Anzeige
Anzeige
News

Black Mirror: Anwalt erklärt wie realistisch „Joan is Awful” wirklich ist

Wir haben die erste Folge der neuen Black-Mirror-Staffel von einem Anwalt checken lassen. Er erklärt, wie realistisch die teuflischen AGB, welche der Protagonistin zum Verhängnis werden, wirklich sind. (Achtung: Spoiler Alert!)

Von Insa Schniedermeier
4 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige

Joan is aweful? (Bild: Nick Wall/Netflix)

Die sechste Staffel der dystopischen Netflix-Serie „Black Mirror“ startet mit einer heiß diskutierten Folge namens „Joan is Awful“. Darin entdeckt eine 0815-Frau namens Joan (gespielt von Annie Murphy), dass ihr Leben auf einmal von einer Serie kopiert wird.

Anzeige
Anzeige

Die Joan in der Serie wird von Salma Hayek gespielt – beziehungsweise von einem Avatar, der aussieht wie Salma Hayek, denn die gesamte Serie soll KI-generiert sein.

Verantwortlich für die Serie ist der Streaming-Dienst Streamberry, der wiederum eindeutig Netflix kopiert. Als sich Joan in der Folge mit ihrer Anwältin berät, erhält sie die Information, dass sie keine Rechte gegenüber Streamberry hat, da sie beim Vertragsabschluss den AGB zugestimmt hat.

Anzeige
Anzeige

Awful AGB?

Ohne zu viel zu spoilern: Die Folge lässt einem kalte Schauer über den Rücken laufen. Denn – Hand aufs Herz – wer liest schon die AGB von vorne bis hinten, wenn man einen Vertrag über die Nutzung eines Onlineservices wie Netflix abschließt? Wohl kaum jemand.

Wäre es daher in der Theorie möglich, dass ein Unternehmen wie Netflix eine Serie über einen erstellt? Wir haben Hartmut Göddecke, Fachanwalt für Vertragsrecht von der Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte, nachgefragt.

Anzeige
Anzeige
Hartmut Göddecke. (Bild: Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte)

Hartmut Göddecke. (Bild: Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte)

t3n: Herr Goeddecke, wie realistisch ist der Fall der Folge „Joan is Awful“? Kann ein Sender eine Person einfach klonen, mit ihr einen Film drehen und diesen Film zur besten Fernsehzeit ausstrahlen?

Hartmut Göddecke: Natürlich haben AGB in Deutschland Grenzen, dafür hat der Gesetzgeber gesorgt. Akzeptiert man im täglichen Leben AGB bei einem Vertrag – ganz gleich, ob als Klick oder durch die Unterschrift unter ein Formular –, ist man vor unfairen Bedingungen geschützt.

Anzeige
Anzeige

t3n: Was bedeutet hier „unfair“?

Göddecke: Dazu zählt – allgemein gesprochen – alles, was verboten ist, also was eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Auch unklar formulierte und unverständliche AGB sind unwirksam. Der Gesetzgeber hat hier eine klare Grenze gezogen, denn es soll nicht sein, dass jemand, der unverständliche Klauseln verwendet, geschützt wird. In solchen Fällen dreht sich das Blatt: Derjenige, der mit so einer Klausel belastet wird, soll den Schutz des Gesetzes für sich in Anspruch nehmen.

Anzeige
Anzeige

Außerdem hat das Gesetz einen Riegel bei unliebsamen Überraschungen in den AGB vorgeschoben. Sie sind ebenfalls null und nichtig.

t3n: Als „überraschend“ kann man ja beispielsweise die Klausel aus der besagten Black-Mirror-Folge bezeichnen, in der steht, dass der fiktive Sender Streamberry eine Serie über jeden drehen darf, der den AGB zustimmt. Oder?

Göddecke: Ja. In deutschen AGB vereinbartes Ausleuchten des eigenen Lebens und die Wiedergabe in einer Fernsehsendung ist in den allermeisten Fällen nicht zulässig.

Anzeige
Anzeige

Das aber ist keine Frage der AGB: Denn der Person, die in dem Film zu sehen ist, steht ein allgemeines Persönlichkeitsrecht zu. Damit darf sich eine Person grundsätzlich in der Entscheidung frei fühlen, ob sie selbst Gegenstand eines Filmberichts sein möchte. Will sie es nicht, kann dieses Recht auch nicht durch AGB bestimmt werden.

Auf der anderen Seite – also dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gegenüber – steht das Recht der Presse und der Kunst (Pressefreiheit und Kunstfreiheit). So muss zum Beispiel eine Person, die grundsätzlich im öffentlichen Leben steht, damit rechnen, dass sie in Medien erscheint (zum Beispiel Fußballspieler, hochrangige Politiker oder Filmschauspieler).

Eine Person, die wie in dem Film der Netflix-Serie nur „ganz normal“ ihr Leben lebt, muss grundsätzlich nicht damit rechnen, dass ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht so weit eingeschränkt wird, dass gegen ihren Willen weder über sie in den Medien berichtet wird noch sie Gegenstand eines Spielfilms ist – ganz gleich, ob durch eine:n Schauspieler:in dargestellt oder durch einen KI-inspirierten Klon.

Anzeige
Anzeige

t3n: Auch die Art und Weise, wie in der Serie Daten gesammelt werden, wäre unzulässig, richtig?

Göddecke: Ja, denn die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bestimmt Einschränkungen, wenn es um die Erhebung von Daten geht. Es dürfen nicht mehr Daten erhoben werden als unbedingt notwendig, um den Vertrag zu erfüllen (sogenanntes „Kopplungsverbot“).

Zudem ist für die Erhebung von Daten eine ausdrückliche Einwilligung notwendig – ein Klick auf den AGB-Knopf reicht nicht aus. Außerdem kann die Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

Anzeige
Anzeige

t3n: Kurz – die auf Netflix ausgestrahlten Szenen, nach denen sich eine x-beliebige Person im Fernsehen in dieser Art wiederfindet, wären in Deutschland nicht zulässig?

Göddecke: Genau. Das kann weder durch AGB im Rahmen eines x-Vertrages bestimmt werden noch ist das nach dem Gesetz zulässig. Etwas anderes wäre es natürlich, wenn es um einen Vertrag gehen würde, der präzise die geschilderten Szenen zum Gegenstand hätte. Dass AGB überraschende Klauseln aufweisen, ist in der Praxis aber nichts Ungewöhnliches.

t3n: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Anzeige
Anzeige

Göddecke: Ein Beispiel ist die Klausel eines WLAN-Betreibers auf einem Festival gewesen, wonach sich die Nutzer:innen des kostenfreien WLAN in einer der Klauseln verpflichteten, dass sie nach dem Festival die Duschen reinigen müssen.

Auf Nachfrage am Ende des Festivals, um die Duschreinigung einzufordern, reagierten die angesprochenen Nutzer:innen vollkommen überrascht, weil offenbar niemand die Bedingungen zur Nutzung gelesen hatte.

Eine solche Klausel ist überraschend und damit letztlich unwirksam.

t3n: Kann man es sich also sparen, AGB zu lesen?

Göddecke: Nein, natürlich müssen sich Verbraucher:innen, die die AGB akzeptieren, diese vor der Zustimmung (also vor dem Klicken) durchlesen.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige