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Von Kieferprothesen bis zum menschlichen Herzen: Was der 3D-Druck in der Medizin leisten kann

Das 3D-Druckverfahren hat die Medizin auf ein völlig neues Level gehoben. Gibt es bald auch Ersatzorgane aus dem Drucker?

Von Noëlle Bölling
5 Min. Lesezeit
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(Foto: Aleksandr Ivasenko/Shutterstock)

Erfunden wurde der 3D-Druck bereits in den 1980er Jahren. Seitdem hat sich viel getan – vor allem in der Medizin. Wir haben für euch herausgefunden, was hier bereits möglich ist und welche Anwendungsbereiche in Zukunft noch dazu kommen könnten.

Revolution in der Herstellung von Prothesen

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Der 3D-Druck hat in der Medizin Behandlungsmethoden ermöglicht, die vor gerade einmal einem Jahrzehnt noch undenkbar waren. „Die Geschwindigkeit, mit der Innovationen stattfinden – von der Art und Weise, wie Operationen durchgeführt werden über die Entwicklung neuer Therapien bis hin zur Herstellung medizinischer Geräte –, nimmt immer mehr zu“, berichtet Gautam Gupta, der als Vice President Global GTM for Healthcare bei 3D Systems tätig ist. „Auf globaler Ebene durchläuft das verarbeitende Gewerbe aktuell eine Transformation, in der Unternehmen die Möglichkeiten der additiven Fertigung in ihre Arbeitsabläufe integrieren, die ursprünglich auf traditionellen Fertigungsmethoden basieren. Die Medizintechnik-Industrie bildet da keine Ausnahme und wir sehen, dass diese hochspezialisierten Hersteller nun damit anfangen, die Vorteile des 3D-Drucks bei der Gestaltung von Implantaten und Instrumenten auszuschöpfen.“

Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von individuell angefertigten Prothesen nach einer Tumoroperation im Kieferbereich. Vor dem Einsatz des 3D-Drucks mussten hier nach dem Entfernen des beschädigten Knochens Kunststoffprothesen in langwieriger Handarbeit hergestellt werden. Diese hatten allerdings keine optimalen Eigenschaften. Aufgrund des verwendeten Materials war es nur schwer, sie 100-prozentig dem umliegenden Kieferknochen anzupassen, was zu einem erschwerten Heilungsverlauf und später oft zu Komplikationen führte. Das ist heute anders. Dank des 3D-Drucks kann auf der Grundlage eines Scans innerhalb kürzester Zeit ein CAD-Modell angefertigt werden, das als Prototyp für die folgende Prothese aus Titan dient. Sie ähnelt aufgrund der schwammähnlichen Struktur sehr dem natürlichen Knochen und bietet deshalb die besten Voraussetzungen, um sich passgenau in den Kiefer einfügen zu lassen.

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„Immer mehr Unternehmen in der Medizintechnik setzen verstärkt auf den industriellen 3D-Druck. Durch die steigende Anzahl von biokompatiblen Materialien und die Steigerung der Prozessstabilität, Baugeschwindigkeit und vereinfachten Maschinennutzung wird diese moderne Technologie immer attraktiver für uns und die gesamte Medizinindustrie“, sagt Güngör Kara, der als Chief Digital Officer bei Ottobock tätig ist. Das Unternehmen, das heute für innovative Prothesen und Orthesen international bekannt ist, wurde bereits im Jahr 1919 gegründet, um die vielen Kriegsversehrten mit entsprechenden Hilfsmitteln auszustatten, die ihnen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ein Stück Lebensqualität zurückgeben sollten. Und Güngör Kara berichtet im Gespräch weiterhin: „Auch wir drucken heute schon Fußorthesen und Komponenten für Prothesen mittels der additiven Fertigung und erhöhen sukzessive die Anzahl der Applikationen. Der große Vorteil für unsere Kunden: Die Hilfsmittel werden individuell und damit passgenau für den Patienten designt und angefertigt. Das volle Potenzial des industriellen 3D-Drucks ist jedoch noch lange nicht erreicht und durch weitere Materialien und leistungsfähigere Maschinen ergeben sich neue Lösungen und Geschäftsfelder“.

