Neues Tool gegen Corona: Diese App will Corona-Infektionen an der Stimme erkennen
Prof. Björn Schuller leitet an der Universität Augsburg den Lehrstuhl für Embedded Intelligence for Health Care and Wellbeing. Der Wissenschaftler forscht mit seinen Mitarbeitern an einer Software, die aus Sprache nicht nur Emotionen, sondern auch gesundheitliche Störungen heraushören kann. Derzeit entsteht dort eine App, die anhand der Stimme erkennen will, ob ein Patient mit Corona infiziert ist. Seit März arbeiten die Wissenschaftler an der App und haben zunächst Sprachdaten aus dem chinesischen Wuhan ausgewertet. So lässt sich offenbar unabhängig von der Sprache und von stimmlichen Grundmustern mit Hilfe eines Standardtextes auswerten, ob ein Patient infiziert ist. Dieser Standardtext mit zahlreichen Vokalen wird mit Stimmmustern von Erkrankten und Gesunden verglichen und ermöglicht auf Basis neuronaler Netze eine Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Proband infiziert ist.
Möglich werde das, so erklärt der KI-Experte, indem auf der Basis maschinellen Lernens Muster anhand der menschlichen Stimme erkannt werden. Hierzu lassen sich mehrere Tausend Eigenschaften auswerten, die nicht nur Rückschlüsse bei der Beurteilung von Gefühlen ermöglichen, sondern auch Erkrankungen, die sich auf die Stimme niederschlagen, erkennen. Der Wissenschaftler vergleicht dies laut einem Bericht der Augsburger Allgemeinen mit den Rückschlüssen, die sich aus einem Blutbild ergeben können: „Die Sprache ist praktisch das neue Blut. Wir verwenden es zur Analyse, brauchen es aber auch dringend als Spende, um unsere Systeme für alle verbessern zu können.“
App erkennt Corona mit 80 Prozent Treffsicherheit
Je umfangreicher der Datenschatz ist, auf den das Team zurückgreifen kann, umso treffsicherer wird das Tool – eine gängige Erkenntnis datenbasierter Systeme mit Machine-Learning-Hintergrund. Offenbar mit Erfolg: Wie die Forscher erklären, könne man bereits heute eine Trefferquote von 80 Prozent vorweisen. Ziel sei es, die technischen Möglichkeiten bereitzustellen, damit diese Lösung Marktreife erreichen kann. Datenschutz- und Privatsphäre-Themen ließen sich dabei durchaus gut berücksichtigen, erklärt der Wissenschaftler.
Ein anderes Problem hat das Team allerdings noch nicht lösen können: Pro App-Store, also seitens Apple und Google, gibt es (eigentlich aus gutem Grund, um hier eine möglichst breite Durchdringung zu schaffen und gegen Wildwuchs anzugehen) jeweils nur eine einzige Corona-App pro Land. Bei einer Verbreitung einer dann fertigen App müssten sich die Augsburger also etwas anderes einfallen lassen. Denn mit der Corona-Warn-App lässt sich ein solches System sicherlich schon aufgrund der mit der Stimmaufzeichnung verbundenen Vorbehalte vieler Verbraucher nur schwerlich koppeln, auch wenn die App derzeit ja um einige Funktionen erweitert wird. Als Alternative könnte man das Tool allerdings als Gesundheitsanalyse-App bewerben. Wie lange es noch dauern könnte, bis eine solche App final vorliegt, ist allerdings unbekannt.
So kurios eine solche Idee mit der Stimmanalyse klingt, gibt es doch Anzeichen dafür, dass das Tool funktioniert. Aufgrund des niederschwelligen Ansatzes kann eine solche Lösung ein zusätzliches Indiz vorab sein, ob eine Corona-Infektion vorliegen könnte und ob man sich testen lassen sollte. Denn auch die offizielle Corona-Warn-App ist angesichts der schwer abschätzbaren Verbreitung nur ein Indiz unter vielen.
Tobias Weidemann
Spannend. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das MIT, das mittels KI eine Corona-Infektion anhand von Husten-Aufzeichnungen erkennen will: https://www.sciencealert.com/ai-cough-analysis-could-detect-covid-19-even-if-you-re-asymptomatic