Kurze Aufmerksamkeitsspanne: Warum das stresst – und was du dagegen tun kannst

Instagram, Tiktok, Streamingdienste, Messenger – sie alle wollen vor allem eins: unsere Aufmerksamkeit. Je mehr Zeit wir auf einer Plattform verbringen, umso besser fürs Geschäftsmodell.
Gleichzeitig ist die Zeit, die wir uns vor dem Bildschirm durchgehend konzentrieren, laut Gloria Mark, Professorin für Informatik an der University of California, drastisch gesunken: von 2,5 Minuten im Jahr 2004 auf durchschnittlich 47 Sekunden im Jahr 2021.
In ihrem Buch Attention Span erklärt Mark, warum genau das zum Problem werden könnte.
Kampf um die Aufmerksamkeit: Wo liegt das Problem?
Mark stellte schon 2008 in ihrer Forschung fest, dass ein häufiger Aufmerksamkeitswechsel mit einem erhöhten Stresslevel einhergeht.
Gleichzeitig, so der Aufmerksamkeitsaktivist und Princeton-Professor D. Graham Burnett gegenüber dem Fernsehsender CNN, befinden wir uns heute mehr denn je in einem „Goldrausch“ um Aufmerksamkeit.
Burnett kritisiert ein „gigantisches, technologisch intensives und stark kapitalisiertes Programm der finanziellen Ausbeutung unserer intimsten und grundlegendsten Aufmerksamkeitsfähigkeiten“ gerade durch Tech-Firmen. Die würden „die eigentlichen Strukturen unseres Seins und unserer Beziehungen“ destabilisieren und „verschmutzen“.
Doch nicht nur Tech-Konzerne, die uns immer noch passender auf uns zugeschnittene Ablenkung bieten wollen, können unsere Aufmerksamkeit stören: In Stolen Focus: Why You Can’t Pay Attention — and How To Think Deeply Again zählt der Journalist Johann Hari insgesamt elf Faktoren auf, die unsere Aufmerksamkeit beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise auch Arbeitsstrukturen, Luftverschmutzung und Ernährung.
Was hilft uns also, unsere Aufmerksamkeitsspanne zu schützen und vielleicht wieder zu verlängern?
Die eigene Aufmerksamkeit schützen: Diese Schritte können helfen
Johann Hari selbst greift zu einer relativ radikalen Methode, um sich aufs Schreiben konzentrieren zu können: Er sperrt sein Handy über mehrere Stunden in einer Box mit Zeitschaltuhr. Anfängern empfiehlt er, mit kurzen telefonfreien Zeiten zu starten und diese immer weiter auszudehnen.
Bei Gloria Mark geht es im ersten Schritt darum, sich die eigenen Automatismen bewusst zu machen. Wann und womit lenken wir uns ab, ohne wirklich darüber nachzudenken?
Sie rät, sich die eigenen Aufmerksamkeits-Peaks und Löcher durch den Tag genauer anzuschauen. Die Dokumentation in Tagebuchform kann dabei helfen, den eigenen Chronotypen, also den Aktivitätsrhythmus über den Tag, festzustellen, und Fokuszeiten entsprechend zu terminieren.
Wer sich besonders gut um seine Aufmerksamkeit kümmern will, benötigt dafür außerdem Pausen: „Wir haben einen Tank mit Aufmerksamkeitsressourcen, der erschöpft wird, wenn wir unsere Aufmerksamkeit ständig wechseln“, sagte Mark. „Und er wird erschöpft, wenn wir uns zwingen, uns übermäßig lange auf etwas Schwieriges und Anstrengendes (ohne Pausen) zu konzentrieren.“
Für Johann Hari braucht es letztlich aber mehr als individuelle Maßnahmen. „Ich fühle mich im Moment so, als ob uns jemand den ganzen Tag mit Juckpulver überschüttet“, so der Autor gegenüber CNN. „Und dann lehnen sie sich vor und sagen: ‚Hey, Kumpel, du solltest meditieren lernen, dann würde es dich nicht ständig jucken.’“