25 Jahre Amazon: So plant Jeff Bezos für die Zukunft
Am 5. Juli 1994 wurde Amazon gegründet. Und zum ersten Mal in der Geschichte von Amazon hat sich das Unternehmen in diesem Jubiläumsjahr in die Karten schauen lassen und offen seine Größe präsentiert: 277 Milliarden US-Dollar Handelsumsatz mit physischen Waren, davon 160 Milliarden Dollar durch Händler auf dem Marktplatz. Und das ist vermutlich erst der Anfang, denn der Marktplatz wächst laut Bezos jährlich um 52 Prozent. Trotz dieser Größe sieht sich Amazon immer noch als „relativ kleines Unternehmen im globalen Handel“ – das reizt die Lachmuskeln, hat aber einen ernsten Hintergrund. Um den zu verstehen, muss man Amazon verstehen.
Amazons eigenes Wachstum ist gebremst
Amazons Online-Wachstum schreitet mittlerweile langsamer voran. Analyst Jochen Krisch orakelt gar, dass Amazon erstmals von anderen Unternehmen geschlagen werden könnte, bei 13 Prozent Wachstumsrate im eigenen Handelsgeschäft. Das Wachstum des Unternehmens verlangsamt sich also. Wachstum ist aber die wichtigste Komponente in Bezos’ berühmten Bezonomics, es ist das Lebenselixier von Amazon. Wenn das Wachstum bisher wieder ansteigen sollte, konnte Amazon neue Produktkategorien angehen. Mittlerweile sind kaum noch Kategorien übrig, die gigantische Sprünge in kurzer Zeit versprechen. Zukunftsträchtig sind viele – Lebensmittel, Medikamente und Möbel, um nur ein paar große zu nennen. Aber deren Wachstumsrate hängt von vielen externen Faktoren ab, unter anderem der Kundenakzeptanz. Sie eignen sich nicht als maßgeblicher und vor allem sofortiger Antrieb für Bezos’ „Kreislauf des Wachstums“.
Amazons Wachstum ist so schnell vorangeschritten, dass es jetzt den Marktsättigungsgrad überschreitet. Ohne Gegenmaßnahmen würde sich künftiges Wachstum am Marktwachstum orientieren. Einfach ausgedrückt: Amazon beherrscht jetzt schon den Onlinemarkt, es kann nur noch mit dem Markt wachsen. Aber wie bringt man einen ganzen Markt dazu, zu wachsen? Amazon hat damals Buchkäufer davon überzeugt, dass es einfacher und besser ist, Bücher bei Amazon zu kaufen. Wen muss Amazon jetzt überzeugen, um die nächste Wachstumsexplosion auszulösen?
Woher Amazons nächste Wachstumsexplosion kommt
Jeff Bezos selbst beantwortet diese Frage im diesjährigen Shareholder-Letter: „Wir repräsentieren eine niedrige einstellige Prozentzahl des Einzelhandels, es gibt viel größere Händler in jedem einzelnen Land, in dem wir vertreten sind. Und das kommt hauptsächlich daher, dass fast 90 Prozent des Geschäfts offline stattfindet, in echten Ladengeschäften.“
Er führt dann aus, dass Amazon schon seit Jahren über stationäre Konzepte nachdenke, aber bisher noch nicht den richtigen Hebel gefunden habe. Das hätte sich mit Amazon Go geändert. Kunden würden das Einkaufserlebnis als „magisch“ beschreiben, so Bezos begeistert.
Amazon wird den Onlinemarkt zum Wachstum bringen, indem immer mehr Offline-Umsätze zu Onlineumsätzen werden. Oder besser gesagt, zu digitalen Umsätzen. Dazu muss Amazon jetzt mit gewaltigen Schritten den Offline-Handel aufrollen. Und das wird geschehen.
Prognose: Die nächsten Schritte von Amazon
In den nächsten Jahren wird sich einiges bei Amazon entwickeln, das sich heute schon abzeichnet:
- Weitere Konzepte werden entstehen, die Online-Datenpunkte nutzen, um stationäre Sortimente abzubilden. Amazon 4-Stars und Amazon Books machen es schon seit längerem vor: Produkte werden dort nach regionalen Onlinebestell-Vorlieben in die Regale gelegt.
- Amazon Go wird vom Kiosk zum kompletten Supermarkt-Konzept und zum generellen Checkout-Konzept werden. Zum One-Klick-Button der Offline-Welt. Die Unfähigkeit des traditionellen Handels, das Wort „magisch“ zu verstehen, wird Amazon einen großen Vorsprung verschaffen, der erst Jahre später eingeholt werden kann.
- Nachdem Whole Foods schon heute immer mehr Prime-Now-Umsätze generiert und so Offline-Umsätze zu digitalen Umsätzen macht, ist es gleichzeitig eine Blaupause für den kassenlosen Laden und den Transfer von Offline-Umsätzen zu Online-Umsätzen. Wenn die Serienreife erreicht ist, wird zuerst Whole Foods auf breiter Basis den One-Klick-Button der Offline-Welt einsetzen. Danach wird Amazon weltweit Ketten aufkaufen, um an Standorte zu gelangen und massiv expandieren.
- Danach werden marode Kaufhausstandorte übernommen und in Amazon-Zentren verwandelt, die gleichermaßen Touchpoints für Service und Dienste werden wie Kaufhäuser mit völlig neuen Sortimentskonzepten, die vielfach nur noch Ausstellungsstücke auf Lager führen und offline Online-Umsätze durch taggleiche Zustellung generieren. Der Marktplatz wird sich nicht mehr auf die Onlineplattform beschränken, er wird in alle stationären Konzepte von Amazon Einzug halten.
Die heutigen stationären Händler und viele Standorte mögen zu einem großen Teil dem Tod geweiht sein, der stationäre Handel ist es nicht. Er wird von Amazon langfristig in einen Digitalumsatz-Generator verwandelt werden und den Umsatz von Amazon und unser Verständnis von Handel in die nächste Evolutionsstufe heben.
Nachwort: Umsatz und Gewinn
Der Umsatz und das Umsatzwachstum treiben den Kreislauf des Wachstums – Bezos’ „Circle of Growth“ – an. Geld wird Amazon zukünftig aber mit Diensten verdienen, die rund um das Handelsgeschäft angeordnet sind. Sei es durch Zweitverwertung und Weiterentwicklung von technologischen Infrastrukturen und Innovationen aus dem Hintergrund der Amazon-Handelsplattformen wie AWS, oder in einem viel, viel wesentlicheren Umfang durch Dienstleistungen und Infrastruktur für den digitalen Marktplatz von Amazon, der zukünftig online und stationär umfassen wird. Schon heute hat Amazon mit Werbeeinnahmen und vielfältigen Gebühren aus den Taschen der Händler über 52 Milliarden Dollar eingenommen. Davon dürfte ein großer Teil mutmaßlich ertragsrelevant sein. Je stärker Amazon sein Wachstum, ja sein stationäres Wachstum vorantreibt, desto stärker wird auch diese Ertragsmaschine angekurbelt.
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