Linkedin China ist Geschichte. Im Laufe des Restjahres will die US-amerikanische Social-Media-Plattform für Berufsnutzende ihre chinesische Version schließen. Stattdessen soll es eine neue App geben, die ausschließlich als regionale Jobbörse konzipiert sein und keine sozialen Interaktionen oder Feeds enthalten wird.
Great Firewall siegt: Linkedin gibt auf
Damit beendet die Microsoft-Tochter ihren im Jahr 2014 begonnenen Eiertanz mit dem politischen System der Volksrepublik. Schon von Beginn an war es Linkedin nur unter großen Anstrengungen gelungen, die Compliance mit dem rigiden chinesischen System der Meinungskontrolle aufrechtzuerhalten.
Zuletzt Anfang des Jahres wurde Linkedin China von den Behörden wegen angeblicher Versäumnisse, politische Inhalte auf ihrer Plattform zu kontrollieren, sanktioniert. Es war nur die jüngste in einer Reihe von Auseinandersetzungen über Inhalte, die innerhalb der sogenannten Great Firewall von den Behörden als zulässig erachtet werden. Ebenso hatte Linkedin immer wieder Probleme damit, darzustellen, wie der Dienst die erforderliche strikte Trennung zwischen seiner Haupt-App und der chinesischen Version aufrechterhält. Die Cyber-Verwaltung der Volksrepublik verfolgte sämtliche Aktivitäten des US-amerikanischen Anbieters mit Argusaugen.
Während es lange so aussah, als wollte Linkedin den Betrieb nahezu um jeden Preis fortführen, haben die jüngsten Verschärfung der Inhaltskontrolle, die besonders ausländische Anbieter betreffen, bei Linkedin zum Umdenken geführt. Das Unternehmen erklärt:
Während wir bei der Unterstützung chinesischer Mitglieder bei der Suche nach Jobs und wirtschaftlichen Möglichkeiten erfolgreich waren, hatten wir nicht den gleichen Erfolg bei den sozialen Aspekten des Austauschs und des Informierens. Außerdem sehen wir uns in China mit einem deutlich schwierigeren Betriebsumfeld und höheren Compliance-Anforderungen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen, die derzeitige lokalisierte Version von Linkedin, über die die Menschen in China auf die globale Social-Media-Plattform von Linkedin zugreifen, im Laufe dieses Jahres einzustellen.
54 Millionen Nutzende tun Linkedin durchaus weh
Bezogen auf die weltweiten Nutzerzahlen Linkedins ist der Verlust der chinesischen Nutzerbasis erheblich. Immerhin 54 Millionen Chinesinnen und Chinesen nutzten den Dienst bislang – bei weltweit 774 Millionen Nutzenden. Allerdings stagniert dieser Wert seit Jahren. Wechat, Linkedins größter Konkurrent um Stellenangebote, kann 1,25 Milliarden aktive Nutzende vorweisen, bedient aber natürlich auch weit mehr als Linkedins Nische.
Linkedins Begründung für den Rückzug liest sich als eine Mischung zwischen wirtschaftlichen und politischen Beweggründen. Am Ende mag es auch so sein, dass sich die erforderlichen Investitionen für die Einhaltung der verschärften politischen Rahmenbedingungen wirtschaftlich nicht mehr darstellen lassen.
Abgespeckte App bietet nur noch reine Jobbörse
Ganz will Linkedin den chinesischen Markt dann aber doch nicht aufgeben. Mit Stellenangeboten sei man bisher sehr erfolgreich gewesen, gibt der Dienst zu bedenken. Daher erscheint es nachvollziehbar, dass eine neue App genau diesen Markt künftig bedienen soll.
Später in diesem Jahr werden wir InJobs einführen, eine neue, eigenständige Jobanwendung für China. InJobs wird weder einen Social Feed noch die Möglichkeit zum Teilen von Beiträgen oder Artikeln enthalten. Wir werden auch weiterhin mit chinesischen Unternehmen zusammenarbeiten, um ihnen bei der Schaffung von wirtschaftlichen Möglichkeiten zu helfen.
Mit Linkedin gibt das letzte verbliebene Digitalunternehmen aus den Vereinigten Staaten auf. Auch Facebook hatte jahrelang versucht, auf dem schon quantitativ äußerst lukrativen chinesischen Markt Fuß zu fassen. Andere Social-Media-Anbieter hatten zwar ebenfalls versucht, separate chinesische Niederlassungen zu unterhalten, erwiesen sich aber letztlich als nicht in der Lage oder willens, die geforderten Zensurstandards zu erfüllen. Der Rückzug Linkedins dürfte weithin als Beleg dafür gewertet werden, dass westliche Digitalunternehmen schlichtweg nicht mit dem chinesischen Regime – sagen wir – kompatibel sind.