Meetings außerhalb der Arbeitszeit: Wie du mit achtlosen Vorgesetzten umgehen solltest
Gleitzeit bietet inzwischen wohl jedes (Medien-)Unternehmen an, das etwas auf sich hält. Mitarbeiter können innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens selbst entscheiden, wann sie anfangen und wann sie Feierabend machen. Das braucht freilich eine gute Organisation: Besonders Meetings müssten in der Zeit liegen, in der alle Teilnehmer anwesend sind.
Das ist aber oft nicht der Fall. Besonders dann nicht, wenn die Vorgesetzten ihre eigene Arbeitszeit als Standard anlegen. Dann werden Meetings am frühen Morgen oder am Abend geplant – obwohl viele Mitarbeiter womöglich längst ihre acht Stunden Arbeitszeit an dem Tag hinter sich gebracht haben. Wie geht man damit um – und wie kann man den Vorgesetzten kommunizieren, dass sie ihr Vorgehen ändern müssen?
Lieber anlassbezogene Meetings
Sebastian Jakobi ist Diplom-Psychologe mit dem Schwerpunkt Arbeitspsychologie und deutschlandweit tätig für Betriebe vieler Branchen. Besonders hat er sich auf die Arbeitsorganisationspsychologie spezialisiert. Er betont, dass die Gleitzeit, wenn sie vertraglich festgelegt ist, keine Option, sondern Verpflichtung ist. „Das muss die Führungskraft auch wissen“, sagt er. Daran hingen auch wichtige strukturelle Probleme. „Jemand mit Familie kann etwa nur schwer in einem Unternehmen arbeiten, in dem ständig Meetings außerhalb der Arbeitszeit liegen. Dazu kann auch die Mittagspause zählen, die nicht beachtet wird.“
Er empfiehlt, zunächst das Gespräch mit Kollegen zu suchen, ob die ähnlich empfinden, oder ob das ein singuläres Problem ist. Sollte es mehrere betreffen, wäre eine Möglichkeit, die Frage der Meetings in einer Runde mit der Führungskraft konstruktiv anzusprechen. „So kann man etwa offene Frage stellen, ob Meetings nicht besser anlassbezogen geplant werden sollten – und nicht als feste wiederkehrende Termine“, so Jakobi. Auch ein Umfrage-Tool könnte eingebracht werden, in dem die Angestellten abstimmen, welche Art der Meetings ihnen helfen. Das setzt freilich voraus, dass die Führungskraft sich darauf einlässt.
Das Gespräch suchen
In jedem Fall sollten Führungskräfte darauf angesprochen werden, wenn sie Meetings planen, die nicht in der Kernzeit liegen. „In dem Gespräch sollte man deutlich machen, dass die vertraglich geregelte Flexibilität nicht mehr gelebt werden kann, wenn nur der Zeitrahmen der Führungskraft gilt“, so Jakobi. Die Work-Life-Balance sei gefährdet, wenn Mitarbeiter Termine außerhalb der Arbeitszeit nicht mehr verlässlich wahrnehmen können.
„Es ist eigentlich gänzlich unnötig, einen Grund anzugeben, wieso bestimmte Zeiten für Meetings nicht gehen, wenn die Arbeitszeit oder die Gleitzeit im Vertrag festgehalten sind“, sagt der Arbeitspsychologe. Er wisse jedoch auch, dass sich einige Mitarbeiter schämen würden, das Problem offen anzusprechen – weil es wie Arbeitsverweigerung wirken könnte. „In diesem Fall kann es hilfreich sein, den Grund zu nennen“, sagt er. Aber nur dann, wenn es ein gewisses Vertrauensverhältnis gibt. Dabei müsse man nicht ins Detail gehen. Aber etwa zu erwähnen, dass die familiären Aufgaben dadurch liegen bleiben, könne deutlich machen, dass die Führungskraft da einen Menschen vor sich hat – mit eigenem Leben.
Der letzte Schritt
„Man sollte hoffen, dass eine Führungskraft emphatisch reagiert und einsichtig ist“, sagt Sebastian Jakobi. Schließlich sei eine für alle vereinbare Meetingstruktur nicht für die einzelnen Mitarbeiter wichtig, sondern für das gesamte Unternehmen. Wer Gleitzeit verspricht, diese aber nicht einhält, wird wahrscheinlich eine hohe Mitarbeiterfluktuation haben.
„Und das sollte wiederum auch der Personalabteilung wichtig sein“, sagt Jakobi. Es könne nicht sein, dass Angestellte sich dauerhaft verbiegen müssen, um die Meetings wahrzunehmen, die nur auf die Arbeitszeit der Führungspersonen ausgerichtet sind. „Es ist wichtig, das mit der Personalabteilung zu besprechen. Dass die vom Unternehmen versprochenen Arbeitsbedingungen nicht eingehalten werden.“ Das, so Jakobi, würde deutlich machen, dass Meetings mit den Arbeitsmodellen aller Angestellten verträglich sein müssen.