Kryptowährungen: So soll die CO2-Kompensation messbar gemacht werden
Die neu entwickelte Methode nennt sich Bitcoin Carbon Neutrality Investment Standard (BCNIS) und trifft damit den Zahn der Zeit. Aufgrund der Inflationserwartungen verschieben immer mehr Menschen ihre Kaufkraft in Richtung des Krypto-Sektors. Zugleich sieht sich die Welt auch aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes einer Klimakatastrophe gegenüber. Wegen der immer strikter werdenden Regulierungen und des neu entstehenden Produktionsfaktors „Klimafreundlichkeit“ sehen sich auch immer mehr Unternehmen gezwungen, möglichst klimaneutrale Produkte zu entwickeln. Für den Finanzsektor ist das aufgrund der Intransparenz der Daten, aber auch der (un-)klaren Verantwortungskreise oftmals schwieriger. Die Mitwirkenden der Studie sind jedoch der festen Überzeugung, dass die Ausdehnung der ESG-Kriterien (Environmental Social Governance Anlagekriterien) auch für börsennotierte Konzerne und den Kryptobereich gelten werden.
„Wir gehen fest davon aus, […] dass ohne einen transparenten Nachweis, dass man solche Gegenmaßnahmen einleitet, […] Investment in Bitcoins, aber auch andere Assetklassen erschwert [werden]. Wir wollen dieses Thema […] auf ein Dashboard heben, dass man Investoren eine automatisierte Möglichkeit [bietet,] diese CO₂-Fußabdrücke zu berechnen, um damit auch Regulatorik-konform [zu zeigen], dass man etwas tut“, sagt Volker Braunberger, CEO von Intastech. Dazu befände sich das Projekt bereits im Gespräch mit IBM.
Der Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) hat sich zusammen mit dem ausgegründeten Projekt Intastech genau an die Schnittstelle dieser Bedürfnisse gewagt. Wie können Bitcoin-Transaktionen, -Börsen und ETF für Interessierte weiter relevant bleiben? Die Antwort von praktischer Seite lautete: Indem man das durch die transferierten Bitcoin entstehende CO2 kompensiert. Der Vorteil: Bei Bitcoin können die Daten aufgrund der Blockchain-Technologie besser erhoben werden.
Berechnungs-Standard für Investierende
In der Studie „The Carbon Emissions of Bitcoin From an Investor Perspective“ entwickelt die FSBC einen zweistufigen Ansatz. Dieser soll je nach Geschäftsmodell zwei unterschiedliche Berechnungs-Standards für die ausgestoßenen CO2-Emissionen bieten. Dabei wird unterschieden in „Transaction-Based-Network-Usage“ (TBNU) und „Ownership-Based-Network-Usage“ (OBNU). Bei TBNU handelt es sich um ein Modell, das vorrangig Bitcoin-Transaktionen beinhaltet, während bei OBNV der Fokus auf dem Besitz (dem Halten) von Bitcoin liegt. So müsste Paypal seinen CO2-Preis wohl nach dem TBNU bestimmen, während Tesla der Berechnungs-Grundlage in OBNV folgen dürfte.
Es ergeben sich unter der Annahme, dass Bitcoin-Transaktionen zwischen dem 1. September 2020 und dem 31. August 2021 weltweit insgesamt 91 Terawattstunden Energie haben, die folgenden Preise:
Im TBNU wurden in diesem Jahr 369 Kilogramm Kohlenstoffdioxid Äquivalente (kgCO₂eq) ausgestoßen. Demzufolge müssten Akteure mit diesem Business-Modell 18,47 US-Dollar als Kompensation leisten. Im OBNU wurden für einen Bitcoin in diesem Jahr 2,044 kgCO₂eq ausgestoßen. Daraus folgt, dass Akteure dieses Geschäftsmodells 102,20 US-Dollar als CO₂-Bepreisung leisten müssten.
Wie sieht die CO2-Kompensation für Bitcoin in der Praxis aus?
Im gemeinsamen Projekt mit Iconic, einer institutionellen Krypto-Anlagenverwaltung, findet diese Methodik bereits Anwendung. Für das Produkt Exchange Traded Node wurde im zweiten Quartal (von April bis Juni) mit dem Modell ein zu zahlender CO₂-Preis von 37,60 US-Dollar errechnet.
Das Ziel der Anwendung ist es, trotz bislang fehlender offizieller eindeutiger Regulierungen, die Chancen des Kryptomarkts zu nutzen, ohne die Profite auf Kosten des Klimawandels zu erreichen. Wie Dominic Poiger, Head Of Product Management bei Iconic Holding, sagt, fange „verantwortungsvolles Investieren bereits bei der Produktgestaltung an“. Mithilfe der Berechnungsmethode soll den Investor:innen ein Werkzeug an die Hand gegeben werden, die CO2-Preise und notwendigen Kompensationen einzuleiten.
Iconic, so Poiger, würde zur Kompensation bereits in das Projekt Envira Amazonia einzahlen. So sollen 200.000 Hektar des Amazonas vor der Abholzung bewahrt werden – und die biologische Diversität erhalten. Poiger betont dabei, dass sein Unternehmen nur „zertifizierte und Impact-orientierte Projekte“ betrachte. Dabei würde Iconic nicht nur CO₂-Zertifikate kaufen, sondern diese tatsächlich aus dem Zertifikate-Handel entfernen.
Bitcoin ≠ Klimakiller
Damit begegnen die Autor:innen der Studie und Mitwirkenden dem Vorurteil, dass es sich bei Bitcoin um einen Klimakiller handele. Philipp Sandner zufolge war Bitcoin im oben genannten Zeitraum für 0,08 Prozent des weltweiten CO₂eq-Ausstoßes verantwortlich. Dabei, so Sandner in seiner Präsentation, würden etwa 56 Prozent des Bitcoin-Minings bereits aus „grünen“ Energien stammen. Im Vergleich dazu beziehe Deutschland nur 48,9 Prozent seines Energieverbrauchs aus „grünen Quellen“. Benjamin Schaub, Senior Consultant bei Intastech, ergänzt, dass digitale Assets eine Vorreiterrolle einnehmen könnten. Denn, der „Druck für Bitcoin [ist] groß“, aber selbes gelte gleichermaßen für andere Industrien (Stichwort: Gold).
Außerdem sei der Nutzen von Kryptowährungen, wie das Beispiel El Salvadors zeige, von hoher Bedeutung, so Sandner. In diesem Land hätten nur 29 Prozent ein Bank-Konto, mittlerweile aber ungefähr 46 Prozent eine Bitcoin-Wallet. Damit könnten Hunderttausende, die bislang keine Möglichkeit gehabt hätten, digitale Zahlungen zu tätigen oder digitale Werte zu speichern, finanziell inkludiert werden. Apropos El Salvador: BTC-Echo befindet sich aktuell in El Salvador, um die Auswirkungen des erlassenen Bitcoin-Gesetzes genauer unter die Lupe zu nehmen. Mehr dazu lest ihr in obigem Artikel – und in der kommenden Ausgabe des Kryptokompass.
Autor des Artikels ist Marlene Müller.