Green IT: Wie nachhaltige Anwendungen CO2-Emissionen reduzieren

Die Emissionen digitaler Technologien werden sich bis 2025 verdoppeln. (Bild: Sophy Photos / shutterstock)
Bis 2030 wird die Informations- und Kommunikationstechnologie den Prognosen der Green Software Foundation zufolge etwa 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs ausmachen. Die Emissionen digitaler Technologien werden sich bis 2025 im Vergleich zu 2019 den Prognosen zufolge verdoppeln.
Doch die Technologiebranche wird sich ihrer CO₂-Bilanz zunehmend bewusst. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Energiekrise rückt ins Bewusstsein, wie wichtig Green IT ist.
Unter Green IT werden sämtliche Maßnahmen zusammengefasst, die technologischen Fortschritt mit Umweltschutz verbinden. Dabei unterscheidet man zwischen Green by IT und Green in IT: Green by IT sind Technologien, die aktiv dabei helfen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen – etwa Software, die den Verbrauch messbar macht und Optimierungspotenzial aufzeigt. Green in IT zielt hingegen darauf, Prozesse in der IT zu optimieren, sodass sie einen möglichst geringen negativen oder sogar positiven Einfluss auf Umwelt und Ressourcen haben.
Dabei geht es in erster Linie nicht um Einschränkungen, sondern um eine verantwortungsbewusste und dadurch ressourcenschonende Technologienutzung: Aus jedem in die Atmosphäre ausgestoßenen Gramm CO₂ sollte der größtmögliche Nutzen gezogen werden. Das ermöglicht in der Softwareentwicklung das Demand-Shaping-Prinzip, zu Deutsch Bedarfsgestaltung.
Die Nachfrage anpassen
Demand-Shaping ist eine Strategie, um die Nachfrage so zu beeinflussen, dass sie dem vorhandenen Angebot entspricht. Demnach wird die Nachfrage gesenkt, wenn das Angebot niedrig ist, und steigt entsprechend mit dem Angebot. Ein Beispiel dafür sind Videokonferenzen: Wenn der Nutzer über eine geringe Bandbreite verfügt, wird die Videoqualität reduziert, während die essenzielle Audioqualität hoch bleibt. Die Nachfrage (die Videoqualität) wird so angepasst, dass sie dem Angebot (der Bandbreite) entspricht.
Ein weiteres Beispiel für die Anpassung der Nachfrage ist Progressive Enhancement im Webdesign: Die grundlegendste Form einer Website wird auch für ältere Browser und mit geringer Bandbreite verfügbar gemacht. Je mehr Ressourcen und Bandbreite einem Nutzer auf seinem Gerät zur Verfügung stehen, desto mehr Funktionen werden bereitgestellt, die aber optional sind.
Dieses Prinzip lässt sich auch anwenden, um Energieeffizienz zu erreichen: Der Energiebedarf von Anwendungen wird auf die Verfügbarkeit abgestimmt. Demand-Shaping steht also dem verbreiteten Over-Provisioning-Prinzip gegenüber, mehr Ressourcen bereitzustellen als nötig sind, um Spitzenlasten oder steigenden Bedarf abzudecken.
Durch Demand-Shaping können in Softwareanwendungen sogenannte „Öko-Modi“ eingebaut werden, ähnlich wie in Autos und Haushaltsgeräten. Die Anwendung kann zulasten der Leistung auf eine emissionsfreundliche Weise genutzt werden oder mit voller Leistung bei höherem Energieverbrauch. Dabei können Anwendungen entweder standardmäßig in den Öko-Modus gestellt werden, oder man lässt den Nutzern die Wahl – frei nach dem Nudging-Prinzip.
Ein weiteres Beispiel für nachhaltige Anwendungen sind für Edge-Computing optimierte Anwendungen. Dabei werden Daten und Prozessschritte oder komplette Anwendungen näher an die Benutzer gebracht, anstatt sie in entfernten Datenzentren zu verarbeiten. Dies reduziert nicht nur die Latenzzeiten, sondern auch die CO₂-Emissionen, da weniger Energie für die Übertragung der Daten nötig ist.
Erneuerbare Energien
Dabei können Anwendungen auch so programmiert werden, dass der jeweilige Modus – Energiesparen oder maximale Leistung – von der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien abhängig gemacht wird.
Demand-Shaping ist somit verwandt mit dem Prinzip von Demand-Shifting, also der Nachfrageverlagerung: Hier wird der Bedarf von Rechen-, Speicher- oder Netzwerkressourcen in andere Regionen oder in Zeiten verlagert, wo die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien höher ist. Unternehmen sollten auf Lösungen setzen, die automatisiert Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen dorthin verlagern, wo der CO₂-Fußabdruck am geringsten ist.
Sowohl Demand-Shaping als auch Demand-Shifting sind wichtig, um den CO₂-Verbrauch in der IT zu reduzieren. Entwickler sollten je nach Anwendungsfall festlegen, ob bei hoher CO₂-Intensität die Rechenleistung von Anwendungen reduziert oder verlagert werden soll.
Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass die Reduzierung der Leistung das Nutzererlebnis beeinträchtigen kann – es ist aber essenziell, um den CO₂-Verbrauch von Anwendungen zu reduzieren. Wird das richtig kommuniziert, werden diese Einschränkungen von den Nutzern in den meisten Fällen akzeptieren. Kunden und Mitarbeiter legen immer mehr Wert auf den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Softwareentwicklung sollte ihren Teil dazu beitragen, die IT nachhaltiger zu machen.