
Henry Ford wird der Spruch zugeschrieben, dass eine Hälfte seiner Werbung erfolgreich sei, die andere nicht – und das Problem sei, dass er nicht wisse, „welche Hälfte rausgeschmissenes Geld“ sei. So geht es offenbar auch vielen Onlinehändlern und E-Commerce-Spezialisten, wie eine Untersuchung des IFH Köln zeigt.
Im Rahmen der Schwerpunktstudie 2022 der IFH Förderer „Marketingeffektivität messen und verstehen“ zeigt sich, dass viele Unternehmen das Thema Werbewirkungsforschung und Marketingeffektivität eher stiefmütterlich behandeln, worüber sich aber immerhin viele bewusst sind.
Fast jede:r zweite Händler:in (47 Prozent) bewertet die eigene Marketingeffektivitätsmessung als nicht ausreichend – und doch besonders relevant. Und dass, obwohl vielfach umfangreiche Daten vorliegen könnten, was insbesondere aufgrund der Messbarkeit der Online-Marketing-Maßnahmen auch kein Problem ist. Doch gerade die Wechselwirkung zwischen Kanälen besser zu verstehen, kann nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen – und wird im Rahmen des Omnichannel-Commerce immer wichtiger.
Denn anders als bei klassischer Flyerwerbung, auf die bald selbst große Player wie Obi und Rewe verzichten werden, lässt sich bei den App- und Browser-basierten Werbemaßnahmen sehr gut messen, wie erfolgreich diese waren.
„Eine korrekte Bemessung der Marketingeffektivität ist nicht Kür, sondern Pflicht für Unternehmen, um Budgets angemessen zu verteilen, Ausgaben zu rechtfertigen und Effizienz zu steigern“, glaubt etwa Professor Werner Reinartz, Inhaber des Seminars für Handel und Kundenmanagement an der Universität zu Köln, die Misere der Branche.
Das Erstaunliche: Obwohl sich rund jede:r zweite Marketingverantwortliche im Handel der Problematik bewusst ist, planen gerade einmal 14 Prozent der Befragten, hier aufzurüsten und zukünftig stark in den Ausbau der Effektivitätsmessung zu investieren.
Unzureichende Verknüpfung von Online und Offline
Als Problem erweist sich dabei für viele Marketingabteilungen die Vielzahl der Kanäle. Denn während einerseits der (weitgehend) blinde Fleck der Offline- und Analogmedien für viele Unternehmen weniger wird, da man schlicht und einfach immer weniger auf Analogmedien wie Flyer oder Anzeigen setzt, bleibt die Komplexität der übrigen Kanäle. Das reicht von klassischer Website und App über Social-Media-Werbung und SEA-Werbung bis hin zu gegebenenfalls den Drittanbieterplattformen, die ihrerseits zur eigenen Reichweite beitragen.
Eine ganzheitliche Betrachtung der Marketingmaßnahmen über Kanalgrenzen hinweg ist bei vielen Unternehmen zumindest „deutlich ausbaufähig“, wie es in der IFH-Mitteilung heißt. Nur rund ein Viertel der Befragten arbeitet aktuell mit einer starken Verknüpfung der Daten aus digitalen und nicht-digitalen Kanälen. Dadurch können nur die wenigsten Unternehmen die Wechselwirkungen von Online- und Offlinemaßnahmen schlüssig nachvollziehen und bewerten. Alarmierend eine weitere Zahl dazu: Bei 81 Prozent der befragten Marketingverantwortlichen bleiben gegenseitige Kanaleffekte unberücksichtigt.
Hindernis Zeit und Kosten
Die Gründe dafür sind vielfältig und kommen angesichts des gerade erst nachlassenden E-Commerce-Booms der letzten Jahre wenig überraschend. Für eine umfassende Betrachtung der Effektivität von Marketingmaßnahmen fehlen schlichtweg die Zeit und die personellen Ressourcen – jede:r zweite Händler:in nannte das als Hindernis. Fehlende Kompetenzen sind bei einem Fünftel der Befragten ein Problem und Hindernisse durch organisatorische Komplexität werden von rund 23 Prozent der Befragten genannt.
Klar ist aber auch, dass der Aufwand für eine Marketingeffektivitätsmessung, die Hand und Fuß hat, erst einmal abschreckend ist. Dennoch sollten, so rät das IFH Köln, Unternehmen im E-Commerce darauf achten, dass sie nicht komplett den Anschluss verlieren und die entsprechenden Erfahrungswerte sammeln. Man müsse hierfür nicht von einem auf den anderen Tag alles ermitteln, sondern könne dies auch im Rahmen von ersten Pilotprojekten angehen. Hat ein Händler dann erste Erfahrungen und ein Gefühl für die verfügbaren Daten gesammelt, dürften sich ohnehin im jeweiligen Geschäft individuelle Fragestellungen ergeben.
Wer indes langfristig auf diese Erkenntnisse verzichtet, zahlt, wir erinnern uns an die legendäre Aussage von Henry Ford, in jedem Falle drauf. Und angesichts der deutlich höheren Komplexität des heutigen Marketings im Vergleich zu Fords Zeiten könnte es sein, dass sogar mehr als die sprichwörtliche Hälfte des Marketing-Budgets sinnlos verheizt wird.