- Was bedeutet der Leitzins der EZB für private Anleger:innen?
- Was will die Zentralbank damit bewirken?
- Wofür brauchte es dann eine Sondersitzung der EZB?
- Was steckt hinter Anleihenkäufen der EZB?
- Inwiefern spielt die Geldpolitik der US-Notenbank Fed mit rein?
- Wie wirkt sich die Geldpolitik von EZB und Fed auf den Krypto-Markt aus?
Wie wirkt sich die Geldpolitik von Fed und EZB auf den Krypto-Markt aus?
Europa steht vor einer Zinswende. Zum ersten Mal seit 2011 soll der Leitzins im Juli nach oben klettern: Von 0 Prozent auf 0,25 Prozent. In Zahlen nur eine kleiner Sprung, der aber weitreichende Folgen hat: Der EZB-Leitzins setzt fest, zu welchen Konditionen Geschäftsbanken sich Geld von der Europäische Zentralbank (EZB) leihen oder es dort anlegen können. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Finanzmärkte, sondern wirkt auch auf den strauchelnden Krypto-Markt ein.
Was bedeutet der Leitzins der EZB für private Anleger:innen?
Die Höhe der Zinsen, die wir bezahlen, wenn wir uns Geld von einer Bank leihen oder Geld anlegen wollen, orientieren sich an der Zinspolitik der EZB. Bereits als die Zentralbank nur verkündete, dass sie plane, den Leitzins anzuheben, stiegen die Zinsen für Tages- und Festgeld.
Natürlich befinden wir uns trotzdem noch in einer Phase der niedrigen Zinsen. Expert:innen gehen nicht davon aus, dass wir jemals wieder Guthabenzinsen von sieben, acht oder mehr Prozent sehen werden. Trotzdem bekommen vor allem Menschen, die sich Geld geliehen haben, die steigenden Zinsen zu spüren. Das gilt für Ratenkredite, aber insbesondere auch für Baukredite.
Wer etwas mehr Geld auf dem Konto liegen hat, den könnte die Zinserhöhung der EZB allerdings freuen. Ebenfalls angehoben wird der Zins, zu dem Banken Geld bei der EZB parken können. Aktuell liegt der noch im Minusbereich, bei minus 0,5 Prozent. Wenn die Zentralbank diesen Einlagenzins anhebt, werden die Banken das wahrscheinlich an ihre Endkund:innen weitergeben. So könnten Verwahrentgelte entfallen, die einige Banken für hohe Guthaben auf Konten verlangen.
Was will die Zentralbank damit bewirken?
Hauptaufgabe der EZB ist es, die Preise im Euroraum stabil zu halten, um das Vertrauen in den Wert des Geldes zu wahren. Ihr ärgster Gegner dabei ist die steigende Inflation von momentan fast acht Prozent. Dem Preisanstieg wollen die Zentralbänker:innen mit höheren Zinsen begegnen. Denn die höheren Zinsen machen das Geldleihen teurer. Das drosselt die Nachfrage und damit die Preise. Der Leitzins steuert die Inflation – zumindest in der Theorie.
Alle sechs Wochen diskutieren die Zentralbänker:innen darüber, ob die Zinsen verändert werden sollen. In dieser Sitzung wurde vergangene Woche die Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte beschlossen.
Wofür brauchte es dann eine Sondersitzung der EZB?
Der EZB-Rat traf sich am Mittwochabend zu einer kurzfristig anberaumten Sitzung, um über Maßnahmen gegen die Unruhe auf den Finanzmärkten zu sprechen. Er beschloss, zum 1. Juli milliardenschwere Anleihenzukäufe zu stoppen. Ein Schlussstrich unter die lockere Geldpolitik der vergangenen elf Jahre und ein Stopp für die umfangreichen Hilfen der EZB für hochverschuldete Euro-Staaten.
Was steckt hinter Anleihenkäufen der EZB?
Es geht dabei um den Kauf von Staatsanleihen seitens der EZB. Das sind Schuldverschreibungen, die einzelne Staaten herausgeben, um sich Geld zu leihen. Kreditgeber können so auch Privatleute werden, die Verzinsung ist allerdings bis noch vor einer Woche sehr niedrig gewesen. Dabei gilt: Je höher das Ausfallrisiko ist, also je schlechter ein Land dasteht, desto höher sind die Zinsen auf die jeweiligen Staatsanleihen.
