Boris Johnson gibt im Streit mit konservativen Hardlinern aus der eigenen Partei nach. Hatte sich der Premierminister des vereinigten Königreichs bislang stets gegen einen Ausschluss einzelner Anbieter, namentlich Huaweis, aus dem britischen Mobilfunknetz der neuesten Generation ausgesprochen, soll er nun seine Behörden instruiert haben, einen konkreten Plan zu erarbeiten, wie chinesische Kommunikationstechnik bis zum Jahre 2023 vollständig aus britischen 5G-Netzen entfernt werden kann.
Project Defend: Großbritannien will Abhängigkeit von China reduzieren
Damit scheint seine zuvor angekündigte Absicht, Huaweis Anteile lediglich auf 35 Prozent zu begrenzen, weil der chinesische Konzern als Risikoanbieter zu klassifizieren sei, obsolet zu werden. Britische Medien wie der Guardian sehen in der Kehrtwende ein Einschwenken des Premierministers auf die auch in seiner eigenen Partei härter werdende Ablehnungshaltung gegen chinesische Einflüsse im Allgemeinen.
Gerade im Zusammenhang mit der Coronakrise schauen Nationen weltweit auf bestehende Abhängigkeiten von chinesischen Gütern und wollen diese reduzieren. Auch in Großbritannien gibt es starke Bestrebungen, die kritische Versorgung der eigenen Bevölkerung, etwa mit Medikamenten, Schutzausrüstung oder technischen Geräten, in Eigenregie, jedenfalls ohne chinesische Beteiligung, sicherstellen zu können. Verschiedene Ministerien arbeiten gemeinsam an einem Konzept, dem sogenannten Project Defend.
Umgang Chinas mit Coronakrise verstärkt Misstrauen gegen das Land
Was Johnsons Parteikollegen zusätzlich gegen China aufgebracht hatte, war der teils als intransparent empfundene Umgang mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in der Frühzeit des Virusausbruchs. Hier steht der Vorwurf im Raum, das asiatische Land hätte den weltweiten Ausbruch verhindern können, wenn es offener kommuniziert und schneller reagiert hätte.
Die zuletzt bekannt gewordene Absicht Chinas, Hongkong unter ein neues Sicherheitsgesetz zu stellen, hat in dem Land, das Hongkong 150 Jahre lang als britische Kronkolonie geführt hat, nicht eben zur Stärkung der Sympathien für das autoritäre Regime Xi Jinpings geführt.
Johnson schwenkt auf Trump-Linie, aber nicht wegen Trump
Mit seiner neuen Strategie schwenkt Johnson nicht zuletzt auch auf die Linie der US-Regierung unter Donald Trump ein, der seit mehr als einem Jahr beständig auf die Risiken der Zusammenarbeit mit chinesischen Konzernen gerade im Bereich der Kommunikationstechnik hinweist. Trump war zudem der erste Staatschef, der China ganz offen für die Verbreitung des Coronavirus in alle Welt verantwortlich gemacht hatte.
Dennoch dürfte Johnsons Strategiewechsel weniger mit Trump, als seinen eigenen Fraktionskollegen zu tun haben. Die hatten in der Vergangenheit immer wieder ihre Skepsis an der Huawei-Beteiligung formuliert und im März 2020 sogar ein deutliches Zeichen gesetzt. Als Johnson sich offen weigerte, Huawei stärker zu beschneiden als bereits angekündigt, stimmten konservative Abgeordnete bei der Vorlage eines Entwurfs für eine Ergänzung des Telekommunikationsgesetzes mit der Opposition. Zwar hielt Johnsons Mehrheit der Abstimmung stand, der Warnschuss wurde jedoch gehört.
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Xi Jinping arbeitet zielstrebig daran, die Internationale Reputation Chinas bei seinen Abnehmern auf Null zu setzen, weil der schlicht nicht kapiert, dass die üblichen Mätzchen aus der kommunistischen Ära und die bruchhart durchgezogene autoritäre Linie vielleicht in China funktioniert, aber außerhalb Chinas nur Schneisen der Verwüstung hinterlässt.
Man darf gespannt sein, wann die federführenden Kader innerhalb der chinesischen Führung es fertig bringen, diesen krassen Irrläufer zu korrigieren.