Kursrutsch: Deshalb solltest du möglichst selten in dein Depot schauen

Turbulente Tage an den Börsen: Wie tief fallen die Kurse noch? (Foto: Video Media Studio Europe/Shutterstock)
Die letzten Tage waren für Privatanleger:innen wenig erfreulich – und das hat gleich mit einer Vielzahl an Herausforderungen zu tun, die auf die Weltwirtschaft und die Aktienmärkte einströmen: Lieferkettenprobleme, Energieengpässe, Ukrainekrieg, Unsicherheit aufgrund der immer noch nicht beendeten Corona-Pandemie, wahrscheinlich ließen sich noch etliche Punkte mehr finden. Gerade performanceorientierte aktienlastige Depots haben in den letzten Tagen etwa acht bis zehn Prozent eingebüßt, wenn sie sich an den Standardindizes und den dazugehörigen ETF orientiert haben. Die großen Indizes wie Dax und Dow Jones haben allein am Montag rund vier Prozent ihres Wertes eingebüßt und sich nur teilweise wieder erholt. Besonders hart hat es die Technologie- und Internettitel getroffen, die in den letzten Monaten und Jahren dafür überdurchschnittlich gut liefen – und auch bei den Kryptowährungen gab es über mehrere Wochen heftige Abschläge. Betroffen sind außerdem all jene Aktien, die irgendetwas mit Energieversorgung oder Rohstoff- und Energiebedarf zu tun haben, somit auch Dauerläufer wie Food and Beverage, Healthcare, Automobilindustrie und mehr.
Zusammengefasst: Jetzt ist wieder die Zeit, in der gerade Privatanleger:innen dazu neigen, Fehler zu machen und dadurch die mühsam aufgebaute Rendite aufs Spiel zu setzen. Das hat damit zu tun, dass wir in der Unsicherheit Chancen und Risiken falsch einschätzen, uns zu sehr von der kurzfristigen Situation einschüchtern lassen. Dieses archaische Verhalten ist im Prinzip früher auch nicht schlecht gewesen, hilft uns bei der gesunden Einschätzung der richtigen Börsenstrategie aber wenig weiter.
Wenn du die folgenden fünf Tipps beherzigst, kommst du darum besser durch die Krise.
1. Seltener ins Depot schauen – und diszipliniert bleiben
Studien haben gezeigt, dass Anleger:innen, die sich zu intensiv und zu oft mit ihrem Depot beschäftigen, einem höheren Risiko ausgesetzt sind, dass sie weniger Rendite erzielen, als angesichts des Chance-Risiko-Verhältnisses ihrer Anlagen möglich wäre. Es kann daher eine gute Strategie sein, aktuell nicht zu häufig ins Depot zu schauen, wenn du ansonsten Gefahr läufst, dich von bestimmten Werten zu trennen, anstatt auch Kursverluste auszusitzen. Es reicht meist aus, einmal im Monat das Depot zu checken – reinschauen solltest du nur dann öfter, wenn du diszipliniert genug bist (oder eben gezielt und bewusst kurzfristig handelst).
2. Gezielte Strategie entwickeln – und daran festhalten
Wer Geldanlage betreibt, sollte seine Anlagestrategie regelmäßig alle ein bis drei Jahre auf den Prüfstand stellen – nicht häufiger. Wie hoch soll der Aktienanteil sein, Rohstoffe ja oder nein, Kryptowährungen und wenn ja, welche – all das sind Fragen, die du nicht aus einer Laune heraus beantworten solltest, sondern regelmäßig optimieren kannst. Jüngere Anleger:innen werden dabei risikofreudiger sein als ältere, Anleger:innen mit mehr Risikobereitschaft werden einen höheren Anteil an Kryptowährungen in Erwägung ziehen als andere – und Frauen legen in der Regel vorsichtiger und konservativer an als Männer.
Kombiniere dabei Märkte und Geldanlageformen, die eine möglichst geringe Korrelation haben. Das bedeutet, du solltest zur Risikominimierung solche Anlageformen kombinieren, die beispielsweise dann steigen, wenn andere sinken. Dadurch optimierst du zwar nicht deine Rendite, riskierst aber auch nicht den maximalen Absturz, wenn die Märkte drehen. Generell ist ein breit aufgestelltes Portfolio weniger risikobehaftet, kann aber durchaus eine attraktive Gesamtrendite bieten.
Allerdings impliziert diese Regel auch eine Ausnahme: Dann nämlich, wenn du davon ausgehst, dass die sprichwörtliche Scholz’sche Zeitenwende, der Paradigmenwechsel, da ist und wir in Zukunft beispielsweise bestimmte Branchen stärker oder schwächer sehen werden, kannst du, wenn du bestimmte Fokusbranchen hast, umschichten. Anleger:innen hätten beispielsweise in der Vergangenheit weniger auf Aktien von Rüstungskonzernen gesetzt, deren Chancen auf gute Umsätze – objektiv – seit dem Februar besser stehen als bisher. Ob du Spaß daran hast, eine solche Änderung im eigenen Depot mitzutragen, musst du freilich selbst entscheiden.
