Die US-Großbank J.P. Morgan Chase arbeitet in Berlin mit Hochdruck am Aufbau ihrer neuen Onlinebank „Chase“. Von der deutschen Hauptstadt aus will sie den kontinentaleuropäischen Markt erobern.
„Wir haben bereits mehr als 50 Mitarbeiter für Chase in Berlin angestellt“, sagte Stefan Povaly, Deutschland-Chef von J.P. Morgan, im Interview mit Bloomberg. Dort vergrößere man gerade das lokale Team. Mit dem Onlinekonzept „Chase“ setzt J.P. Morgan auf eine Bank, die ohne Filialen auskommt und stattdessen auf Onlinebanking und Apps aufbaut.
Die Bank habe sich bewusst für den Standort Berlin entschieden. „Das liegt vor allem daran, dass wir in Berlin ein sehr technikaffines Umfeld haben“, sagte Povaly. Noch ist das Startteam aber offenbar nicht so weit, dass Chase in Deutschland loslegen kann. Auf die Frage nach dem Starttermin sagte Povaly, das könne noch eine Weile dauern.
In Berlin kann J.P. Morgan von dem Fintech-Ökosystem profitieren, das sich in den vergangenen Jahren gebildet hat. Dass viele der jungen Finanzunternehmen im aktuellen Finanzierungsumfeld streng auf die Kosten achten und auch Mitarbeiter entlassen mussten, könnte der Bank zugutekommen. Die Rekrutierungsmöglichkeiten dürften sich dadurch verbessert haben.
Wallstreet-Schwergewicht setzt auf Onlinebanking
J.P. Morgan ist mit einer Bilanzsumme von 3,6 Billionen US-Dollar eine der größten Banken der Welt. Seit dem Brexit ist die europäische Einheit von J.P. Morgan von Frankfurt aus aktiv. Das Geschäft ist allerdings bislang auf Unternehmen und vermögende Privatkunden ausgerichtet. Die neue Onlinebank soll künftig auch auf breiter Ebene Privatkund:innen ansprechen. In Berlin soll dabei im nächsten Expansionsschritt der Hub für das digitale Privatkundengeschäft in Europa entstehen.
Damit tritt die US-Bank in Konkurrenz zu etablierten Playern wie etwa der ING Deutschland oder der DKB, einer Tochterfirma der Bayern LB. Die ING hat in Deutschland über neun Millionen Kund:innen, bei der DKB sind es rund fünf Millionen. Auch Neobanken wie N26 oder Revolut dürften sich genau anschauen, was die mächtige US-Konkurrenz mit Chase vorhat.
Getestet hat die US-Bank das Konzept von „Chase“ bereits in Großbritannien. Dort habe J.P. Morgan gute Erfahrungen gesammelt und viele Einlagen und Kund:innen gewonnen, so Povaly. Nach dem ersten Jahr seien in UK rund einen Millionen Kund:innen an Bord. Die Onlinebank bietet dort neben Banking-Funktionen auch ein Cashback-Programm und ein attraktives Zinsangebot.
Wie in Großbritannien soll Chase auch in Europa zunächst mit den Grundfunktionen einer Bank starten und dann nach und nach neue Angebote hinzufügen, wie Vorstandschef Jamie Dimon dem Handelsblatt in einem Interview sagte. In Großbritannien wurden zuletzt beispielsweise ein Trading-Angebot sowie Baukredite angekündigt.