Warum „Kilometer pro Stunde“ beim Kauf von E-Autos wichtiger sind, als du denkst
Wer mit der Anschaffung eines Elektroautos liebäugelt, muss sich an einen ganzen Wust neuer Maßeinheiten gewöhnen. Die meines Erachtens wichtigste davon ist uralt und gleichzeitig ziemlich neu: km/h. Damit meine ich nicht die Spitzengeschwindigkeit, sondern die Ladeleistung – zu lesen als „Reichweitengewinn in Kilometern pro Stunde Ladezeit“.
Der Vorteil gegenüber einer reinen Kilowatt-Angabe: Hier fließt auch der Verbrauch mit ein. Das macht die Maßeinheit deutlich praxistauglicher. Denn schließlich wollen wir nicht wissen, wie viele Kilowattstunden wir innerhalb einer bestimmten Zeit bunkern können, sondern wie weit wir damit kommen.
Fixierung auf große Batterien
Ließen sich potenzielle Autokäufer:innen mehr von Reichweiten-km/h statt von Kilowatt und Kilowattstunden leiten, würde dies auch eine Schieflage des E-Automarkts mildern: die Fixierung auf große Batterien. Ein großer Teil der teuren Stromspeicher wird meist nutzlos durch die Gegend gefahren – für die seltenen Fälle, in denen man sie für die Langstrecke zu brauchen meint. Dabei können auch kleine Akkus langstreckentauglich sein, wenn der Reichweitengewinn pro Zeit stimmt.
Welche beeindruckenden Werte moderne E-Autos mittlerweile erreichen, lässt sich an einer Übersicht des ADAC erkennen. An der Spitze liegt der Mittelklassewagen Hyundai Ioniq 6 mit 492 Kilometern in 30 Minuten. Deutschlands meisterverkauftes E-Auto, der Tesla Model Y, schafft 295 km/30min, der VW ID3 nur knapp weniger, nämlich 292 km/30min. Selbst ein Wagen aus dem unteren Preissegment wie die Renault Zoe schlägt sich mit 142 km/30min noch recht wacker.
Für die Praxis bedeutet das: Selbst wer sein Auto nur kurz einstöpselt, um sich die Beine zu vertreten oder einen Kaffee zu trinken, kann in dieser Zeit bereits mehrere hundert Kilometer Reichweite gewinnen. Niemand muss mehr stundenlang Ladebalken beim Längerwerden zuschauen.
Wie viele Ladezyklen sind möglich?
Wer befürchtet, die häufigeren Ladezyklen würden kleinen Akkus zu stark zusetzen, möge sich das neue Fact Sheet vom Science Media Center zu Gemüte führen. Schon heute sind durchschnittliche Akkus für rund 400.000 Kilometer gut. Auf ein paar Zyklen mehr oder weniger kommt es also nicht an. (Das Fact Sheet ist auch sonst eine lohnende Lektüre. Es erklärt unter anderem gängige Maßeinheiten, erläutert den Stand der Batterieforschung, und räumt mit einigen gängigen Vorurteilen auf.)
Noch eine gute Nachricht zum Schluss: Die Norm ISO 12904 regelt künftig die Angaben zur Ladeleistung einheitlich – unter anderem als Reichweitengewinn in zehn Minuten. Das hat zwar nicht mehr den nostalgischen Charme der guten alten km/h, liegt aber näher an der Praxis. Natürlich hängen die Werte für Ladeleistung und Verbrauch von vielen Annahmen ab, sind also nur mit Vorsicht zu genießen. Trotzdem dürfte die Norm helfen, beim Kauf die wirklich wichtigen Werte im Blick zu halten.
Was gar nicht angesprochen wird ist die Tatsache, dass schnelles Laden Kathoden und Anoden der Akkus schädigen wegen der durch die hohen Ströme verursachten hohen Temperaturen. Auch der Elektrolyt hat hohe Temperaturen nicht gern. Das sagen die Hersteller in ihrer Werbung natürlich nicht. Auch nicht, dass bei 400’000 Km Laufleistung die Kapazität und damit die Reichweite nur noch ein Teil der Neukapazität beträgt.
Schon richtig. Aber die Schnellladung dürfte in den meisten Fällen die Ausnahme sein, in der Regel wird ja langsamer und über Nacht geladen. Und die Garantie bezieht sich ja auf eine definierte Restkapazität.