3. Arbeite mit Trailing-Stop-Loss – direkt oder indirekt
Wichtig ist, dass du gerade in einer Krise, wie wir sie aktuell erleben, nicht nervös wirst und schnell nach einem Kursrutsch dein ganzes Depot neu aufstellst. Halte an deiner einmal getroffenen Strategie fest. Definiere dazu fürs nächste Mal genaue Prozentsätze Abschlag, die du bei einem Kurssturz einzugehen bereit bist und mit denen du ruhig schlafen kannst. Du solltest dazu bereits beim Kauf des Wertpapiers beurteilen, in welche Gruppe es fällt – eine Aktie eines Nahrungsmittelgroßkonzerns hat hier ein anderes Chance-Risiko-Profil als eine Aktie eines kleinen Technologie-Startups.
Notiere dir entweder ein Kursziel, das einen bestimmten Puffer unter dem Kaufkurs liegt und nicht unterschritten werden sollte, oder richte einen Trailing-Stop-Loss ein – das ist eine Limit-Order, die inzwischen die meisten Broker und Banken anbieten und die mit der Kursentwicklung nach oben mitzieht und um den vordefinierten Prozentsatz unter dem einmal erreichten Kurs liegt. So stellst du sicher, dass du nur ein für dich passendes Risiko eingehst. Bedenke, dass automatische Kursziele vor allem dann gut funktionieren, wenn du einen Wert hast, der in großem Umfang gehandelt wird – und wähle einen dazu passenden (möglichst stark frequentierten) Börsenplatz aus.
Dieser Rat mag einerseits für Aktien gelten, betrifft aber natürlich gerade auch in der aktuellen Phase fast in noch größerem Maße die Kryptowährungen. Auch wenn viele Krypto-Fans es nicht wahrhaben woll(t)en, unterscheiden sich auch die Krypto-Märkte dahingehend nicht von der klassischen Wertpapierbörse: Und die ist bekanntermaßen weder eine Einbahnstraße noch die Straßenbahn. Will sagen: Es gibt immer zwei Richtungen, die die Kurse nehmen können, und beim Richtungswechsel wird nicht geklingelt.
4. Time schlägt Timing – denke bei der Geldanlage langfristig
Wenn du glaubst, dass du als nicht insitutionelle:r Anleger:in in der Lage bist, Aktien stets zum richtigen Zeitpunkt zu kaufen und zu verkaufen, liegst du mit dieser Einschätzung meistens falsch. Studien haben gezeigt, dass sich gerade Privatanleger:innen von Stimmungen an den Märkten mehr als die Profis irritieren lassen und zum falschen Zeitpunkt handeln. Schlauer, als auf das kurzfristig richtige Timing zu hoffen, ist es daher, auf Time zu setzen, also die Zeit.
Denn gerade, wenn du die Geldanlage langfristig angehst, hast du verdammt gute Chancen, mit einem breit gestreuten Depot eine schöne Rendite zu erzielen – ein Depot, das beispielsweise breite Märkte wie den US-Aktienmarkt, die 600 größten europäischen Aktienwerte oder gar den gesamten Weltmarkt mit 1.600 Aktien aus den verschiedenen Industrieländern abdeckt. Untersuchungen haben ergeben, dass in den letzten fünf Jahrzehnten im Schnitt pro Jahr zwischen sechs und acht Prozent drin waren, wenn man einen beliebigen Zeitraum über zehn Jahre wählte – bei höherer Inflation auch deutlich mehr. Auch wenn die Werte der Vergangenheit keine Garantie sind, spricht vieles dafür, dass das auch in Zukunft so ist. Gut für alle, die Investments als langfristige Geldanlage und Altersvorsorge verstehen und altersbedingt ausreichend Zeit mitbringen.
5. Zu viel handeln geht auf Kosten von Rendite
„Hin und her macht Taschen leer“ ist ein beliebtes Sprichwort unter Börsianer:innen. Wer regelmäßig kleinere Tranchen handelt, zahlt tendenziell mehr Gebühren (es sei denn, man bespart zu entsprechenden Konditionen einen Sparplan). Unter dem Gesichtspunkt der Bankgebühren und damit der Rendite ist es sinnvoll, größere Stückzahlen zu handeln und – vergleiche Punkt 3 – nicht darauf zu hoffen, dass man beim Timing schlauer ist als der Rest der Welt.
Nicht ideal bei der Aktienauswahl ist es, auf die Tipps und Ratschläge von Freunden und Bekannten zu verlassen, die nicht selten aus demselben Branchenumfeld wie du selbst stammen und die Geschichten derselben Bubble hören und weitererzählen wie du selbst. Sinnvoller ist es, sich mit dem jeweiligen Geschäftsmodell selbst zu beschäftigen oder auf komplette Märkte in Form von Indexfonds zu setzen. Studien haben gezeigt, dass branchenspezifische Fonds Gesamtmärkte langfristig bei gleichem Risiko seltener schlagen als breit aufgestellte Indizes, die den kompletten Markt eines Landes oder einer Region abbilden.
Übrigens spielen die Gebühren über die reine Trading-Fee hinaus eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Rendite, insbesondere wenn du Wertpapiere über lange Zeit halten willst. Deine Bank oder dein Broker sind gesetzlich dazu verpflichtet, dich über die Höhe der Kickbacks, die von der Kapitalanlagegesellschaft (KAG) an die Bank gezahlt werden, zu informieren, sodass du sehen kannst, ob beispielsweise bestimmte aktive Fonds teurer sind als andere. Rechne hier (zumindest überschlagsweise) über die gesamte Laufzeit.