Netflix schockiert Anleger mit düsteren Geschäftsprognosen
In der Corona-Pandemie gehörte Netflix bislang zu den Krisengewinnern. Der Zulauf war so groß, dass der Streaming-Marktführer in den USA und Kanada seit dem Ausbruch der Pandemie gleich zweimal die Preise erhöhen und trotzdem die Nutzerzahlen signifikant erhöhen konnte. Doch nun zeichnet sich ab, dass sich Netflix von seinen paradiesischen Zuwachsraten aus den Lockdown-Zeiten verabschieden muss. Am Donnerstag nach US-Börsenschluss erschreckte der Unterhaltungskonzern seine Investoren mit einem düsteren Ausblick.
Für das laufende Quartal erwartet Netflix lediglich 2,5 Millionen neue Kunden. Damit blieb das Unternehmen deutlich unter den Prognosen der Analysten. Auch andere Zahlen bereiten den Investoren Kopfschmerzen. Der starke US-Dollar drückt die Einnahmen aus dem Rest der Welt. Betriebs- und Reingewinn werden laut der Prognose des Managements zurückgehen. Die Aktie stürzte nachbörslich zeitweise um rund 20 Prozent ab.
Im letzten Quartal 2021 legte die weltweite Anzahl der Abonnenten dank Streaming-Hits wie „Squid Game“ noch um 8,3 Millionen auf insgesamt knapp 222 Millionen zu. Das eigene Ziel von 8,5 Millionen Neukunden wurde damit aber knapp verfehlt. Finanziell lief es zuletzt rund: Im Schlussquartal stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreswert um 16 Prozent auf 7,7 Milliarden Dollar. Der Gewinn wuchs um rund zwölf Prozent auf 607 Millionen Dollar (537 Millionen Euro).
Netflix hatte vor allem zu Beginn der Pandemie einen regelrechten Kundenansturm erlebt, doch das Wachstum flaut schon länger ab. Der Streaming-Riese kämpft mit starker Konkurrenz – Rivalen wie Disney Plus, Hulu und HBO Max rüsten auf, zudem sind neue Anbieter wie Peacock und Paramount Plus hinzugekommen. Im Quartalsbericht räumte Netflix ein, dass sich der Wettbewerb intensiviert habe, da Entertainment-Konzerne weltweit ihre eigenen Streaming-Services entwickelten.
Konkurrenz schränkt Kundenwachstum ein
Die stärkere Konkurrenz sorgt zum einen dafür, dass das eigene Kundenwachstum Grenzen bekommt. Viele Familien können sich nicht mehrere Streamingdienste parallel leisten, sondern müssen sich beispielsweise zwischen Disney Plus und Netflix entscheiden. In manchen Regionen wie Lateinamerika ist die allgemeine Wirtschaftslage so angespannt, dass sich viele Verbraucher dort gar keine Streaming-Abos mehr leisten können.
Schlecht entwickeln sich auch die Kosten. Die Netflix-Wettbewerber buhlen mit dem Marktführer auch um frische Inhalte, was die Preise für Drehbücher und Produktionen in die Höhe treibt. Netflix fällt es zunehmend schwerer, das hohe Tempo bei der Vorstellung neuer Serien und Spielfilme aufrechtzuerhalten.
Die maue Prognose für das laufende Quartal begründete Netflix deshalb auch mit wenigen geplanten Streaming-Premieren. So starten etwa die neue Staffel der Hit-Serie „Bridgerton“ und der mit Spannung erwartete Science-Fiction-Blockbuster „The Adam Project“ erst im März. Im Schlussquartal 2021 hatte Netflix mit vielen neuen Serien und Filmen sein bislang stärkstes Angebot versprochen – und das Neukunden-Ziel trotzdem verfehlt.
Netflix setzt auf internationale Expansion
Experten werfen schon länger die Frage auf, ob das Streaming-Geschäft auf eine Übersättigung zusteuert. Netflix setzt wegen der verhaltenen Wachstumsaussichten in etablierten Märkten wie Nordamerika stark auf seine internationale Expansion. Besonderen Erfolg hatten zuletzt etwa Produktionen aus Südkorea wie „Squid Game“. Am Freitag wurde bekannt, dass der Serien-Hit eine zweite Staffel bekommen wird. „Das Universum von ‚Squid Game‘ hat gerade erst begonnen“, wurde Ted Sarandos, Co-CEO von Netflix, vom Magazin „Deadline“ zitiert. Die umstrittene Thrillerserie wurde in den ersten vier Wochen nach dem Start im vergangenen Herbst in 142 Millionen Haushalten angesehen.
Asien und Europa waren 2021 mit je über sieben Millionen neuen Nutzern die wichtigsten Märkte für Netflix. In den USA und Kanada kam nur gut eine Million an neuen Kunden hinzu.
Der trübe Geschäftsausblick von Netflix brachte nachbörslich auch die Aktien anderer Streaminganbieter kräftig unter Druck. Für den Unterhaltungsgiganten Walt Disney ging es zeitweise um rund fünf Prozent nach unten, für Roku – den führenden US-Hersteller von Streaminggeräten – sogar um über sechs Prozent. Auch der Mutterkonzern des Netflix-Konkurrenten Paramount Plus, ViacomCBS, und der Live-Sport-Streamingdienst FuboTV erlitten deutliche Kursverluste. dpa