Homeoffice: Australische Firma will „Platz in den Wohnungen der Leute mieten“
Die Mitarbeitenden von einem der größten privaten Krankenversicherer Australiens erhalten zusätzlich zu ihrem Jahresgehalt 1.200 Dollar, wenn sie auch weiterhin aus dem Homeoffice arbeiten. Die Versicherungsgesellschaft NIB will nach der Coronakrise komplett auf ein Fernarbeitsmodell umsteigen.
NIB-Chef schlägt vor: Homeoffice für jedermann
NIB-Geschäftsführer Mark Fitzgibbon ist überzeugt, dass sich die Ära des Büropendelns ihrem Ende zuneigt. Er will lieber „Platz in den Wohnungen der Leute mieten“. Flexiblere Arbeitsmodelle seien wichtig und könnten nach Ansicht des NIB-Chefs sogar das Ende der Fünftagewoche bedeuten – wobei er die Wochenarbeitszeit von aktuell 38 Stunden nicht infrage stellen will.
Inwieweit 100 Dollar pro Monat und Mitarbeiter:in einen fairen Ausgleich der Platz- und Nebenkosten darstellen, kann dahingestellt bleiben. Bei NIB kommt die Maßnahme richtig gut an. Sie hatten in einer internen Umfrage mit einer deutlichen Mehrheit von 79 Prozent angegeben, im Homeoffice deutlich produktiver zu sein und auch qualitativ bessere Arbeit zu leisten.
Einer der wesentlichen Gründe, warum die NIB-Beschäftigten den neuen Plan mit überwältigender Mehrheit befürworten, ist die beträchtliche Reisezeit, die dadurch eingespart wird. Im Durchschnitt würden die Arbeitnehmer das Äquivalent von fünf Wochen einsparen, die sie ansonsten auf dem Weg zur Arbeit in Autos, Zügen und Bussen säßen, rechnet Fitzgibbon The Australian vor.
NIB profitiert von der Lösung
In Zukunft werde das Unternehmen 75 Prozent seiner Büros in Newcastle, Sydney und Melbourne untervermieten. Der verbleibende Platz soll für unvermeidliche Treffen unter Kolleginnen und Kollegen verfügbar bleiben. Maximal an einem Tag pro Woche sollen die NIB-Mitarbeitenden ins Büro kommen können.
Während also bei NIB und dessen Chef Mark Fitzgibbon alles in bester Ordnung zu sein scheint, auch das Geschäftsergebnis soll sich bislang nicht verschlechtert haben, sehen andere Unternehmen den Wechsel ihrer Belegschaft ins Homeoffice zunehmend kritisch. Dabei geht es nicht nur um Zweifel an der Produktivität der Beschäftigten, wenn sie jederzeit die Wahl zwischen Arbeit und Netflix haben.
Wo ist die Solidarität mit der Infrastruktur?
Es geht auch um Solidarität mit einer Infrastruktur, die sich aufgrund der Büroarbeitenden gebildet hat. So ist etwa Sydneys Stadtzentrum derzeit nur zu drei Prozent ausgelastet, und die örtlichen Geschäfte brauchen dringend Kunden, um sich über Wasser zu halten. Manager Ross McEwan von der National Australia Bank sagt daher klar: „Ich möchte, dass unsere Mitarbeiter wieder ins Büro kommen, um die Stadt zu unterstützen.“
Das ist auch das Ziel der Politik. Dominic Perrotet, der frisch ernannte Premierminister von New South Wales, überlegt verschiedene Maßnahmen, die helfen sollen, Beschäftigte wieder in die menschenleeren Geschäftsbezirke der großen Städte zu bringen – unter anderem ist ein kostenfreier ÖPNV im Gespräch.
Auch NIB-Chef Fitzgibbon räumt ein, dass nicht alle vom Homeoffice profitieren – nicht einmal alle Beschäftigten. Aber Mieteinnahmen für 75 Prozent der Büroflächen des über 1.000 Mitarbeiter:innen zählenden Unternehmens sorgen auf alle Fälle schon einmal dafür, dass NIB selbst von der Lösung profitieren könnte.