Analyse
Der Wunsch nach Glück im Job: So reagieren Unternehmen auf den Wertewandel

Immer mehr Arbeitnehmer wollen vor allem eins: Zufrieden im Job sein. (Foto: Jason Hargrove, via flickr, Lizenz: CC BY 2.0)
Während Geld und Besitz allenfalls kurzfristig glücklich machen, erreichen wir langfristige Zufriedenheit durch ganz andere Dinge: Familie und Freunde etwa, das Gefühl, etwas Nützliches zu tun, Freiheit, Gesundheit. Was Forschung und Philosophie schon lange wissen, beeinflusst zunehmend die Art und Weise, wie wir unser Arbeitsleben gestalten wollen. Die Bereitschaft, sich für einen größeren Gehaltsscheck aufzureiben, schwindet, wie uns die High Potentials der Digitalbranche bestätigen.
Unter dem Stichwort „Glücksökonomie“ fassen wir heute die Ansätze zusammen, unter Verzicht auf persönliche Gewinnmaximierung zu wirtschaften und stattdessen eine Arbeit auszuüben, die im Einklang mit unseren persönlichen Werten steht und uns Zufriedenheit verschafft. Und die Möglichkeiten werden immer vielfältiger: vom gemeinschaftlich bewirtschafteten Stadtgarten bis zum internetbasierten Crowdfunding, von der Open-Source-Bewegung bis zu den Ideen und Geschäftsmodellen der Sharing Economy.
Doch auch „klassische“ Unternehmen reagieren auf den Wertewandel und tun immer mehr für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter. Und das nicht nur aus menschlichen, sondern durchaus auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen, wie Lea Böhm, Team-Managerin beim Berliner Cloud-Printing-Startup ezeep, erklärt: „Unsere Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource, die wir als Unternehmen haben“. Je besser es den Mitarbeitern im Unternehmen gehe, desto mehr Energie hätten sie zur Verfügung – und seien sie auch bereit, für ihren Arbeitgeber aufzubringen.

Happy Working: Wer sich auf der Arbeit wohl fühlt, der bringt in der Regel auch mehr Leistung. (Foto: Glen Wright via flickr , Lizenz CC BY 2.0)
Glückliche Mitarbeiter sind produktiver und sorgen für eine bessere Unternehmensperformance. Zudem packen sie nicht so schnell ihre Koffer, sondern bleiben mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung länger im Unternehmen. Auch Gitta Blatt, „Head of People“ bei Wooga, glaubt, dass der Faktor Zufriedenheit gerade in der Digitalbranche nicht unterschätzt werden darf: Denn in technischen, kreativen und vor allem schnelllebigen Umgebungen brauche man permanente Lernbereitschaft, Energie und viele Ideen, um kontinuierlich Leistung zu erbringen. Und das funktioniere bei einem positiven Miteinander einfach besser.„Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource, die wir als Unternehmen haben.“
Mit den Ansprüchen der Fachkräfte wächst auch der Verantwortungsbereich der Personaler: „Es geht nicht mehr um eine erweiterte Assistenz oder administrative Themen. Wir betreuen, beraten, organisieren und entwickeln individuelle Lösungen“, erklärt Blatt.

Lea Böhm ist als Team-Managerin für die interne Kommunikation, das Konfliktmanagement und die Team- und Personalentwicklung beim Startup ezeep verantwortlich. (Foto: Lea Böhm)
Das Spektrum, das die Human Resources dabei abdecken, wird immer vielfältiger. Eine wichtiger werdende Aufgabe ist etwa, den Mitarbeitern den Rücken freizuhalten, damit sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können. „Wir kümmern uns um das, was wichtig, aber kompliziert oder störend ist neben dem Job“, sagt Blatt. Die meisten Aufgaben fallen hier an, wenn neue Mitglieder zum Team stoßen. Wohnungs- und Kita-Suche, Umzugsunternehmen, Bürgeramt, Kabelfernsehen, Telefon und Internet: Um schon vor Jobbeginn zu signalisieren, dass neue Mitarbeiter nicht allein gelassen werden, übernehmen immer mehr Unternehmen die Organisation rund um den Jobwechsel.
Kommen die neuen Mitarbeiter aus dem Ausland – bei Wooga etwa sind mehr als 55 Prozent der Belegschaft international – fallen in der Regel zusätzliche Tasks für die Personalabteilung an: Visa und Arbeitsgenehmigungen, Sprachunterricht, die Übersetzung von Dokumenten und Formularen, Eröffnung von Bankkonten und Hilfe bei notwendigen Versicherungen … Auch bei der Suche nach englischsprachigen Ärzten oder bei internationalen Hochzeiten unterstützen Blatt und ihr Team.„Wir kümmern uns um alles, was kompliziert oder störend ist neben dem Job.“

