Kosmischer Einfluss: Wie sich das All auf die Körper der Astronauten auswirkt
Am 23. September 2024 kehrten die russischen Kosmonauten Oleg Kononenko und Nikolai Chub nach 374 Tagen an Bord der ISS zurück zur Erde. Ein neuer Rekord für den längsten Aufenthalt. Doch lange im All zu sein, bedeutet auch, lange einer Umgebung ausgesetzt zu sein, die den Körper nachhaltig verändern kann. Und diese Veränderungen finden an den unterschiedlichsten Stellen statt.
Von Knochenschwund und Muskelabbau: Das ist der Preis der All-Missionen
Mit 437 Tagen im All – damals noch an Bord der Raumstation Mir – ist Valeri Polyakov der unangefochtene Rekordmeister. Etwas kürzer, aber immer noch rekordverdächtig lange blieb Frank Rubio im All: stolze 371 Tage. Wie sehr der Körper im All abbaut, beschreibt die BBC in einem Artikel so: Die Muskelmasse kann in nur zwei Wochen im All um 20 Prozent abnehmen. Im Laufe von drei bis sechs Monaten sind es sogar 30 Prozent. Die Knochen demineralisieren ebenfalls, weshalb Astronauten etwa ein bis zwei Prozent ihrer Knochenmasse verlieren – pro Monat! Sechs Monate All können sogar einen Verlust von zehn Prozent bedeuten, weshalb Astronauten nach so einer Reise anfälliger für Knochenbrüche sind. Es dauert vier Jahre, bis der Körper diese Knochenmasse wieder herstellen kann.
Was sich auf der Erde viele wünschen, ist ein weiterer Nebeneffekt im All: Gewichtsabnahme (abseits von Knochen und Muskeln). Trotz eines sorgfältigen Nahrungsangebots, wie angepflanzte Salatblätter an Bord, verlor der Astronaut Scott Kelly einer Studie zufolge sieben Prozent seines Gewichts in 340 Tagen. Außerdem stellten Forscher laut BBC fest, dass Scott Kellys Darmbakterien und -pilze sich stark veränderten. Hier findet ihr eine spannende Studie, die ihn mit seinem Zwillingsbruder vergleicht, der auf der Erde geblieben ist.
MIT Technology Review konnte Scott Kelly ein paar persönliche Fragen stellen. Er hat ausführlich über seine Erlebnisse und seine körperlichen Veränderungen gesprochen – und erklärt, wie er mit der fehlenden Gravitation umgegangen ist.
„Augen zu und durch“ funktioniert an Bord der ISS ebenfalls nicht so einfach. Selbst das Augenlicht ist durch die fehlende Schwerkraft beeinflusst. Auf der Erde hilft sie, Blut in unserem Körper nach unten zu drücken, während das Herz nach oben pumpt. Im Weltall kommt das System durcheinander. So können sich Flüssigkeiten hinter dem Auge und um den Sehnerv sammeln und zu einer verminderten Schärfe und strukturellen Veränderungen führen. Je nach Länge des Aufenthalts sind einige dieser Effekte aber reversibel.
Wer kosmischer Strahlung ausgesetzt ist, kann ebenfalls Augenprobleme bekommen. Zwar gibt es Abschirmungen an den Raumfahrzeugen, doch Astronauten der ISS berichten immer wieder von Lichtblitzen in ihren Augen, wenn kosmische Strahlung auf ihre Netzhaut und Sehnerv treffen.
Sogar Gehirn, Haut und Gene bleiben nicht verschont
Laut BBC stellten die Wissenschaftler bei Astronaut Kelly zunächst keine nennenswerten Veränderungen der kognitiven Leistung fest. Das änderte sich aber nach einiger Zeit. So heißt es im Artikel: „Allerdings stellten die Forscher fest, dass die Geschwindigkeit und die Genauigkeit von Kellys kognitiven Leistungen etwa sechs Monate nach seiner Landung abnahmen. Möglicherweise, weil sich sein Gehirn an die Schwerkraft der Erde und seinen völlig anderen Lebensstil in der Heimat gewöhnt hatte.“
Bei einem russischen Kosmonauten wurde nach seiner 169-tägigen Reise und Rückkehr im Jahr 2014 stärkere Auswirkungen im Gehirn festgestellt. Die neuronale Konnektivität in Arealen des Gehirns, die für die Motorik verantwortlich sind und im vestibulären Kortex (Orientierung, Gleichgewicht und Wahrnehmung der eigenen Bewegung), veränderte sich.
Bei Scott Kelly stellte man außerdem wenige Tage nach der Landung eine erhöhte Empfindlichkeit der Haut fest. Es bildeten sich Ausschläge. Die Forscher mutmaßen laut BBC, dass ein Mangel an Reizen während der Mission die Ursache ist und der Körper dann zurück auf der Erde überfordert ist.
Ähnlich wie bei den Augen ist auch die DNA durch Strahlung betroffen. Sogenannte Telomere schützen vereinfacht gesagt die Enden unserer DNA-Stränge und nehmen regulär mit zunehmendem Alter ab. Bei Astronauten stellte man während der Mission aber deutlich längere Telomere fest. Und: Nach der Landung auf der Erde verkürzten sich diese Telomere rasch. Die Forscher erklären sich das mit der Exposition gegenüber der komplexen Strahlungsmischung im Weltraum.