Warum ein kreativer Geist auch einen kreativen Raum braucht

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New-Work-Places kommen immer mehr in Mode. Das verwundert. Aus streng funktionaler Sicht lässt doch Digitalität die Places von New Work zunehmend in den Hintergrund treten. Jede Bushaltestelle, jede Almhütte kann zum Arbeitsort werden. Der mobile Rechner verbindet uns mit der Welt. In naher Zukunft werden wir mittels Robotik und künstlicher Intelligenz ganz ohne unsere direkte Anwesenheit buchstäblich Berge versetzen. Da kann uns der Place, von dem aus wir so neue Geschäftsfelder wie maritimen Bergbau oder Drohnentaxis organisieren, doch ganz egal sein …
Mitarbeiterkirmes trifft auf Arbstättv
Warum nur geben die Riesen am digitalen Himmel so viel Geld aus, um mit immer bunteren Campus-Lösungen Mitarbeiter zu locken? Irgendwie fragt man sich nach dem Haken an der Sache. In Deutschland scheinen wir vor Dekorationsübereifer sicher. Hierzulande herrschen deutsche Arbeitsschutzgesetze und seit den 80ern flächendeckend stabile Büros à la „Stromberg“. Mit der Bildschirmarbv haben wir selbst den digitalen Einbruch in die Arbeitswelt in den Griff gekriegt. Es kamen höhenverstellbare Schreibtische, anpassbare Rollstühle und Aufzug- oder Rolltreppenvollversorgung. Bewegen muss man sich nicht mehr wirklich in der Office-Welt. Hauptsache der Geist bewegt sich (noch). German Engineering at its best ohne Tamtam! Hier soll schließlich gearbeitet werden. Jeder hat Anspruch auf seine zwölf bis 15 Quadratmeter Arbeitsplatz. Egal, wie der aussieht. Hauptsache praktisch und funktional!
Steinzeitmensch trifft auf Computer
Ob diese vernünftige „Bürohaltung“ der Evolution des Homo sapiens entspricht und ihn zu geistigen Höchstleistungen anspornt, muss bezweifelt werden. Neuere arbeitsneurologische Forschungen und uralte Binsenweisheiten legen uns nahe, dass Körper und Geist keine separaten Betriebseinheiten sind, die nach Hard- und Software-Systematik getrennt werden können. Und Achtung: Unser Körper ist mehr als ein Transportmittel, das „sicher und sauber zwischengeparkt“ wird. Der Bewegungsspielraum für New-Work-Places scheint also gering. Eingeklemmt zwischen dem Vorwurf, Mitarbeiter durch Schnickschnack zu verlängerter Arbeit zu manipulieren, oder sie durch ein gesetzliches „Legehennensystem“ verkümmern zu lassen, schreit alles nach einer Neubewertung der Diskussion! Was erwarten wir von New-Work-Places?
Arbeitsleben: Eine Mensch-Maschine
Natürlich muss der Mensch immer im Mittelpunkt stehen! Aber was heißt das schon, wenn Arbeit sukzessive durch Maschinen (sprich Roboter und Algorithmen) erledigt wird? Höchstwahrscheinlich wird die bestehende Arbeitsteilung von Mensch und Maschine weiter ausdifferenziert: Je strukturfähiger eine Arbeitsleistung ist, desto eher wird sie von Maschinen übernommen. Je individueller, menschlich sensuell und emotionaler sie ausgestaltet werden soll, umso eher wird sie von Menschen durchgeführt. Diese Arbeitsteilung wird uns langfristig befreien und hoffentlich dazu bringen, dass wir uns wirklich nur noch um das kümmern können, was für uns wirklich zählt. Das ist ja bekanntlich nicht in Zahlen zu messen. Und was bedeutet das für den Arbeitsort?
Im Arbeitsleben geht es derzeit überwiegend um planbare logische Prozesse. Dabei sind Funktionalität und Rationalität Schlüssel für Effizienz und Effektivität. Logik und Folgerichtigkeit sind für Maschinen so etwas wie Futter. Für Menschen sind sie oft langfristig wirkendes Gift. Wenn Zufälle unterbunden, Überraschungen ausgeschlossen und Humor abgetötet wird, verkümmert die Neugierde und damit einer unserer wichtigsten Antriebe. Die Evolution hat uns zu einem Wesen ausgebildet, das mit den Zufällen des Lebens umgehen kann. Dabei wirken alle Hirnteile von Stammhirn bis Präfrontal-Cortex auf erstaunliche Weise zusammen. Wir sind gut beraten, wenn wir bei New Work alle Dimensionen unseres Denkens um ein Vielfaches stärker einbeziehen und nicht nur die rationale Ebene betrachten.
