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Interview

Katarina Barley: „Meine große Sorge ist, dass Amazon in den Gesundheitssektor drängt“

Justizministerin Katarina Barley hat als SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl großen Tech-Unternehmen den Kampf angesagt. Im t3n-Interview erklärt sie, wie sie sich Regeln für KI vorstellt, was sie am Kartellrecht ändern würde und warum sie sich vor Amazon auf dem Gesundheitssektor fürchtet.

Von Stephan Dörner
5 Min.
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Bundesjustizministerin Katarina Barley ist Spitzenkandidatin der SPD bei der Europawahl. (Foto: dpa)

t3n: Sie haben mal gesagt, dass die großen Plattformen wie Google und Facebook ihre Daten mit der Allgemeinheit teilen sollen. Wie soll das konkret aussehen? Wie soll unterschieden werden zwischen persönlichen Daten, die dem Datenschutz unterliegen, und anderen Daten?

„Wir müssten regeln, dass Facebook, Google und andere kein exklusives Recht an unseren Daten haben.“

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Katarina Barley: Das muss ein europäisches Vorhaben sein – wie bei allen Fragen der Digitalisierung. Die Idee ist, dass – wenn man sich auf entsprechenden Plattformen bewegt – man zwar Daten übermittelt, der jeweilige Anbieter aber nicht automatisch das alleinige Zugriffsrecht darauf hat. Wir müssten regeln, dass Facebook, Google und andere kein exklusives Recht an unseren Daten haben. Eine Möglichkeit wäre, dass die Daten, die sie verarbeiten, auch anderen zur Verfügung gestellt werden – selbstverständlich nur anonymisiert.

t3n: Also sollen sämtliche Suchanfragen, die ich bei Google eintippe, der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden?

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Die Frage ist, über welche Daten wir reden. Es dürfen keine Daten geteilt werden, die Rückschlüsse auf den Nutzer zulassen. Die großen Internetkonzerne könnten aber verpflichtet werden, anonymisierte Daten über eine europäische Cloud anderen zur Verfügung zu stellen. Nehmen wir das Beispiel Uber oder Airbnb – das sind Daten, die für die Stadt- und Verkehrsplanung sehr wertvoll sein können. Wie verlaufen Verkehrsströme? Wo wird nach welcher Art von Wohnraum gesucht? Für die Beantwortung solcher Fragen fehlt vielen Kommunen das Geld. Und ein Startup, das sich jetzt beispielsweise die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel zum Ziel gesetzt hat, hätte vermutlich Interesse an ganz anderen Daten.

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t3n: Ist denn da eine Initiative beispielsweise der EU-Kommission geplant?

Nein, das ist ja eine ziemlich revolutionäre Idee, die Andrea Nahles da aufgebracht hat. Da müssen wir jetzt erst mal Bündnispartner suchen und natürlich gibt es viele, die das anders sehen. Ich finde aber, solche Daten sollte kein Unternehmen exklusiv haben.

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t3n: Was muss sich beim Kartellrecht ändern, um die Macht der großen Plattformen einzuhegen?

Wir müssen zusätzliche Kriterien bei Übernahmen berücksichtigen. Bisher geht es da vor allem um Marktanteile und Umsatz. Was wir bisher zu wenig im Blick hatten, sind die Nutzerzahlen und die persönlichen Nutzerdaten: Was passiert eigentlich, wenn, wie bei Facebook, Whatsapp und Instagram, bislang verteilte persönliche Informationen zusammengeführt werden? Meine große Sorge ist, dass große Digitalkonzerne wie Amazon in den allgemeinen Gesundheitssektor drängen.

t3n: Was ist schlimm daran, wenn Amazon auf dem Gesundheitsmarkt aktiv wird?

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Gesundheitsdaten sind extrem sensibel. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass die Nutzer mit individuellen Gesundheitsratgebern geködert werden, wenn sie ihre Gesundheitsdaten übermitteln. Die einem Unternehmen wie Amazon zugänglich zu machen, das ohnehin häufig schon über viele personenbezogene Daten verfügt, erscheint mir problematisch.

t3n: Wir diskutieren eine Änderung des Kartellrechts in Deutschland jetzt seit der Whatsapp-Übernahme 2014. Kommt da noch was?

Na ja, das ist die Zuständigkeit meines Kollegen, Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

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t3n: Also ist er schuld?

Ich kann das in meiner Funktion nicht anschieben, sondern nur immer wieder öffentlich thematisieren. Machen muss er es.

t3n: Sigmar Gabriel hat das ja schon thematisiert – damals als Wirtschaftsminister.

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Genau. Aber solche Gesetzesvorhaben realisiert man ja nicht innerhalb von zwei, drei Monaten.

t3n: Ein anderes Regulierungsvorhaben von Ihnen betrifft künstliche Intelligenz. Auf der Hub Berlin haben Sie gefordert, dass KI-Entscheidungen mit einem Icon gekennzeichnet werden sollen. Wie soll das konkret aussehen und ist da ein Gesetz geplant?

