
Bei der Generalkonferenz für Maß und Gewicht im Schloss Versailles haben Wissenschaftler:innen und Regierungsvertreter:innen offiziell beschlossen: Die sogenannte Schaltsekunde soll bis 2035 abgeschafft werden. Bisher hatte sie immer wieder für Probleme in technischen Programmen, aber auch bei der Satellitennavigation, der Telekommunikation und sogar in der Raumfahrt gesorgt.
Die Schaltsekunde: Bringt Uhrzeit und astronomischen Tagesverlauf in Einklang
Aber warum gibt es die Schaltsekunde eigentlich? Die Länge einer Sekunde wurde zuletzt 1967 definiert, ein mittlerer Sonnentag dauert per definitionem rund 86.400 Sekunden. Die Betonung liegt dabei auf rund – denn weil sich die Erde mittlerweile etwas langsamer dreht als bei der ursprünglichen Sekundendefinition, ist der mittlere Sonnentag um Sekundenbruchteile länger geworden als 86.400 Sekunden.
Diese Sekundenbruchteile summieren sich im Laufe der Zeit, und irgendwann ist die Differenz zwischen koordinierter Weltzeit (UTC) und der auf der Erdrotation basierenden Weltzeit (UT1) so groß, dass es eine Extrasekunde in der UTC braucht, um Uhrzeit und astronomischen Tagesverlauf zu synchronisieren – sonst ist die Sonne nicht mehr pünktlich um 12 Uhr mittags auf ihrem Höchststand.
Einen regelmäßigen Zeitpunkt für das Einfügen dieser Extrasekunde gibt es nicht, weil sich die Erde obendrein noch ungleichmäßig schnell dreht. Also beobachtet der Internationale Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) das Auseinanderdriften von UTC und UT1 und fügt bei Bedarf eine Schaltsekunde ein.
Die Umstellung erfolgt jeweils Ende Juni oder Ende Dezember, alle beteiligten Akteure werden sechs Monate im Voraus informiert. Seit ihrer Einführung vor 50 Jahren kam die Schaltsekunde insgesamt 37-mal zum Einsatz – jetzt soll damit aber Schluss sein.
Eine Sekunde zu viel: Techfirmen sehen Extrasekunde als unnötigen Störfaktor
Schon im Sommer 2022 hatten Meta, Google, Microsoft und Amazon die Abschaffung der Extrasekunde gefordert. Ob es sie nun gebe oder nicht, sei für die meisten Menschen völlig irrelevant, so die Argumentation. Gleichzeitig birgt die Schaltsekunde die Gefahr, dass sich Server, Rechner und Programme an ihr verschlucken. Indem eine Minute plötzlich 61 statt 60 Sekunden haben soll, kommt es bei den technischen Tools zu Verwirrung – schließlich sind die auf Kontinuität getrimmt.
Die Techkonzerne wurden in ihrer Forderung durch die US-amerikanischen und französischen Standardisierungsbehörden (National Institute of Standards and Technology und Bureau international des poids et mesures) unterstützt – und dürften sich jetzt umso mehr über die Entscheidung auf der Generalkonferenz für Maß und Gewicht freuen.
Statt der Schaltsekunde soll es künftig weltweit angeordnete Schaltminuten geben, in denen die Zeit einer Minute auf zwei Minuten „verschmiert“ wird. Bis so eine Schaltminute tatsächlich gebraucht wird, dürfte es zwischen 50 und 100 Jahre dauern. Damit die Schaltsekunde tatsächlich offiziell abgeschafft werden kann, braucht es jetzt noch die Zustimmung der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), die 2023 über das Thema abstimmen wird.