Immer vielfältigere Aufgaben: Gitta Blatt, Head of People bei Wooga. (Foto: Wooga)
Und auch die Integration der Neuzugänge ins Team, das sogenannte Onboarding, hat heute System. Denn gerade in Startups und wachsenden Unternehmen ist es wichtig, die familiäre Atmosphäre über den Strukturwandel hinweg aufrecht zu erhalten. Als Gitta Blatt ihren Job bei Wooga antrat, war sie sich mit dem Management einig, dass sich ihre Tätigkeit neben dem internationalen Recruiting vor allem um Fragen der Firmenkultur und Integration drehen würde.
Für Lea Böhm von ezeep ist es besonders wichtig, dass die Teammitglieder genug Zeit haben, sich kennen zu lernen: Denn erst dann kann man „ein gewisses Verständnis für die Motive des Einzelnen aufbringen“ – eine Grundlage erfolgreicher Teamarbeit.
Die HR-Aufgaben aus diesem Bereich werden immer öfter in der Position des Feel-Good-Managers gebündelt, der ein offenes Ohr für die Wünsche und Nöte der Angestellten hat und sich für die Umsetzung innerhalb des Unternehmens stark macht, aber auch Teambuilding-Maßnahmen organisiert und dafür sorgt, dass der Spaß bei der Arbeit nicht zu kurz kommt. Von sportlichen Aktivitäten über Kultur- und Charity-Events bis hin zu Sprachkursen, Vorträgen oder Spielen und Aktionen während der Mittagspause: Den Ideen sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Auch die Themen persönliche und fachliche Weiterentwicklung und lebenslanges Lernen nehmen heute einen immer höheren Stellenwert ein. Aus Sicht der Belegschaft fällt es in den Aufgabenbereich des Arbeitgebers, entsprechende Angebote bereitzustellen.
So stehen neben klassischen Feedback-Gesprächen auch Planung, Beratung und Coaching immer häufiger auf der Tagesordnung von Blatt und Böhm. Bei ezeep etwa werden die gegenseitigen Erwartungen regelmäßig kommuniziert und in gemeinsamen Zielsetzungen abgestimmt. Und bei Wooga werden neben Fortbildungen und Trainingsprogrammen, für die jeder Angestellte ein jährliches „Educational Budget“ erhält, auch interne Jobwechsel-Wünsche nach Möglichkeit umgesetzt.

Fragen der Work-Life-Balance gehen auch den Arbeitgeber etwas an. (Foto: eelnosiva – Fotolia.com)
Ein weiteres wichtiges Thema, bei dem immer mehr Angestellte ihr Unternehmen in der Pflicht sehen, ist die Work-Life-Balance. Denn zu einem gesunden Verhältnis, das genug Raum für Ausgleich und Erholung lässt, gehören sowohl die Selbstdisziplin des Einzelnen als auch die entsprechende Firmenkultur.
Bei Wooga, wo viele Mitarbeiter selbst leidenschaftliche Gamer sind, sei die Trennung von Job und privater Zeit nicht immer leicht, erzählt Gitta Blatt. Das Unternehmen versucht, Auszeiten und Pausen als selbstverständlichen Bestandteil der Unternehmenskultur zu etablieren: „Wir versuchen, bewusst Struktur vorzugeben. Wir sind keine Workaholics und es gilt nicht als hip, nächtliches Showsitzen zu veranstalten.“„Wir sind keine Workaholics – das geben wir bewusst vor.“
Neben diesen neuen Tätigkeitsfeldern ist die Personalabteilung auch weiterhin die Anlaufstelle für Feedback, Kritik und Optimierungswünsche der Mitarbeiter. Laut Gitta Blatt geht es dabei viel um „Common Sense“ und nicht so sehr um das Durchsetzen bestimmter Richtlinien. Wichtig ist, das jedes Teammitglied gehört wird – gerade in wachsenden Unternehmen entsteht sonst schnell das Gefühl, nicht wichtig genug zu sein.
Happy im Job – diesen Anspruch haben die Personaler natürlich auch für sich selbst: Wer Vertrauensperson für die Mitarbeiter ist und für deren Spaß und Zufriedenheit sorgt, ist in der Regel selbst kontaktfreudig und ein guter Teamplayer. Um Sorgen und Probleme gut auffangen zu können, brauche man eben auch selbst eine starke Persönlichkeit und ein fröhliches Naturell, so Blatt. „Bei uns wird jeden Tag herzlich gelacht“, sagt sie über ihr eigenes Team. „So haben wir auch bei hohem Tempo oder schwierigen Themen ein Ventil.“
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Nicht wirklich neu. Aber ist irgendwie in den meisten Chefetagen noch nicht angekommen, die Message. Deshalb sind ständige Wiederholungen vielleicht doch ein probates Mittel. Bei Werbung soll’s ja auch funktionieren …
haha, genau Marco! So ist es. Ich freue mich ja über diese schöne neue Arbeitswelt. Leider sieht meine eigene (und die von Millionen anderer deutscher Arbeitnehmer) noch ganz anders aus. Wer nicht gerade bei einem der o.g. Unternehmen anheuert, staunt nur über derlei Erzählungen. Ich stelle es mir auch sehr schwer vor, Unternehmen abseits der Start-up Szene zu transformieren. Gibt es denn Beispiele? Was lief gut / nicht gut? Wie kann so ein Wechsel zu einem modernen Unternehmen gelingen? So einen Artikel fände ich spannend und das wäre auch ein Link, den man beiläufig mal bei der richtigen Stelle im Unternehmen fallen lassen könnte …