Die Anleihen haben einen festgelegten Zinssatz, unterliegen aber trotzdem Kursschwankungen. Steigt das Zinsniveau, sinken ihre Kurse. Das sehen wir gerade besonders stark bei hochverschuldeten Euro-Ländern, wie Italien oder Griechenland. Für sie wird die Geldbeschaffung also teurer. Zehnjährige Staatsanleihen stiegen in Italien binnen weniger Tage von zwei auf vier Prozent.
Schon die Ankündigung der EZB-Sondersitzung wirkte beruhigend auf die Finanzmärkte. Nun herrscht Klarheit, was Börsianer:innen besänftigt.
Inwiefern spielt die Geldpolitik der US-Notenbank Fed mit rein?
Europa steht natürlich nicht auf einer grünen Wiese und Finanzmärkte sind international. Eine weitere Zinsentscheidung fiel gestern Abend in den USA: Die Federal Reserve beschloss eine Leitzinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte – ein drastischer Schritt, der die hohe Inflationsrate drücken soll.
Wie heute zu sehen ist, hat das die US-Finanzmärkte allerdings nur wenig beruhigt. Der amerikanische Leitindex ist weiterhin im Minus. Das drückt auch auf den deutschen Aktienindex (Dax), wie Expert:innen analysieren.
Wie wirkt sich die Geldpolitik von EZB und Fed auf den Krypto-Markt aus?
Der Markt für Kryptowährungen hat vor etwa einem Monat bereits eine Schockwelle erlebt. Als der algorithmische Stablecoin Terra (Luna) crashte, zog das die meisten Kurse anderer Krypto-Asstes ebenfalls ein gutes Stück nach unten. Die Krypto-Leitwährung Bitcoin fiel auf knapp unter 30.000 US-Dollar. Zur Erinnerung: Während des Allzeithochs 2021 war ein Bitcoin deutlich über 60.000 Dollar wert.
Während es zunächst so aussah, als hätte sich der Krypto-Markt von diesem Schock im Mai erholt, gingen die Kurse seit Sonntag nochmals drastisch zurück. Derzeit ist der gesamte Krypto-Markt weniger als eine Billion Dollar wert. Im November 2021 überschritt er dagegen kurzzeitig die Drei-Billionen-Dollar-Marke.
Der Abwärtstrend war also schon vor den Zinsentscheidungen von EZB und Fed da, wird aber laut Expert:innen dadurch weiter verschärft. Viele befürchten, dass die jüngsten Kursrutsche einen anhaltenden Krypto-Winter einläuten. Einige Krypto-Firmen entließen deshalb vorsorglich Teile ihrer Belegschaft.
Als Auslöser für den derzeitigen Kursrückgang auf dem Krypto-Markt werden die Zahlungsschwierigkeiten des Krypto-Verleihers Celsius genannt. Dabei sind es mehrere Faktoren, die auf die sinkenden Krypto-Preise einwirken.
Susanne Fromm, CEO der Krypto-Beteiligungsgesellschaft Coin-IX, beschreibt die Zinsentscheidungen der Zentralbanken als „Makroumfeld des Krypto-Marktes“. Die Nervosität dort treffe auf recht unerfahrene Krypto-Investor:innen, „die emotional und herdenartig auf einzelne News reagieren“, sagt Fromm.
„Zudem wird im Krypto-Bereich oft gehebelt gehandelt, also ‚auf Pump‘ mit einem Vielfachen des Einsatzes.“ Preisrückgänge würden außerdem automatisch Zwangsverkäufe von als Sicherheit hinterlegten Kryptowerten auslösen. „Eine Kettenreaktion, die den Abwärtstrend verstärkt“, erklärt die Krypto-Investorin.
Generell gilt auch, dass wenn die Zinserträge auf dem klassischen Finanzmarkt steigen, Anlageklassen wie Kryptowährungen unattraktiver werden. Denn die Risiken auf dem Krypto-Markt sind deutlich höher als beim Kauf von Aktien oder anderen Finanzprodukten.