Microsofts Asien-Chef: „Künstliche Intelligenz + menschliche Intelligenz = Erfolg“
Nach fast einer Woche Peking hat man sich an das Klima und den pulsierenden Rhythmus der Stadt gewöhnt. Am vorletzten Tag, bevor es auf die andere Seite der Welt in die USA geht, geht es mit dem Taxi zu Hsiao-Wuen Hon. Die 30-minütige Fahrt kostet umgerechnet noch nicht einmal vier Euro. Hon ist Corporate-Vice-President von Microsoft Research Asia Microsoft Asia-Pacific R&D Group. Sein Thema: künstliche Intelligenz.
Microsoft hat in Peking zwei große Tower. Beide sind bunt und fröhlich eingerichtet. Sein Büro ist im zweiten Tower, 14. Stock. Der Smog, der normalerweise die Stadt in eine Dunstglocke hüllt, ist heute nicht allzu heftig, daher hat man einen fantastischen Blick über die Stadt.
Das Meeting ist für eine Stunde angesetzt. Daraus werden später zwei. Es gibt viel zu erzählen. Die Atmosphäre ist sehr angenehm, der Empfang freundlich. Hon ist unkompliziert und man fühlt sich sofort willkommen. Auf seinem Gesicht ein strahlendes Lächeln. Auf seinem Schreibtisch steht eine Kanne Tee und einige Bananen liegen dort. Ein ganz normales Büro.
Seit 1748 gibt es die Idee von künstlicher Intelligenz
Hon arbeitet seit 1995 für Microsoft im Bereich Artificial Intelligence (AI). Damals noch unter Bill Gates. Die Geschichte von der künstlichen Intelligenz ist ihm wichtig. Der Ausdruck wurde bereits in 1956 von John McCarthy auf der Dartmouth Conference geprägt. Seither gilt sie als Gründungsveranstaltung der künstlichen Intelligenz. Die Idee, dass sich die menschliche Intelligenz oder auch ganz allgemein die Vorgänge des menschlichen Denkens möglicherweise automatisieren lassen, ist aber schon sehr viel älter. Als früheste Quelle wird zumeist auf Julien Offray de La Mettrie und sein 1748 veröffentlichtes Werk L’Homme Machine verwiesen. Das Thema beschäftigt die Menschen also offenbar schon länger.
Bereits 1991 war es das Ziel von Bill Gates, einen Computer zu entwickeln, der spricht, der zuhört, der intelligent interagieren und vor allem antworten kann. Das ist nun mehr als 25 Jahre her. Daher gründete Gates im Jahr 1998 das Artificial-Intelligence-Lab das Hon in Asien nun verantwortet.
Microsoft hat sich in diesem Feld inzwischen sehr breit aufgestellt. Von der Sprach- und Gesichtserkennung bis hin zum maschinellen Lernen. Einige Beispiele von vielen: In den Aufzügen von Thyssen Krupp stecken Microsoft-Applikationen, um schon im Vorfeld notwendige Wartungen anzuzeigen, bevor es zu Ausfällen kommt (predictive Maintanance). Im Bereich autonomes Fahren arbeitet Microsoft mit Daimler zusammen. Rolls Royce verwendet die Azure-Plattform um Daten intelligent zu sammeln und damit ihre Kunden bedienen zu können. Weltweit kosten Flugverspätungen und Störungen die Airline-Industrie jährlich Milliarden von Dollar und sind nicht nur für den Kunden ärgerlich und störend.
Co-Evolution zwischen beiden Intelligenzen
Künstliche Intelligenz unterstützt uns also sehr erfolgreich in unserer Arbeit. Das ist für Hon auch das Ziel seiner Arbeit: „künstliche Intelligenz + menschliche Intelligenz = Erfolg.“ Er nennt das die Co-Evolution zwischen beiden Intelligenzen. Es geht ihm hierbei nie um die Ablösung der menschlichen Intelligenz. Aus seiner Sicht ist das derzeit Science-Fiction und liegt nicht in unserer nahen Zukunft. Ganz anders als für Roboter-Ikone Hiroshi Ishiguro. Für ihn macht Technologie den Menschen aus. Man denke an seinen Ausspruch: „Wenn wir keine Technologie verwenden würden, wären wir wie Affen.“ Aus seiner Sicht sei eine Verschmelzung unumgänglich, die Grenzen des menschlichen Körpers durch künstliche Intelligenz aufhebbar.
Hon hingegen geht einen anderen Pfad und die Abgrenzung ist für ihn eindeutig: „Die linke Gehirnhälfte ist für analytische Denkprozesse und Zahlen zuständig. Alles wiederholbare Prozesse. Das kann gut mit künstlicher Intelligenz abgebildet werden. Die rechte Gehirnhälfte dagegen ist eher für das ganzheitliche Erfassen, Intuition und Kreativität zuständig. Das sind typische Merkmale für menschliche Intelligenz, die nur schwer mit künstlicher Intelligenz abzubilden ist.“
Für Hon sind Weisheit, Kreativität sowie kognitiven Fähigkeiten wie Emotionen, der Glaube oder auch die Vorstellungskraft typische menschliche Merkmale. Typisch für die künstliche Intelligenz ist hingegen die Wahrnehmung in Form von Audio- und Videosignalen, die Speicherung von unendlichen Datenmengen, sowie Informationsverarbeitung jeglicher Art. Früher hatten wir eine Menge Telefonnummern im Kopf, heute sind sie abgespeichert in unserem Smartphone. Wir haben diesen Teil des Erinnerungsvermögens dankend an unsere Geräte abgegeben. Das schafft Kapazitäten für komplexe Denkvorgänge.
