Die Kündigung verändert das Leben. Nur: in was? Diese Unsicherheit ist es, die Menschen in grummeligen Teams hält, sie für fiese Chefs arbeiten lässt, sie durchhalten lässt, was sie eigentlich nicht durchhalten wollen. Und dann? Eines Tages kündigen sie doch oder sie nehmen es sich ganz fest vor, ihre Verträge laufen aus oder das Klima im Team wird unerträglich – und dann werden sie nervös.
Diese Nervosität sollten wir uns genauer anschauen, denn sie führt zu dummen Entscheidungen. Und dumme Entscheidungen haben unangenehme Konsequenzen.
Nicht jeder möchte ohne einen neuen, vermeintlich sicheren Job kündigen. Es wird als Zeichen der Schwäche angesehen. Ein Bekannter von mir, hoch qualifiziert, kündigte neulich einen wahren Höllenjob und suchte in der Zeit bis zum Ausstieg einen neuen – klammheimlich, unter der Hand geflüstert. Als ich ihn fragte, warum er seine Suche nicht einfach öffentlich machte, damit sich Unternehmen bei ihm melden, sagte er: „Es könnte bedürftig wirken.“
Bedürftig.
Das Gefühl ist anerzogen, passt aber nicht mehr in die Gegenwart. Die Generation, die jetzt Ende-Dreißig-Mitte-Ende-Vierzig ist, hat noch gelernt, dass ein Job fürs Leben sein soll und Berufswechsel sprunghaft wirken. Erwerbslosigkeit ist natürlich ein No-Go.
Gelernt, geglaubt, aus der Zeit gefallen
Diese Haltungen arbeiten noch immer in uns. Sie stehen im Widerspruch zu allem, was wir in der Gegenwart erleben, aber sie sind auch fest verankert. Gerade von Frauen höre ich wirklich oft den Wunsch, ein bis drei Monate eine Pause zu machen, bevor der nächste Job startet. Sie möchten etwas lernen, sie möchten sich Zeit nehmen, sie möchten sich überlegen, was sie wirklich wollen.
Und dann sehe ich ihnen dabei zu, wie sie mit drei Tagen an Übergangszeit in den nächsten Job rauschen, weil die zwei-drei Testbewerbungen versehentlich zu einem Arbeitsvertrag geführt haben – und: Was man hat, das hat man. Mit dem Argument kann man Plastikschalen im Keller sammeln – aber doch keinen Job starten!
Auf die Frage: „Hast du bei dem Team ein gutes Gefühl?“, höre ich dann ein zaghaftes: „Mal gucken.“
Mal gucken.
Mal gucken, das ist wirklich keine gute Grundlage für eine Entscheidung, die so nachhaltig wie ein neuer Job ist. Das gilt insbesondere, wenn die letzte (und vorletzte) Berufserfahrung nicht gut war. So führt die anerzogene Unsicherheit dazu, dass potenziell sehr dumme Entscheidungen getroffen werden.
Wo stehst du eigentlich?
Ein neuer Job ist kein kleiner Punkt auf der To-do-Liste. Ein neuer Job ist eine Entscheidung für eine Bindung. Wer eine neue Stelle antritt, der hat darüber entschieden, wer künftig über das eigene Leben mitentscheiden darf. Und das ist keine Kleinigkeit, die man abhakt, sobald sich eine Gelegenheit bietet.
Gute Entscheidungen treffen Menschen, wenn sie wissen, wie sich diese Entscheidung auf ihr Leben auswirkt. Die Grundlage dafür ist natürlich, einen Einblick in die neue Stelle zu bekommen – aber das ist nicht alles. Wissen über das eigene Leben ist genauso wichtig:
- Wo stehe ich gerade?
- Wo würde ich gern stehen?
- Wie lebe ich, wenn ich ein paar Wochen lang die Wahl habe?
- Was gefällt mir daran?
- Und was will ich von einem Job, der dieses Leben ergänzt?
Wenn ich solche Fragen stelle, dann gehe ich davon aus, dass du, der oder die du diesen Text gerade liest, die Wahl hast. Und das glaubst du mir gerade nicht, denn ich kenne deine persönliche Situation nicht. Stimmt. Du hast so viele Abers.
Aber weißt du was? Du hast wirklich die Wahl. Doch wenn es nicht gut läuft – zum Beispiel, weil der eigene Job kündigungswürdig ist –, dann ist es schwer zu erkennen, welche Wahlmöglichkeiten man eigentlich hat.
Gute Entscheidungen benötigen gute Prozesse
Es ist für uns alle schwer, auf einen Teil des Einkommens zu verzichten. Aber ein paar freie Wochen können dir dabei helfen, klüger zu entscheiden. Vielleicht musst du dafür sparen und vielleicht ist das schwer. Aber direkt in den nächsten miesen Job zu switchen ist von außen betrachtet auch nicht unbedingt eine Entscheidung, die das Leben erleichtert. Und um auf das Thema vom Anfang zurückzukommen: Bedürftigkeit führt auch nicht unbedingt zu smarten Gehaltsverhandlungen.
Kluge Entscheidungen benötigen gute Entscheidungsprozesse. Und diese Prozesse benötigen Ressourcen. Informationen, Ruhe, ein stressbefreites Gehirn. All das bedarf Zeit. Wenn du Zeit hast, merkst du, dass du die Wahl hast. Wenn du die Wahl hast, verhandelst du besser. Sobald du besser verhandelst, steigst du mit mehr Respekt (von außen) und mehr Achtung (von innen) ein. Und wenn du besser einsteigst, dann sind deine Chancen größer, dass der nächste Job besser wird.
Und das sollte das eigentliche Ziel sein.
Sorry aber so etwas in der aktuellen Wirtschaftslage zu empfehlen ist wirklich unpassend. Gerade in der Digitalbranche finden auch gute Leute oft über ein Jahr keinen Job mehr. Leicht einen Job zu finden ist schon lange nicht mehr der Fall und aktuell ohne Perspektive zu kündigen sollte man sich sehr gut überlegen und ist in den meisten Fällen eine dumme Idee.