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Lebensfähiges Zellengewebe aus dem 3D-Drucker

Um neue Anwendungsgebiete für den medizinischen 3D-Druck zu erschließen, ist es unerlässlich, neue Materialien zu entwickeln. Die müssen sowohl beständig als auch biologisch verträglich sein. Schließlich soll es gerade beim Einsatz am oder im menschlichen Körper nicht zu unvorhergesehen Schäden oder Abstoßungsreaktionen kommen. Dank dieser kontinuierlich vorangetrieben Forschung ist sogar Zellengewebe aus dem 3D-Drucker längst kein Science-Fiction mehr – und damit ist nicht nur die Meldung der Fast Food-Kette KFC gemeint, die kürzlich berichtete, man arbeite an der Produktion von druckfähigen Chicken-Nuggets. Bereits im letzten Jahr sei es Wissenschaftlern in Israel gelungen, ein menschliches Herz mit Kammern und Blutgefäßen im 3D-Druckverfahren herzustellen. Als Ersatzorgan war es zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht einsatzfähig. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen war die Größe deutlich kleiner und betrug etwa die Ausmaße eines Hasenherzes. Und zum anderen besaßen die künstlichen Zellen noch nicht die Fähigkeit, sich synchron zusammenzuziehen, was für ein funktionsfähiges Organ jedoch unbedingt notwendig wäre. Bis sich Organe ausdrucken lassen, die sich tatsächlich im menschlichen Organismus einsetzen lassen, muss also noch etwas Zeit vergehen. Allerdings seien in der Forschung mit Ratten und Mäusen bereits erhebliche medizinische Errungenschaften gelungen: So war 2016 die Herstellung von Implantaten gelungen, in denen nach dem Einsetzen in den Körpern der kleinen Nager tatsächlich Blutgefäße gewachsen seien. Ein Jahr später vermeldeten Forscher der Northwestern University in Chicago, ihnen sei erstmals die Transplantation 3D-gedruckter Eierstöcke aus Gelatine gelungen, mit deren Hilfe Labormäuse erfolgreich Nachwuchs bekommen hätten, der ebenfalls fruchtbar sei.

Der aktuelle Forschungsstand zeigt: Menschliche Ersatzorgane aus dem 3D-Drucker, sind längst nicht mehr reine Theorie, sondern könnten schon in greifbarer Zukunft tatsächlich zur Praxis werden – auch wenn bis dahin noch einiges an Forschung zu betreiben ist. Doch es gibt noch einige weitere Einsatzgebiete, durch welche in der Medizin schon heute innovative Methoden möglich sind, wie Gautam Gupta von 3D Systems erklärt: „Die virtuelle Operationsplanung – ein dienstleistungsbasierter Ansatz für individuelle Chirurgie, bei dem Fachkenntnisse in medizinischer Bildgebung, chirurgischer Simulation und 3D-Druck kombiniert werden – ermöglicht es Chirurgen, den Eingriff im Wesentlichen digital durchzuführen, bevor sie den Operationssaal betreten.“ Das bedeutet, dass vor allem angehende Chirurgen auf diese Weise sehr viel besser und öfter üben können. Und auch komplizierte Eingriffe, die nicht an der Tagesordnung sind, lassen sich durch diese Methode bereits im Vorfeld realistisch durchspielen und planen. „Im Anschluss an eine digitale Vorbesprechung zwischen Biomedizintechnikern und dem Chirurgen werden patientenspezifische Modelle, personalisierte chirurgische Werkzeuge und Instrumente für den Einsatz im Sterilbereich entworfen und mit einem 3D-Drucker produziert“, erläutert Gupta das Vorgehen. Und: „In klinischen Anwendungen, in denen die virtuelle Operationsplanung heute eingesetzt wird, haben die Lösungen nachweislich zu einer Verbesserung der chirurgischen Genauigkeit und Ergebnisse geführt – eine Zeitersparnis im Operationssaal, die sowohl dem Chirurgen als auch dem Patienten zugute kommt.“

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Und es gibt noch einen weiteren wesentlichen Vorteil des 3D-Drucks, der ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Gemeint ist die Fähigkeit, benötigte Werkzeuge vollkommen unabhängig herstellen zu können. Nicht zuletzt die Coronakrise hat bewiesen, wie fatal es gerade im medizinischen Bereich werden kann, in Krisenzeiten von externen Herstellern und Lieferanten abhängig zu sein. Sogar der Druck von Atemschutzmasken ist dank des 3D-Druckverfahrens möglich – und das in der Theorie sogar für jeden daheim.

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