Im sogenannten limbischen System werden unsere Emotionen gesteuert. Wenn wir also von New-Work-Places reden, dann sollten wir uns das arbeitsteilige Verhalten von Mensch und Maschine auch aus emotionaler Sicht anschauen. Kurz: Was an die Maschine heranrückt, wird immer mehr zum Reinraum. Was den Geist des Menschen zu Innovationen und Sprungideen beflügeln soll, braucht geistige Nahrung! Ideen kommen von Ideen! Und bevor daraus Innovationen werden, durchläuft jede Idee einen emotionalen Fluss. Dieser wird gebildet aus Inspiration, Imagination, Iteration, Intuition und Improvisation. Kurz: Wir richten die Antennen zum Himmel, um vom Geistesblitz getroffen zu werden, strengen unsere Fantasie an, wiederholen diese Bilder solange, bis sie uns in Fleisch und Blut übergehen und wir mit ihnen nahezu spielerisch frei umgehen können. Das ist ein seit Jahrtausenden wiederholtes Kreativverfahren. Es wurde von Künstlern, Erfindern und Geisteslehrern immer wieder erprobt und weiter verbessert. Hinzu kommt der emotionale Turbo unseres Denkens: Empathie. Wir sind ein Homo socius. Was für uns allein gilt, gilt umso mehr in Gemeinschaft. Alle unsere Errungenschaften basieren auf gemeinschaftlich getragenen Fiktionsleistungen. Egal, ob wir von Sprache, Zeitverständnis, Zahlen, Geld oder vielem mehr reden. Das wird für New Work mit New-Work-Places nicht anders sein!
Jede Stufe dieses Geistesvorganges kann und sollte räumlich unterstützt werden. Das muss nicht immer mit Geld zu tun haben. Den größten Kreativraum tragen wir alle in uns. Er ist total flexibel, vielseitig nutzbar und sehr preisgünstig. Am einfachsten ist es, die Augen zu schließen und Ruhe zu bewahren. In diesen Raum kann man alles bringen, was einem gefällt. Aber natürlich gibt es noch andere Räume. Vor allem, um die Kollektivkräfte in einem Unternehmen zu beflügeln. Neugierde ist hier der Grundantrieb jeder Innovation. Und Humor der ultimative Intelligenztest für Firmen.
Wunder gibt es immer wieder
Aber wie findet man Anregungen, diese Neugierde in unruhigen Zeiten zu bündeln? Am einfachsten erscheint es, sich diese aus der Zeit zu holen, als zum ersten Mal so etwas wie Globalität und Digitalität auf diesem Planeten spürbar wurden. Es geht zurück in die Zeit als Kolumbus die „Neue Welt“ entdeckte und Gutenberg mit beweglichen Lettern, die grenz- und generationsüberschreitende Bündelung von Wissen erstmals im großen Stil ermöglichte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden die wesentlichen Grundlagen der späteren industriellen Revolution gelegt. Dabei taten sich die Menschen schwer, all das zu begreifen, was ihnen das Leben da vor die Füße warf. Selbst die klügsten Köpfe kamen kaum hinterher. Gleichwohl hatte man das Bedürfnis, Dinge zu ordnen und zu verstehen.
Was in der Frührenaissance als Panoptikum begann, wuchs in späteren Jahren zum Phänomen der Wunderkammern. Man wollte sich einfach das Neue genau anschauen! Man wusste nicht genau, was es war, aber es machte neugierig! Die Camera obscura mit ersten Lichtbildern hat es damals eingefangen, die skurrilen Wunderkammern haben es gebündelt. Jeder kann diese Quellen der globalen Welt auch heute um sich versammeln und miteinander verbinden, analog wie virtuell. Sie machen unser Leben authentisch. Verhaften uns mit uns selbst. Das funktioniert individuell genauso wie kollektiv. New-Work-Places sollten zu solchen Wunderkammern der Neugierde werden, um Innovationen zu befördern. Gewürzt mit einem Schuss von gemeinsamen betrieblichen Wurzeln, um die Zentrifugalkräfte von dezentraler Arbeit auszubalancieren. Vielleicht tritt dann auch eine größere Identifikation mit dem Unternehmen ein. Die seltene, gemeinsam verbrachte Zeit sollte uns wichtiger werden. Dabei sollten wir drei Komponenten nie vergessen:
- Spaces are Interfaces und eröffnen uns jede Schnittstelle in unbekanntes Terrain
- Function follows Emotion und gibt uns Zugang zur eigenen Motivation und Mut
- Kultur ist kollektive Intuition und nur sie bringt uns vereint weiter zu neuen Ufern