Ein Google-Street-View für Grabsteine: Dieses Unternehmen digitalisiert Friedhofskarten
Der Friedhof im britischen Carlisle ist über 29 Hektar groß. Irgendwo auf diesem riesigen Gelände liegt die Asche von Tim Vineys Eltern begraben. Nur wo?
Genau diese Frage stellte sich Viney 2016, als er dem Grab seiner Eltern nach einer anderen Beerdigung noch einen Besuch abstatten wollte. Was die Suche noch einmal schwieriger machte: Vineys Eltern sind in einem Friedwald beigesetzt, statt auf einem imposanten Grabstein stehen ihre Namen nur auf einer kleinen Tafel an einer Mauer.
Seine Suche nach dem Grab bringt den Landvermesser Viney auf eine Idee: Es bräuchte eine Art Google-Street-View für Friedhöfe und Gräber. Denn auch Gräber mit Grabstein sind oft nicht leicht zu finden, wer sich auf einem Friedhof nicht auskennt, muss sich an die Friedhofsverwaltung wenden und teils veraltete Papierkarten zu Rate ziehen.
Friedhofskarten digitalisieren: Allein in Großbritannien mehr als 18.000 Friedhöfe
Allein in Großbritannien gibt es rund 18.000 Friedhöfe. Und seit seiner Suchaktion 2016 hat Tim Viney es sich zur Aufgabe gemacht, die Standorte der einzelnen Gräber auf diesen Friedhöfen in eine digitale Karte zu übertragen.
Was ihm dabei zugute kommt: Viney ist Experte für Landvermessung. Mit seinem eigenen Unternehmen Atlantic Geomatics hat er beispielsweise schon im Auftrag der britischen Regierung fünf Jahre lang Gibraltar vermessen.
Seit November 2021 haben Viney und sein Team insgesamt 300 Friedhöfe kartiert; bis alle Friedhöfe in Großbritannien abgedeckt sind, wird es noch Jahre dauern. Um die einzelnen Grabsteine zu erfassen, gehen die Vermessungsingenieure:innen von Atlantic Geomatics mit Kameras, GPS-Empfänger und Laser-Scanner ausgerüstet zu Fuß über die Friedhöfe. Nur so können sie sicherstellen, dass sie auch versteckte Exemplare finden, die beispielsweise von Drohnen übersehen würden.
Ende 2022 soll die erste Version einer Datenbank mit interaktiven Karten, Notizen und Fotos online gehen. Dafür hat Viney viel mit den Kirchen zusammengearbeitet, die auch vom Projekt profitieren sollen: „Die Öffentlichkeit kann sich die Karte ansehen und einzelne Gräber auf einer Website anklicken, muss aber eine Gebühr entrichten, um Namen und Daten zu suchen oder Aufzeichnungen und Fotos herunterzuladen“, erklärt der Landvermesser das Konzept gegenüber Wired.
Grabsteine finden in Deutschland: Es gibt digitale Angebote – aber auch große Lücken
Auch in Deutschland gibt es einige Digitalprojekte, die versuchen, Grabstätten zu dokumentieren. Das größte Archiv ist dabei das Grabstein-Projekt von Genealogy. Im ehrenamtlich gepflegten Register sind Grabsteindaten und Fotos von fast 8.000 Friedhöfen zu finden, es kommen immer wieder neue Einträge hinzu.
Dadurch wird allerdings nur ein Bruchteil der Grabstätten in Deutschland abgedeckt: 2018 verzeichnete die Bundesrepublik rund 32.000 Friedhöfe und circa 32 Millionen Gräber. Außerdem gibt es bei Genealogy auch bei den eingepflegten Gräbern keine genauen Angaben, wo sie sich auf einem Friedhof befinden.
Wer also nicht ewig durch die Grabreihen schlendern möchte, muss sich hierzulande beispielsweise an die Friedhofsverwaltung oder das Pfarrbüro wenden – in Großbritannien dürfte das durch die Arbeit von Tim Viney und seinem Team irgendwann wegfallen.