Kommissarin geben.
Die EU brauche „dringend“ mehr private Investitionen, wenn sie ihr Ziel erreichen wolle, innovative Geschäftsideen zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben, konstatierte von der Leyen – daher sind auch finanzielle Reformen geplant. Die neue Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Maria Luís Albuquerque, soll eine “Europäische Spar- und Investitionsunion” vorantreiben, damit die europäischen Unternehmen das Kapital, das sie brauchen, in Europa finden können.