Auch das ist wieder etwas, was auf europäischer Ebene passieren muss. Ich gehe nun nach Brüssel und das wird sicher ein Schwerpunkt meiner Arbeit bleiben. Grundsätzlich geht es darum: Wann entscheidet eine KI, wann wird ein Algorithmus angewendet? Ich muss als Nutzerin das hinterfragen und eventuell auch ablehnen können, ohne dass mir dadurch unzumutbare Nachteile entstehen.

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t3n: Unter IT-Experten ist ja schon umstritten, was eine KI überhaupt ist.

Deswegen beziehe ich das allgemein auf Algorithmen. Also überall dort, wo ein Algorithmus eine Entscheidung determiniert, da muss es der Nutzer auch wissen.

t3n: Jede Software besteht aus Algorithmen.

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Ja, aber wenn Sie zum Beispiel online einen Kredit beantragen …

t3n: … also geht es einfach um die Frage: Wann entscheidet ein Mensch, wann eine Software?

Genau. Wenn Sie einen Kundenbetreuer haben, der Ja oder Nein sagt – dann ist das so. Aber wenn Sie einen Algorithmus haben, dann in die Durchschnittswerte irgendwelcher Vergleichsgruppen geraten und er einfach ein Nein auswirft, dann sollen Sie das Recht haben, das zu wissen. Und sich auch anders dagegen wehren können, als wenn es eine menschliche Entscheidung ist.

t3n: Aber hat die Schufa das nicht immer schon so gemacht?

Die Schufa hat das immer schon gemacht. Damals hat man es nicht Algorithmus genannt, sondern Bewertungssystem. Und das hat sie auch bis heute nicht preisgegeben. Und ich war und bin dafür, dass die Schufa hier Transparenz herstellen muss – insbesondere als großer Anbieter. Ich bin froh, dass wir jetzt die technischen Möglichkeiten haben, hier ein Stück weit Verbraucherbildung zu betreiben. Denn klar ist: Wenn Sie irgendetwas online machen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Algorithmus im Spiel ist.

t3n: Aber wenn ein Mensch datenbasiert Entscheidungen trifft, dafür soll das Icon nicht eingeführt werden?

Genau, in dem Fall nicht.

t3n: Kommen wir zum Thema EU-Urheberrechtsreform – die ist ja nun beschlossen. Glauben Sie, das ist ein Wettbewerbsnachteil für europäische Startups?

Ich sage es mal so: Ich glaube, dass viele Befürchtungen rund um die Urheberrechtsreform am Ende ausgeräumt werden können.

t3n: Durch Gerichtsurteile?

Nein. In der Richtlinie steht ja, dass in den kommenden zwei Jahren die Umsetzung stattfindet und die Kommission versuchen wird, eine möglichst einheitliche Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Und wir haben eine sehr umfangreiche Protokollerklärung angefügt. Ich habe persönlich eine Ausnahme für Startups verhandelt.

t3n: Jedes Unternehmen, das älter als drei Jahre ist, ist betroffen.

Genau, ich hätte mir hier auch eine weitergehende Regelung vorstellen können. Ich empfehle hier sehr, die Protokollerklärung zu lesen, denn in Artikel 2, Absatz 6 der Richtlinie ist auch klar definiert, dass sich die Richtlinie an die großen Plattformen wendet. Nämlich an die, deren Geschäftsmodell es ist, in großer Zahl urheberrechtlich geschützten Content hochzuladen oder hochladen zu lassen. Das steht da wörtlich drin. Und das wird für ganz viele Startups überhaupt nicht der Fall sein.

t3n: Es ist eben immer schwierig, ein Lex Google, ein Lex Facebook oder ein Lex Youtube zu machen. Das hat ja schon beim Leistungsschutzrecht nicht geklappt. Denn ein Rechtsstaat kann nun mal nur Gesetze machen, die für alle gelten. Das Leistungsschutzrecht sollte Google treffen, hat aber Startups getroffen.

Mit dem Urheberrecht könnten wir jetzt noch den ganzen Abend füllen. Ich habe mich von Anfang an für eine Streichung von Artikel 13, jetzt 17, eingesetzt – als übrigens noch keiner dagegen demonstriert hat. Am Ende konnte ich mich mit meiner Position nicht durchsetzen. Es ist uns aber gelungen, nicht nur die Ausnahmen einzubringen, sondern auch einen Beschwerdemechanismus und einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ich kann nur sehr empfehlen, sich die Protokollerklärung noch mal anzuschauen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Kommentare (3)

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Titus von Unhold

Barley sagt sie konnte sich nicht durchsetzen und t3n fragt nicht nach warum sie nicht auf den Koalitionsvertrag gepocht hat? Oh Leute…

Stephan Dörner

Ich hatte nur 15 Minuten für das Gespräch aber das Thema wurde ja auch an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert.

Manuel

Die Frau ist außer Kontrolle – da soll jetzt ein Icon hin (Wohin? Wo genau? An welchem Schritt? Also noch mehr AGB-Text) wenn ein Algorithmus „die Entscheidung“ trifft. Welch unglaubliche Ahnungslosigkeit sich da zeigt. Am Ende setzt sich da einer an die Liste aller deren Einnahmen/Ausgaben-Ratio auf dem Konto ungünstig ist und macht da Haken dran. Also wieder Dokumentationspflichten und Bürokratie. Super, Barley! Was war nochmal das genaue Problem welches damit gelöst wird?

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