„Wir können Bewusstsein und Kreativität nicht beschreiben woher sie kommen und wie sie entstehen. Bewusstsein ist eng verknüpft mit Kreativität“, erklärt Hon. In Ruhephasen oder im Zustand der Hypnagoge (kurz vor dem Einschlafen) kommen uns oft die besten Ideen. Wie oft standen wir schon unter der Dusche und hatten eine gute Idee? Jeder hat das schon erlebt und kennt das. Wir können genau diese Phasen zwischen Bewusstsein und Kreativität sehr schlecht beschreiben. Sie sind nicht greifbar. Hon stellt daher die berechtigte Frage: „Wie sollen wir sie dann durch künstliche Intelligenz abbilden können?“ Sind wir hingegen in einem Aufmerksamkeitszustand zum Beispiel am Morgen nach einer Tasse Kaffee können wir Aufgaben schnell erledigen. Meist Aufgaben die eine künstliche Intelligenz auch gut übernehmen könnte – wiederholende Arbeiten – Aufgaben zum abarbeiten, damit sie erledigt sind. In der Regel können wir diese Arbeiten gut beschreiben und definieren. Das leuchtet ein und ergibt Sinn. Denn das, was wir beschreiben können, können wir am Ende auch einer künstlichen Intelligenz beibringen.
Beispiel Beethoven
Dann macht Kreativität uns also als Mensch aus? Der Gedanke liegt nahe, auch wenn man sich über die Definition von Kreativität im Klaren sein muss. Es geht nicht darum Bilder nach Zahlen zu malen, sondern um komplexe Kreativität, um Neuerschaffungen.
„Man denke an Ludwig van Beethoven“, so Hon: „Er war taub und blind als er mit der 5. Sinfonie eines seiner berühmtesten Werke schrieb“. Visuell und auditiv abgeschnitten von seiner Außenwelt. Für ihn vermutlich ein Moment der höchsten Kreativität, der wir dieses wunderbare Stück zu verdanken haben. Hon argumentiert weiter „diese Bewusstseinszustände machen uns verletzbar und fehlbar und das wiederum macht uns menschlich und hilft uns kreativ zu sein. Wir können zudem nicht beweisen, dass es so etwas wie eine Seele oder Weisheit gibt, weil es nicht greifbar ist, wir können aber genauso wenig beweisen, dass es sie nicht gibt“. Fehlbarkeit – interessanterweise ein Punkt der oft in vielen Gesprächen auch an anderer Stelle zum Ausdruck kam. Alles was perfekt ist, empfinden wir nicht als menschlich. Um Roboter oder Bots menschlicher erscheinen zu lassen, werden Fehler oder sprachliche Akzente mit eingebaut.
Für Hon ist es immer ein Zusammenspiel, eine Co-Evolution von künstlicher und menschlicher Intelligenz, und niemals nur künstliche Intelligenz alleine. Künstliche Intelligenz kann uns viele Dinge abnehmen und unser Leben und Arbeiten erleichtern, Prozesse verbessern, Geschäftsmodelle effektiver machen, aber sie kann uns nicht ersetzen.
Er sieht zudem aktuell auch keine handfesten Hinweise, dass es zu einer vollständigen Verschmelzung von beiden Intelligenzen kommt, oder wie Ray Kurzweil vorhersagt: eine neue Rasse des Menschen. Ganz ausschließen möchte er es dennoch nicht. Seine Vorhersage: „Sollte es doch eine Verschmelzung geben, so wird das in den nächsten 5 bis 500 Jahren passieren.“ Das heißt so viel wie: Keiner kann es genau sagen. Das beruhigt irgendwie ein wenig, nach den Vorhersagen anderer Experten wie Hiroshi Ishiguro oder Ben Goertzel, die eine Verschmelzung von Mensch und Maschine in den nächsten fünf bis sieben Jahren vorhersagen. Im Moment fühlt es sich angenehmer an, über eine unterstützende und nicht eine übernehmende künstliche Intelligenz nachzudenken – auch wenn das Thema eigentlich gar nicht so neu ist, wie viele vielleicht denken. Die Übergangszeit in das neue Zeitalter braucht anscheinend jedoch Zeit, damit wir lernen können damit umgehen zu können. Das war auch schon einer der Hauptpunkte, die Ben Joffe von Hax in Hongkong beschrieben hatte.
Abschließend sagte Hon, wir Menschen sind verwundbar und wir machen Fehler, aber genau das macht uns so einzigartig und das macht uns am Ende als Mensch aus. Das wird nie eine künstliche Intelligenz erreichen können, aber das ist auch gar nicht das Ziel. Sie soll uns unterstützen und uns das Leben und Arbeiten erleichtern.
Damit haben wir am Ende vielleicht alle ein bisschen mehr Zeit um „Mensch zu sein.“
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So einen Quatsch wie den von Herrn Hon von der bekannten Firma kann nicht jeder schreiben.
Das Gehirn ist völlig verständlich und durch Software simulierbar.
Siehe hier: http://www.moravcik.info