Instagram TV: So geht Vertical Video
Es ist ja eine verrückte Geschichte: Lange Zeit galt Youtube als gesetzter Platzhirsch in Sachen Video und Video-Marketing. An der Google-Plattform kam keiner vorbei. Nur die Werbungtreibenden waren nicht immer glücklich: Youtube-Nutzung ist häufig „lean back“, vor allem auch dank der automatischen Abspielfolgen. Interaktion mit den Werbemitteln ist auf Youtube nicht einfach zu erzielen.
Und heute gibt es Twitch – alles andere als „lean back“, weil viel die Zuschauer selbst Spieler sind und die Kommentarfunktionen rege genutzt werden. Und dann kam Instagram mit dem explizit mobilen Fokus. Und da gibt es kaum einen Unterschied zwischen lean back und lean forward, denn der Interaktions-Daumen ist auch der, der das Smartphone hält. Wer keine Interaktions-Elemente in seine Videos auf Instagram einbaut, ist selbst schuld. 75 Prozent aller Videos weltweit werden inzwischen auf dem Mobilgerät geguckt, hat man bei Instagram ausgerechnet.
Vom 16:9-Panorama zum 9:16-Instagram-TV
Aktuell ziehen vor allem die Storys, die es ja auch auf Facebook und Whatsapp gibt, die User auf Instagram in ihren Bann. Gleiches gilt für IGTV, das oftmals für Vlog-Formate genutzt wird. Doch was unterscheidet ein gutes von einem eher mittelprächtigen Instagram-Video?
Jin Choi, Group Director DACH bei Facebook, fasst zusammen: „Mobile Video muss als eigenes Format begriffen werden, denn das Smartphone ist eben kein ‚kleiner Fernseher‘. Nutzer bevorzugen auf Mobilgeräten kürzere Videoformate, denn Inhalte werden hier sehr schnell konsumiert und die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen ist kurz. Die Markenkernbotschaft sollte daher immer in den ersten Sekunden platziert werden. Generell gilt es, kreativ zu sein und mit den vorhandenen Möglichkeiten auf dem mobilen, vertikalen Screen zu experimentieren. Beispielsweise lassen sich Inhalte, die ursprünglich horizontal produziert wurden, mithilfe von Splitscreens in Vertikalinhalte umwandeln.“
Tatsächlich ist es natürlich eine Kostenfrage, ob man dediziert für Instagram dreht oder bestehendes Material aus einem anderen Format konvertiert. „Heutzutage lässt man bei Produktionen eigentlich immer eine Vertikalkamera mitlaufen, und wenn es nur für Making-of-Filme ist“, weiß auch Andreas Groke, der CEO von Videobeat Network.
Instagram rät Videomachern, folgende 5 Tipps zu beachten
Die Message muss klar sein und schnell rüberkommen
Instagram-Nutzer sind ungeduldig. Sie schauen die Videos im Durchschnitt nur 1,7 Sekunden lang. Insofern ergibt es Sinn, recht früh Klartext zu reden. Vor allem, weil auch externe Faktoren zum Abbruch des Videos führen können, etwa wenn die Nutzer gerade unterwegs sind und der Bus kommt.
Interessanterweise macht der Möbelhändler Westwing so ziemlich das Gegenteil. In einer sehr hübschen Serie werden Homestorys von Netzpromis und Bloggern gezeigt, die erstmal gar keine klare Message haben, außer der, eine nette Geschichte zu erzählen. Und vielleicht ist gerade das die Botschaft, nämlich kein plumper Kauf-Button oder sonstiger Call-to-Action.
Welche Zahlen sind relevant?
Instagram bietet den Videomachern jede Menge Möglichkeiten, die Leistung des Films auszuwerten. Aber welche Leistungswerte – im Fachsprech Key-Performance-Indicators, kurz KPI – sind tatsächlich relevant? Die reinen Abrufzahlen sagen gar nichts darüber aus, ob das Video auch auf die Unternehmensziele einzahlt. Stichwort Katzenvideos.
2.5 Millionen Menschen hat Nutella mit seiner Weihnachtskampagne erreicht, bei der es darum ging, dass man mit Nutella auch backen kann. Aber das war nicht die Zahl, um die es ging. Um neun Prozent stieg der Verkauf bei den erreichten Nutzern und bei den Neukunden gab es einen Zuwachs um 27 Prozent.
Maximale Effekte
Mittlerweile werden beinahe alle Videos auf dem Smartphone vertikal angesehen. Das gilt für kurze Formate natürlich umso mehr. Entsprechend sollten mobile Videos von Beginn an hochformatig oder zumindest quadratisch angelegt werden.
Dass das nicht immer die ganz große budgetäre Konsequenz haben muss, zeigt eine Serie von Filmen von Depot. In einem Film setzen die Inneneinrichter beispielsweise Produkte in einem Rahmen in Szene, in dem sie sie sehr schnell hintereinander zeigen. Die Älteren unter den Lesern werden sich an die Fernsehsendung „Am laufenden Band“ mit Wim Thoelke erinnern. Der User wird aufgefordert, mit dem Video zu spielen und die Animation durch Tap zu stoppen. Im unteren Teil des Bildschirms erscheint dann noch der klassische Swipeup als zweiter Call-to-Action.
Mobile, TV oder beides?
Die Video-Impact-Studie von Facebook bringt recht deutlich zum Ausdruck, dass diverse Kreuzeffekte entstehen, wenn eine Kampagne beide Kanäle nutzt. Wenn User in TV-Pausen ihr Smartphone zücken oder es permanent als Second Screen nutzen, ist das ohnehin die richtige Entscheidung.
Und auch hier geht es darum, kanalspezifisch zu arbeiten. TV hat den größeren Bildschirm, der Ton ist in der Regel an, aber dafür gibt es kaum Interaktion. Wie eine organische Verlängerung wirkt ein Insta-Video, das zwar Motivelemente aus dem TV-Spot aufnimmt, dann aber die spezifischen Qualitäten von Instagram nutzt, also vor allem Gamification oder die Verlinkung zum Content oder Produkt.
Nike hat vor allem IGTV genutzt, um auf ein neues Trainingsprogramm aufmerksam zu machen. Hier kamen zahlreiche Sport-Influencer zum Einsatz, die auch in On-Air-Kampagnen mitspielen. 30 Tage lang „verschenkte“ Nike kostenlose Trainingsvideos via IGTV.
Kein Ton macht die Musik
Der typische Testfehler: Während die Agentur die gelungene Sound-Video-Kombi feuert und dem Kunden über den Beamer präsentiert, sitzt der User in der Bahn und will seine Mitreisenden nicht mit Gedudel aus dem Smartphone nerven. Er sieht einen Stummfilm. Also ist es zwingend nötig, die wichtigsten Botschaften auch in Textform oder mit grafischen Elementen zu transportieren.
Wagner Pizza hat das mit sehr kurzen Spots gemacht und war damit ziemlich erfolgreich. Zehn Prozent mehr Pizzen wurden in der erreichten Zielgruppe verkauft. Die Videos liefen teilweise im TV, vor allem aber auf Instagram und Facebook.
Und noch eine Besonderheit zeigen die Wagner-Spots: Es wurden klassisch gedrehte Querformate verarbeitet, und zwar als Splitscreen: ein Video oben und eines unten. Nur an wenigen Stellen verwendete man einen Ausschnitt aus dem Querformat-Film, um den vertikalen Screen komplett zu füllen.
Nur so am Rande: »Am laufenden Band« war mit Rudi Carrell, nicht mit Wim Thoelke.