KI und Satellitenbilder zeigen: Das lief auf den Ozeanen bisher unterm Radar
Rund drei Viertel aller industriellen Fischereischiffe weltweit fahren unter dem Radar: Das ist das Ergebnis einer Studie der Non-Profit-Organisation Global Fishing Watch. Eine KI-gestützte Auswertung von Satellitenbildern zeigt, was auf den Weltmeeren abseits der offiziell registrierten Vorgänge noch so los ist.
Mit KI und Satelliten: Forschungsteam schaut auf die Weltmeere
Insgesamt 67 Millionen Ausschnitte von Satellitenbildern hat ein Team um Fernando Paolo und David Kroodsma für die Forschungsarbeit mit dem Titel „Satellitenkartierung zeigt umfangreiche industrielle Aktivitäten auf See“ analysiert.
Die 2.000 Terabyte große Satellitenbildersammlung, bei deren Auswertung drei künstliche neuronale Netzwerke zum Einsatz kamen, besteht aus Aufnahmen der Esa-Satellitenkonstellation Sentinel‑1. Die sind zwischen 2017 und 2021 entstanden und zeigen an sich nur rund 15 Prozent der Weltmeere – auf denen aber gut 75 Prozent aller industriellen Meeresaktivitäten stattfinden.
Weil Sentinel‑1 mit Radar statt mit optischen Aufnahmen arbeitet, sind in den Aufnahmen auch Vorgänge dokumentiert, die beispielsweise unter Wolken und im Dunkeln passiert sind.
Aus den ausgewerteten Satellitenaufnahmen haben Paolo, Kroodsma und ihr Team Karten erstellt, die eine Auflösung von 15 bis 20 Metern haben und auf denen verschiedene Objekte auf den Ozeanen sichtbar sind – von Schiffen über Bohrinseln bis zu Windkraftanlagen. Diese Karten wurden dann mit den öffentlich zugänglichen Schiffsdaten des Automatischen Identifikationssystem (AIS) abgeglichen. Das AIS ist ein Standardsystem der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), das seit Inbetriebnahme im Jahr 2000 die Sicherheit des Seeverkehrs verbessern soll.
Fischereischiffe auf den Ozeanen: Drei Viertel sind nicht erfasst
Beim Abgleich zeigte sich, dass die AIS-Daten deutlich weniger Informationen liefern als die Satellitendokumentation. Betrachtet man nur die AIS-Daten, sind die Fischereiaktivitäten vor den europäischen Küsten etwa gleich groß wie jene etwa vor den asiatischen Küsten. Die Satellitendaten zeigen jedoch, dass die industrielle Fischerei um Asien erheblich umfangreicher ist. Demnach stellen asiatische Fangflotten etwa 70 Prozent aller Fischereischiffe weltweit.
Insgesamt gibt es laut Global Fishing Watch zu rund drei Vierteln aller Fahrten von größeren Fischereischiffen keine AIS-Daten. Zum Vergleich: Bei Transportschiffen lässt sich demnach nur etwa ein Viertel aller Fahrten nicht nachverfolgen.
Hintergrund für die Differenz zwischen AIS-Statistik und Satellitendaten dürfte zum einen der Fakt sein, dass die AIS-Vorschriften je nach Land, Schiffsgröße und Aktivität stark variieren – nicht alle Schiffe weltweit werden dadurch erfasst. Zum anderen können die AIS-Systeme ausgeschaltet werden, etwa um illegale Fischerei zu verschleiern.
Offshore-Energieversorgung: Wo der Wandel boomt
Neben den Fischereiaktivitäten zeigen die Karten der von Google unterstützten NGO einen Boom bei der Entwicklung von Offshore-Energieversorgung.
Ende 2020 gab es erstmals mehr Offshore-Windanlagen als Anlagen zur Ölgewinnung, 2021 lag der Anteil der Windparks an den gesamten Meeresinfrastrukturen bei 48 Prozent, die Ölproduktion machte rund 38 Prozent aus.
Schauplatz der Windkraftentwicklung waren überwiegend die Küsten Nordeuropas und Chinas – und im Gegensatz zu Ölförderanlagen werden die Windkraftanlagen von deutlich weniger Schiffen angefahren.
Für Studien-Co-Autor David Kroodsma liefern die KI-gestützte Auswertung der Satellitendaten und die dadurch entstandenen detaillierten Karten spannende Informationen: „Auf unseren Meeren hat sich unbemerkt eine neue industrielle Revolution entwickelt – bis jetzt“, zitiert ihn Global Fishing Watch in einer Pressemitteilung.
„An Land haben wir detaillierte Karten von fast jeder Straße und jedem Gebäude auf unserem Planeten. Im Gegensatz dazu ist das Wachstum auf unseren Ozeanen der Öffentlichkeit weitgehend verborgen geblieben. Diese Studie trägt dazu bei, die blinden Flecken zu beseitigen und Licht auf das Ausmaß und die Intensität der menschlichen Aktivitäten auf See zu werfen.“
Dieser Artikel wurde mit Material der dpa ergänzt.