Kollaborationstools: Die Gewinner der Coronakrise
Nicht nur Toilettenpapier, Desinfektionsmittel und Konserven feiern in diesen Tagen Hochkonjunktur. Auch die Nachfrage nach Kollaborationstools wie Slack, Microsoft Teams und Co. ist zuletzt deutlich angestiegen. Ein Blick auf den Aktienmarkt beweist: Der Anbieter Zoom beispielsweise, der unter anderem Videokonferenzen mithilfe von Cloud-Computing ermöglicht, konnte seit Jahresbeginn ein deutliches Plus verzeichnen. Während die Aktie im Januar 2020 noch bei etwa 60 Euro lag, liegt der Wert Mitte März mehr als doppelt so hoch. Dasselbe gilt für smarte Tools im E-Health-Bereich. Digitale Alternativen liegen aktuell nicht nur im Trend, sondern sind dringend nötig, um das Land wortwörtlich am Laufen zu halten.
Homeoffice-Umstellung birgt viele Herausforderungen
Auch für Morten Brøgger, CEO der datenschutzkonformen Kollaborationsplattform Wire, ist die extrem hohe Nachfrage, die aus der Coronakrise und dem Umzug zahlreicher Firmen ins Homeoffice resultiert, deutlich zu spüren. „Aktuell steigen unsere Anfragen um das Zehnfache und wir gehen davon aus, dass das so schnell nicht abnimmt“, berichtet er uns im Interview. „Besonders in der letzten Woche haben wir viele Anfragen bekommen: Von kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen, aber auch von Regierungen und öffentlichen Einrichtungen wie der Polizei.“ In vielen Fällen muss der Messaging-Anbieter regelrecht erste Hilfe leisten, denn zahlreiche Organisationen und Unternehmen hatten der Krise technisch nichts entgegensetzen – und das über alle Branchen und Wirtschaftszweige hinweg. „Viele Firmen haben sich in den letzten Tagen bei uns gemeldet und uns gefragt: Was sollen wir jetzt machen?“ Für sie sei es völliges Neuland, ihre Mitarbeiter plötzlich vom Homeoffice aus zu organisieren, so Brøgger.
Nicht nur globale Konzerne wie Google, BMW und Co. haben ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Einer aktuelle Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts Appinio zufolge arbeitet derzeit ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer von zu Hause aus. Für viele bedeutet das zwar keine große Umstellung, was ihre konkrete Arbeit betrifft – immerhin sitzt einer Bitkom-Studie zufolge inzwischen rund jeder zweite Deutsche im Büro täglich am PC. Doch die Zusammenarbeit im Team ist nun eine völlig andere – und genau das ist einer der größten Nachteile, den 59 Prozent der Arbeitnehmer bisher in der Heimarbeit sahen. Denn nicht nur das gemeinsame Montagsmeeting im Konferenzraum muss jetzt umorganisiert werden. Auch der kurze Plausch in der Teeküche kann nicht mehr wie gewohnt stattfinden. Vom schnellen Verteilen der Aufgaben über den Schreibtisch hinweg ganz zu schweigen. Eines darf in diesen außergewöhnlichen Zeiten jedoch unter keinen Umständen leiden – und das ist die Kommunikation, meint Morten Brøgger.
Kommunikation ist das A und O
Der zielgerichtete Einsatz von Messaging- und Kanban-Tools ist in dieser außergewöhnlichen Zeit also unerlässlich. Welcher Anbieter für welches Team der richtige ist, hängt allerdings stark von den jeweiligen Bedürfnissen ab. Wire, Microsoft Teams oder Zoom eignen sich hauptsächlich dazu, die Kommunikation auf digitalem Wege aufrechtzuerhalten – beispielsweise durch Gruppen- und Einzelchat-Funktionen sowie Videokonferenzen. Kanban-Tools wie Asana, Meistertask oder Trello hingegen sind auf die Organisation von Projekten spezialisiert und ermöglichen eine übersichtliche Erstellung von Zeitplänen, Zuständigkeiten und To-dos. Beide Formen erlauben auch das Teilen von Dateien und sind dadurch auch eine gute Alternative zur klassischen Mail.
Die Herausforderung besteht aber nicht nur darin, die normalen Arbeitsprozesse aus dem Homeoffice heraus am Laufen zuhalten. Auch die Kommunikation auf persönliche Ebene darf nicht zu kurz kommen, weiß Brendon Craigie, Co-Founder und Managing Partner bei Tyto. Er und seine Mitarbeiter arbeiten seit jeher remote, haben sich also außerhalb von Teamevents noch nie ein Büro geteilt. Für seine PR-Agentur ist das, was andere Unternehmen gerade vor große Herausforderungen stellt, also zur Normalität. „In einer traditionellen Büroumgebung bekommt jeder irgendwie alles mit. Im Home- oder Remote Office ist das anders. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir immer transparent kommunizieren“, erklärt er uns aus der Erfahrung mit seinem normalen Arbeitsalltag. Damit das gelingen kann und die Lieblingskollegen nicht immer unter sich bleiben, rät er Teams dazu, Nachrichten immer im großen Channel zu versenden und eine offene Firmenkultur auch seitens der Chefetage aktiv vorzuleben – da darf es auch mal eine gemeinsame virtuelle Runde mit dem Hund eines Kollegen sein oder ein kleiner Umtrunk vor dem Bildschirm am Ende der Woche.
Die Kommunikation der Zukunft
Dass jene Kommunikationsformen und -hilfsmittel, die sich derzeit eher zwangsläufig flächendeckend etablieren, auch nach der Coronakrise noch zum Arbeitsalltag gehören werden, ist mehr als wahrscheinlich. Die digitalen Tools, die die Arbeit im Homeoffice ermöglichen, sind zwar schon lange verfügbar. Angesichts der gegenwärtigen Situation sind die Unternehmen allerdings endlich gezwungen, ihren Mitarbeitern auch die technische Grundlage dafür bereitzustellen. Dass dies derzeit bereits der Fall wäre, gaben im Rahmen einer Umfrage des BVDW nämlich nur rund 54 Prozent der deutschen Arbeitnehmer an. Dabei bieten Wire, Asana und Co. nicht nur Homeworkern viele Vorteile. Auch im stationären Büro haben sie längst das Potenzial, traditionelle Arbeitsabläufe deutlich zu entstauben.
Erst kürzlich gab Microsoft bekannt, die Userzahlen seines Kollaborationstools Teams wäre aufgrund der Coronakrise innerhalb nur einer Woche auf 44 Millionen angestiegen – ein Plus von satten 27 Prozent. Die Zahlen dürften also auch Wire-CEO Morten Brøgger freuen. „Schon lange verfolge ich die Diskussionen über flexibleres Arbeiten und glaube, dass gerade die Unternehmen, die der Digitalisierung und technischen Innovationen im Allgemeinen offen gegenüberstehen, nicht so hart von der Coronakrise getroffen wurden. Ich denke, durch die momentane Krise werden viele Unternehmen, bei denen Nachholbedarf besteht, ihre Strategien nachträglich überdenken und versuchen, ihre Arbeitsmodelle zu lockern – nicht zuletzt, weil sie auf die nächste (hoffentlich nicht eintreffende) Krise vorbereitet sein möchten.“
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