Le Tote kauft Lord & Taylor: Wieso Pureplayer Kaufhäuser retten
Le Tote kauft Lord & Taylor, das ist in etwa so als würde ein kleiner, gut laufender Fashion-Onlineshop H&M kaufen. Noch verrückter dürfte sein, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur ein sinnvoller, sondern ein zukunftsweisender Deal ist. Es zeichnet sich ein Trend ab: Die erfolgreichen digitalen Händler gehen auf Einkaufstour, entkernen alte angestaubte Ketten und stülpen ihnen digitale Konzepte über. Der Einzelhandel ist nicht tot, er wird nur überrannt von der digitalen Avantgarde, weil er selbst nur schwer tragfähige, neue digitale Geschäftsmodelle entwerfen kann.
Bekommt Le Tote das Kaufhaus Lord & Taylor hinterhergeworfen?
Das US-Startup Le Tote ist seit 2012 am Markt und vermietet für Beträge von 69 bis 119 US-Dollar monatlich Kleidung und Accessoires an weibliche Kunden. Der Dienst ist eine Kombination aus Curated Shopping und Abo-Commerce. Kundinnen bekommen eine Outfit-Auswahl zusammengestellt, die sie noch einmal selbst korrigieren können, in dem sie Teile austauschen, sobald ausgeliehene Kleider zurückgesandt werden, kommt das nächste Outfit. Le Tote steht mit einer Bewertung von 180 Millionen noch dem Konkurrenten Rent the Runway gegenüber, der mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertetet wurde. Der Konkurrent bietet Designer-Outfits mit deutlich weniger Kleidungsstücken und einer höheren Gebühr ab 159 US-Dollar an, wie das Handelsblatt schreibt.
Neben dem hochwertigeren Segment, hat Rent the Runway einen Vorteil: fünf Läden in New York, Washington, San Francisco, Chicago und Los Angeles. Jetzt hat Le Tote auf einen Schlag 38 Kaufhäuser in bester Lage dazugewonnen.
Der Deal wirkt etwas abstrus, denn ein vergleichsweise kleines Startup erwirbt eine Kaufhauskette mit Milliardenumsatz vom kanadischen Handelsriesen Hudsons Bay Company (HBC) – noch dazu auf Kredit in Raten, die erste Zahlung soll 75 Millionen betragen, der Rest kommt über zwei Jahre. Die Hintergründe machen klar, wieso HBC die Kette scheinbar verramscht. Lord & Taylor hat über eine Milliarde US-Dollar Umsatz erwirtschaftet, für die Muttergesellschaft allerdings keinen Gewinn eingebracht. Erst 2017 hat Lord & Taylor als Teil eines Sanierungsplans einen Flagship Store in New York an das Coworking-Unternehmen WeWork verkaufen müssen. Le Tote bekommt keine Immobilien, nur die Marke, das Inventar und 38 Filial-Standorte. Nach drei Jahren wollen HBC und Le Tote neu bewerten und festlegen ob HBC einige Standorte zurücknimmt, oder nicht. Und HBC hat eine Minderheitsbeteiligung an Le Tote bekommen
Le Tote hat hier zwar ein Schnäppchen gemacht, aber für HBC ist der Deal vernünftig. Im besten Fall wirft die Minderheitsbeteiligung zukünftig mehr Ertrag ab als Lord & Taylor bisher verbrannt hat, die Mieteinnahmen sind erstmal gesichert und bringen weiteren Ertrag ein. Im schlimmsten Fall holt sich HBC die lukrativsten Standorte wieder zurück.
Wie Le Tote Lord & Taylor nutzen wird
Vermutlich wird Le Tote die Standorte erstmal unverändert weiterbetreiben, aber zügig den eigenen Service in die Standorte integrieren. Eine Shop-in-Shop-Lösung für die Abwicklung der Le-Tote-Abos ist möglich, außerdem ist intensive Werbung für das Abo in den Filialen zu erwarten. Le-Tote-Kunden werden auf das Sortiment von Lord & Taylor zurückgreifen und vor Ort Kleider leihen und zurückgegeben können.
Zusätzlich wird Le Tote Lord & Taylor als lokale Warehouses nutzen müssen, um auf das Inventar der Läden für die Onlinekunden zurückgreifen zu können. Da das Inventar aus hochpreisigen Artikeln besteht, wird Le Tote eventuell eine hochpreisigeres Abo zusätzlich einführen. Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings, das das Sortiment auch um günstigere Segmente erweitert werden müsste, um auch Kunden der günstigeren Abos zu bedienen.
Das verspricht Potential, der Erfolg wird davon abhängen, dass Le Tote zum einen Umsatzwachstum online durch die „Kaufhaus-Showrooms“ generiert und dass Le Tote das eigene Geschäftsmodell möglichst gut in die Lord & Taylor-Filialen integriert um offline zu wachsen. Außerdem kann man nur hoffen, dass das Startup genügend Cashflow aufbringt, um den Umbau von Lord & Taylor und die Integration des digitalen Geschäftsmodells zu bewerkstelligen.
Digitale Handelsunternehmen übernehmen den Einzelhandel
Wenn stationäre Einzelhandelsunternehmen von digitalen Unternehmen übernommen werden, verspricht das einen Vorteil: Statt von innen heraus transformieren zu müssen, kann ein digitales Modell entweder übergestülpt werden – oder wie im Fall der Whole-Foods-Übernahme von Amazon langsam in die DNA des stationären Unternehmens fließen. Im Fall von Amazon und Whole Foods wird irgendwann die Grenze zwischen den stationären Umsätzen und den digital generierten Umsätzen verschwimmen, je weiter die Kanäle verschmelzen: Zum Beispiel Bestellungen die über Prime-Now aus Whole-Foods-Märkten ausgeliefert werden, Whole-Foods-Waren, die über Amazon vertrieben werden.
Das Problem: Bei der Übernahme von großen Ketten halsen sich auch digitale Unternehmen große Aufgaben auf. Die Probleme der stationären Händler verschwinden schließlich nicht. Kurzfristig wird es für Le Tote reichen, das Abo irgendwie bei Lord & Taylor zu platzieren – langfristig wird der Umbau mehr Ressourcen verschlingen.
Bei Amazon kann langfristig das ganze Geschäftsmodell von Whole Foods umgekrempelt werden, weil Amazon aufgrund der Aktionsbreite des Unternehmens so ziemlich alles abbilden kann. Le Tote kann digital aktuell nur Abo-Commerce abbilden und Lord & Taylor kann nicht das ganze Geschäftsmodell auf Abo Commerce ausrichten. Hier wird die Zeit zeigen müssen, welche übergeordnete Strategie Le Tote für die Kaufhauskette entwickeln wird. Es wird nicht ausreichen, den Ertrag ausschließlich über Le Tote zu sichern.
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